Die geistigen Strömungen im XIII. Jahrhundert
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wandten Wissenschaften, die „weder aus der Thora noch aus der Ge-
mara gelernt werden können“, Bescheid zu wissen. Darauf schlossen
sich vier aragonische Gemeinden (Huesca, Monzon, Calatayud und
Lerida) der Gemeinde von Saragossa an und bekräftigten den Bann
fluch gegen die „drei Sünder von Israel“, Salomo aus Montpellier und
Genossen; zugleich priesen sie in ihren Flugschriften alle diejenigen,
die „Gott und seinem Diener Moses (Maimonides) sowie dem von Mo
ses den Kindern Israel vor gelegten göttlichen Gesetz im Glauben zu
getan sind“ und stellten so den neuen Moses dem biblischen als eben
bürtig zur Seite.
Indessen gab es auch im aufgeklärten Spanien Rabbiner, die mehr
mit der antiphilosophischen Richtung sympathisierten. Der später un
ter dem Namen Ramban berühmt gewordene Rabbiner von Gerona,
der Held der Disputation von Barcelona (oben, § 12), nahm zunächst
zwischen den kämpfenden Parteien eine neutrale Stellung ein. Er
wandte sich an die Gemeinden von Kastilien, Navarra und Aragonien
mit der Ermahnung, Salomo aus Montpellier und dessen Mitstreiter
nicht eher zu verdammen, bis sie deren Erklärungen angehört haben
würden, um so mehr als auch die rabbinischen Autoritäten Nordfrank
reichs sich mit den Verfemten bereits solidarisch erklärt hätten. Mit
größerer Entschiedenheit trat der alte Gegner des Maimonides Meir
Ahulafia (oder Abu-Alafiah) aus Toledo auf die Seite der Feinde der
Gedankenfreiheit. Dieser Talmudgelehrte war noch bei Lebzeiten des
Maimonides mit einem „Sendschreiben an die Weisen von Lunel“ her
vorgetreten, in dem er seiner Entrüstung darüber Ausdruck gab, daß
der Verfasser der „Mischne-Thora“ das Auferstehungsdogma mit
Schweigen übergangen hätte. Aus diesem Anlaß bedachte ihn ein Ver
ehrer des Maimonides mit dem folgenden spitzen Epigramm: „Kann
denn Leuchte (Meir) sich nennen, wer in der Finsternis irret?“ In Ge
meinschaft mit den neuen Bekämpfern des Rationalismus erhob jetzt
dieser überzeugte Obskurant wieder einmal seine Stimme. In einem
Schreiben an Ramban erklärte Abulafia, daß er die Handlungsweise
des Salomo aus Montpellier und seiner Gesinnungsgenossen durchaus
billige, weil sie ja nur diejenigen aus der Gemeinschaft der Gläubigen
ausgeschlossen hätten, die „im Wahne, Gott sei nur die innere Kon
templation und die Erkenntnis des Schöpfers sowie der weisen Welt
ordnung wohlgefällig, im Begriffe seien, das Joch der Gesetze abzu
streifen und sich der Fesseln (der Riten) zu entledigen“. Im übrigen