Deutschland im Zeitalter der Reformation 264 zum Prinzip, daß die Juden doppelt so hoch als die steuerpflichtigen christlichen Stände besteuert werden müßten. Unter solchen Verhältnissen war es nur natürlich, daß die Juden bei der ersten besten Gelegenheit das christliche Ungarn verließen, um nach dem muselmanischen zu ziehen, namentlich nach Ofen, wo sie sich von den drückenden Rechtsbeschränkungen frei wußten und überdies mit dem damals in höchster Blüte stehenden jüdischen Zentrum in der Türkei in nähere Berührung kommen konnten. War es doch gerade die Zeit, da in Konstantinopel die jüdischen Staats männer Joseph Nassi und Salomo Aschkenasi wirkten und die Juden überhaupt in hohen Ehren standen. Der ganze Unterschied in der Behandlung der Juden diesseits und jenseits der türkischen Grenze kommt in krassester Weise in folgendem Vorfall zum Ausdruck. Der von dem Sultan Mehmed im Jahre 1599 an den Kaiser Rudolf nach Prag entsandten Friedensdelegation gehörten auch mehrere Juden an. Eine ungarische Chronik berichtet nun, daß der Kaiser, dem es wohl ungeheuerlich schien, mit den Angehörigen des Kammerknecht stammes in Unterhandlung treten zu müssen, die jüdischen Gesandten kurzerhand in den Kerker werfen ließ. Eine andere Quelle weiß noch zu berichten, daß der an der Spitze der Delegation stehende spa nische Jude Don Gabriel Bonaventura in der Wiener Zitadelle ein gekerkert worden sei, während man die übrigen jüdischen Mitglieder der türkischen Gesandtschaft in Fesseln gelegt und zu Zwangsarbei ten verurteilt habe. Es mag sein, daß für eine solche Behandlung der von dem Kriegsgegner entsandten Unterhändler in erster Linie politische Rachsucht ausschlaggebend gewesen ist, doch ist die Ver mutung nicht von der Hand zu weisen, daß hierbei auch Juden-' feindliche Motive mitgespielt haben. Während dieses um den Besitz von Ofen vom kaiserlichen Heere gegen die Türken geführten Krieges mußten die im christlichen Teile Ungarns ansässigen Juden eine schw,er auf ihnen lastende Son derkriegssteuer entrichten. Aber auch die jüdische Bevölkerung von Ofen, die sich längst an die türkische Herrschaft gewöhnt hatte, war während der Belagerung der Stadt durch die österreichisch-ungari schen Truppen von schwerster Sorge heimgesucht. Die von den christ lichen Waffen hier und da errungenen Erfolge mußten in der Tat die ernstesten Befürchtungen wachrufen. So wurden im Jahre 1601 die Juden von Stuhlweißenburg nach Eroberung dieser Stadt durch