§ 65. Rußland unter der Tatarenherrschaft Verkehr der Metropole mit ihren Kolonien überaus erschwerte. Nach der Einnahme Konstantinopels kam es in Kaffa zu einem Regierungs wechsel: die Republik von Genua übereignete ihre Schwarzmeerkolo nien an eine von der Genuesischen St. Georgsbank geleitete Handels gesellschaft (1454). Kaffa unterstand nunmehr der Herrschaft der von den Bankdirektoren eingesetzten Beamten, die in die Kolonialver waltung wieder geordnetere Zustände einführten und auch den ehe dem unter den Konsuln bedrückten Juden ihren Schutz angedeihen ließen. Indessen sollte auch der neuen Gewalt keine lange Dauer be^- schieden sein. Im Jahre 1^5 wurde Kaffa von dem türkischen Sul tan Mohammed II. besetzt, der kurz darauf auch die ganze Krim unter seine Botmäßigkeit zwang. Die Halbinsel wurde zu einer Pro vinz der Türkei, deren Herrscher die Regierung in der Krim ihren Vasallen, den in Bachtschisarai residierenden Tatarenchanen aus dem Gireigeschlechte, übertrugen. Diese politische Umwälzung gereichte den jüdischen Gemeinden in der Krim nur zum Nutzen, indem sie sie mit dem in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts in raschem Aufstieg begriffenen Kon- stantinopeler Zentrum (unten, § 66) in engste Berührung brachte. Zugleich erfuhren auch die von früher her zwischen den Juden von Kaffa und ihren Stammesbrüdern in Polen, Litauen, im galizischen Rußland und in Kiew bestehenden Beziehungen eine merkliche Be lebung. Ein wichtiges Bindeglied in diesem Verkehr bildeten jene Auswanderer aus der Krim, die sich unter dem Großfürsten Witold in Litauen niedergelassen hatten. Durch die in Kiew, Lemberg und Kaffa wohnhaften Juden wurde der Güteraustausch zwischen diesen drei Handelszentren dauernd in Schwung erhalten. Gleichzeitig mach ten sich sowohl in den Gemeinden der Rabbaniten wie in denen der Karäer auch Anzeichen neuerwachenden geistigen Lebens bemerkbar. Neben den aus Konstantinopel nach Kaffa gekommenen karäischen Gelehrten wurde dorthin auch der hervorragende rabbanitische Schriftsteller Moses haGola („Der Wanderer“) aus Kiew verschlagen. In seiner Jugend hatte er zu Studienzwecken Konstantinopel auf ge sucht, wo er mit einigen Talmudforschern und karäischen Gelehrten freundschaftlichen Umgang pflegte. Nach Kiew zurückgekehrt, sollte er dort im Jahre 1482 eine Tatareninvasion miterleben. Unter den von den Tataren nach der Krim verschleppten Kiewer Einwohnern befanden sich auch die Kinder des Moses. Der untröstliche Vater trat