Deutschland im XIII. Jahrhundert
aber bei Finanzierung eines geschäftlichen Unternehmens einen Ge
winnanteil ausbedingen, falls er auch für die möglicherweise ent
stehenden Verluste einzustehen bereit war.
Die Rabbinerkonferenz traf auch noch manche auf das Familien
recht bezügliche Entscheidung und mahnte ferner daran, daß sich
die Juden in ihrem Äußeren von den Christen unterscheiden müßten:
daß sie ihr Haar nicht nach landläufiger Art frisieren, kein wallendes
Haar tragen und sich vor allem den Bart wachsen lassen sollten. Eine
andere Rabbinerkonferenz jener Zeit verfügte obendrein, daß ein Jude
sich nie in nicht jüdischer Kleidung auf der Straße zeigen sollte, was
wohl mit den damals geltenden kirchlichen Vorschriften über die jü
dische Sondertracht zusammenhing. Auf die Übertretung aller dieser
Vorschriften stand die einzige Strafe, die die Gemeindebehörden da
mals verhängen konnten: der Gherem, der oftmals nicht nur den
Ausschluß aus der Gemeinde bedeutete, sondern auch Ächtung und
Verfolgungen nach sich zog. Angesichts der Härte dieser Strafe wurde
bestimmt, daß der Bann von dem „Parnas“ oder Rabbiner nur mit
der Zustimmung der vollzähligen Gemeindevertreterversammlung ver
hängt werden durfte; das Gleiche war für den Widerruf des Cherem
im Falle der von dem Geächteten bekundeten Reue vorgeschrieben.
Die Verordnungen der rheinländischen Bezirkskonferenzen sind der
Nachwelt unter dem Namen „Takanoth Schum“, d. h. „die Verord
nungen der Gemeinden von Speyer, Worms und Mainz“ überliefert,
deren Abgeordnete als Vertreter der ältesten Gemeinden auf den Zu
sammenkünften die führende Rolle spielten. Der Tagungsort der Kon
ferenzen war gewöhnlich die Stadt Mainz.
Den Mittelpunkt der Gemeindeselbstverwaltung bildete das Rabbi-
nat, das geistliche und gerichtliche Zentralorgan. Der rechtskundige
Rabbiner, der nicht selten auch an der Spitze der Talmudschule, der
„Jeschiba“, stand, stellte jene höchste Instanz dar, die zur Entschei
dung von Rechtsstreitigkeiten und sonstigen verwickelten Fragen so
wohl von Einzelpersonen als auch von ganzen Gemeinden angerufen
zu werden pflegte. Dank der auf diese Weise gewahrten Lebensnähe
konnte sich die Talmudwissenschaft in Deutschland mit immer stei
gender Intensität weiter entwickeln. Die aus Frankreich überkom
mene kasuistische Methode der Tossafisten sollte hier nicht nur ein
Mittel zur „Geistesschärfung“ im Schulbetrieb bedeuten, sondern zu
gleich eine Handhabe für die praktische Rechtsfindung in verwickel-