4o6
Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien
schaftlichen und kulturellen Verfalls beschritten. Durch die Vertrei
bung der Juden ging es seines gewerbetreibenden Mittelstandes ver
lustig, der für die Erschließung der natürlichen Hilfsquellen des Lan
des soviel geleistet hatte. Der jüdische Unternehmungsgeist lebte
allerdings in den im Lande zurückgebliebenen Marranen weiter fort,
die denn auch im folgenden Jahrhundert mit den neuen spanischen
Kolonien in dem von Kolumbus entdeckten Amerika einen weit aus
gedehnten Handelsverkehr anbahnten; dadurch gelang es, den wirt
schaftlichen Niedergang des Mutterlandes für eine Zeit aufzuhalten.
Als jedoch im XVI. Jahrhundert die Flucht der Marranen aus dem
Lande der Inquisition zu einer Massenauswanderung anschwoll, wurde
der durch die Vertreibung der Juden untergrabene Wohlstand Spa
niens endgültig vernichtet. Das „große“ Reich ging unaufhaltsam
dem Ruin entgegen. Rürgersinn und Kultur erstickten im Rauche der
Scheiterhaufen. Das an das Schauspiel der menschenfressenden Auto
dafes gewöhnte Volk verfiel der Verwilderung: die Sitten wurden im
mer roher; der gesunde Same der Religion wurde von Aberglaube
und Fanatismus überwuchert. Das blühende Land der arabisch-jüdi
schen Renaissance verwandelte sich in eine tote Einöde der Mönche.
§ 57. Die Vertreibung aus Portugal (1U98)
Etwa die Hälfte aller spanischen Verbannten suchte, wie erwähnt,
das nahegelegene Portugal auf. Sie hegten die Hoffnung, in diesem;
Lande, das schon einstmals den Opfern der Katastrophe vom Jahre
1891 Zuflucht gewährt hatte, wenigstens für eine Zeitlang eine
Ruhestätte zu finden 1 ). Als die von dem Rabbiner Isaak Aboab
geführte Deputation der kastilischen Gemeinden bei König Juan II.
um die Einreisegenehmigung für die Verbannten nachsuchte,
gab der portugiesische Herrscher, allerdings nicht aus Menschen
freundlichkeit, sondern ausschließlich im Interesse des Fiskus, der
Bitte statt. Nach Beratung mit den Granden erklärte er sich bereit,
den Einlaßbegehrenden für die Frist von höchstens acht Monaten den i)
i) Drei Jahre vor der Vertreibung der Juden aus Spanien und zehn Jahre
vor ihrer Ausweisung aus Portugal glaubte die große jüdische Gemeinde von
Lissabon noch so wenig gefährdet zu sein, daß sie sich den Luxus einer eigenen
Druckerei leistete, einer der ersten nach der Erfindung der Buchdruckerkunst.
Von 1^89 bis 1492 sind hier einige umfangreiche Werke (eine Bibel mit Kom
mentaren und manche andere Bücher) im Drucke erschienen.