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§ 53. Portugal als Zufluchtsstätte der spanischen Juden
daß die Juden seidene Gewänder trügen; die Lissaboner Ständever
sammlung erachtete es als unziemend, daß die Juden an Sonntagen
auf Mauleseln ritten und hierbei die Dienste christlicher Treiber in
Anspruch nähmen (i455); die Cortes von Coimbra faßten den Be
schluß, daß den Juden die Pacht kirchlicher Ländereien entzogen,
daß ihnen kein Land zur Errichtung von Synagogen verkauft wer
den dürfe und daß das rabbinische Gericht für die Schlichtung von
Vermögensstreitigkeiten zwischen Juden und Christen, auch wenn ein
Christ selbst das jüdische Gericht anrufen sollte, als unzuständig gel
ten sollte (i473). Alfons V. trug indessen diesen von ständischem
und religiösem Haß inspirierten Entscheidungen nur wenig Rech
nung. Die allgemeinen Staatsinteressen gingen ihm über die Sonder
bestrebungen der einzelnen Stände und er zog daher begabte Männer
aus den gebildeten jüdischen Kreisen gern zum Staatsdienst heran.
Besonders nahe stand dem Hofe die angesehene Familie Ibn Jach ja,
deren Mitglieder sich noch Jahrhunderte hindurch auf verschiede
nen Gebieten rühmlichst hervortaten. Mit einem Vertreter dieses Hau
ses, dem „weisen Juden“ Joseph ibn Jachja, pflegte sich Alfons oft
über religiöse und wissenschaftliche Fragen zu unterhalten. Bei einer
dieser Unterredungen soll der König dem Joseph vorgeworfen haben,
daß er seine Glaubensgenossen nicht vom Hang zur Bereicherung und
insbesondere von der Prunksucht abzubringen versuche, die die Miß
gunst der Christen erwecke und sie glauben mache, daß die Juden
von leicht gewonnener „Beute“ lebten. „Übrigens — fügte der König
hinzu — weiß ich wohl, daß ich von dir nichts zu erwarten habe,
denn nur das Grab oder eine neue Hetze vermag euch eines bessern
zu belehren; erst dann werdet ihr wohl über eure Taten Reue emp
finden“. Dieser von einem zeitgenössischen jüdischen Chronisten fest
gehaltene Vorwurf 1 ) kennzeichnet treffend die unter den wohlhaben
den Klassen herrschenden Laster, die auch von den jüdischen Schrift
stellern dieser Epoche häufig gegeißelt werden.
Eine einflußreiche Stellung am Hofe Alfons’ V. nahm auch einer
der hervorragendsten Repräsentanten des sephardischen Judentums,
Don Isaak Abravanel (i43 7 —i5o8) ein, dessen Name mit den ver
hängnisvollen Ereignissen jener Zeit aufs engste verflochten ist. Die
1 ) „Schebet Jehuda“, Nr. 65, wenn man nämlich annehmen will, daß der
in dieser Chronik wiedergegebene Bericht tatsächlich den Notizen des Jehnda ibn
Verga entnommen ist.