467 § 64. Polen und Litauen unter den Jagellonen rück, der die Juden dazu verpflichtete, „eine Kleidung zu tragen, durch die sie von den Christen unterschieden werden könnten“. Indessen sollte der Triumph des Klerikalismus nur von kurzer Dauer sein. Durch das ihm abgezwungene Zugeständnis konnte sich der König in keiner Weise gebunden fühlen. Die den Anforderungen des Lebens ins Gesicht schlagenden Gesetze blieben toter Buchstabe. Gerade um jene Zeit hatte die jüdische Bevölkerung Polens und Li tauens infolge der Masseneinwanderung aus Deutschland stark zuge nommen. Das wirtschaftliche Leben kam durch die Zufuhr frischer Kräfte immer mehr in Schwung. Die Juden entfalteten in ihrer neuen Heimat eine lebhafte Tätigkeit, namentlich auf dem Gebiete der Zoll- und Gutspacht. Viele aus dieser Zeit stammende Urkunden zeugen von der Bereitwilligkeit, mit der Kasimir der Jagellone seinen jüdi schen Untertanen in den litauischen Stammlanden besiedelte wie un- besiedelte Güter in Pacht gab, indem er ihnen zugleich das Recht überließ, mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen: Getreide, Korn branntwein und Milchprodukten freien Handel zu treiben. Wohl habendere Leute nahmen die an der polnisch-litauischen und an den anderen Binnengrenzen erhobenen Zölle in Pacht. Diese Pächter („Zöllner“) brachten dem königlichen Schatze ungeheuren Gewinn ein und versahen ungeachtet der kanonischen Verbote faktisch die Obliegenheiten von Finanzbeamten. Die Großunternehmer unter den Zollpächtern hatten eine privilegierte Stellung inne, genossen volle Steuerfreiheit und standen unter der unmittelbaren Protektion des Königs. So entstand allmählich eine Lage, die an die besten Zeiten des jüdischen Spanien erinnerte. Dies alles versetzte die Klerikalen in helle Wut und verschärfte den wirtschaftlichen Neid der Bürger und der Landwirte. So wur den denn unter Kasimir dem Jagellonen organisierte und im Zusam menhang mit den außerordentlichen Zeitereignissen stehende Über fälle auf die jüdische Landesbevölkerung eine immer häufigere Er scheinung. Im Jahre i464 wurden in Polen auf einen vom Papst Pius II. ergangenen Aufruf hin Scharen von Freiwilligen für den ßeren Prärogative erfreuen dürfen als die Diener des Herrn Christus, und Knechte nicht besser als die Söhne gestellt sein können“ . . . Indessen ist dies zweifel los eine spätere Einschaltung in den Text, der ursprünglich mit den Worten begann: „Für die Juden soll nach wie vor die Satzung von Warta in Geltung bleiben“ („Judaei serventur juxta Statuta Vartensia". S. „Jus Polonicum“, ed. Bandtkie, p. 289 ss.). 30*