459 § 63. Polen und Litauen unter Jagello und Witold geduldet werden, auch unsererseits Duldsamkeit entgegenzubringen; denn wollten wir ihnen unsere Protektion vorenthalten, so würden die Juden, von den Christen bedroht, nicht einmal ihres Lebens sicher sein und müßten wegen aller Art Bedrängnis, wegen Beleidigungen, Verleumdungen und Beschimpfungen schließlich aus unserem Reiche fortziehen“. Diese Worte wurden zu einer Zeit laut, als die böswilli gen „Verleumdungen“ an manchen Orten bereits schweres Unheil ge stiftet hatten. Der Triumphzug des Klerikalismus durch Polen nahm seinen Ausgang in der germanisierten Stadt Posen. Die Beziehungen zwischen den Juden und der Bürgerschaft hatten sich hier gegen Ende des XIV. Jahrhunderts bedrohlich zugespitzt, und so konnte das aus Deutschland kommende Märchen von der Hostienschändung in Posen eine blutige Ernte zeitigen. Im Jahre 1399 wurden nämlich die Posener Juden beschuldigt, bei einer armen Christin drei in der Kirche geraubte Hostien gekauft, durchstochen und in eine Grube geworfen zu haben. Die geschändeten Hostien sol len hierauf in Gestalt dreier Schmetterlinge einem Hirten ihr Leid geklagt haben, und als sie dann aus der Grube hervor gezogen ‘wurden, begannen sie unverzüglich die gewohnten „Wunder“ zu wirken. Dies veranlaßte den Posener Bischof, gegen den Rabbiner und dreizehn Älteste der jüdischen Gemeinde ein Gerichtsverfahren einzuleiten, welches damit endete, daß die der Tortur unterzogenen Angeklagten schließlich zusammen mit der mitbeschuldigten Christin an Pfähle ge bunden und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Einige Jahre später verkündete der König Wladislaw Jagello in feierlichster Weise, daß „an dem Orte, wo der Leib Gottes aufgefunden wurde, zum Ruhme der göttlichen Allmacht und zu Ehren des allerheiligsten Lei bes unseres Herrn Jesu Christi der Grundstein zu einer Kirche samt einem Kloster gelegt worden“ sei (i4o6). Die heilige Stätte wurde so zu einem bevorzugten Wallfahrtsort, und das doppelte Ziel des „frommen Betruges“ ward erreicht: die Posener Bürgerschaft hatte an ihren Handelskonkurrenten Rache genommen, die Klosterbrüder verhalfen aber dem Dogma vom Leibe des Herrn zu neuem Ruhme und sicherten sich auf lange Zeit hinaus ein reichliches Einkommen. Konnten sie doch nicht darüber im Zweifel sein, daß die Anbetung des „Leibes Gottes“ bei dem aus dem Heidentum hervorgegangenen christlichen König ganz besonderen Anklang finden mußte. Als es indessen die Judenfeinde bald darauf zu Straßenexzessen