Italien zur Zeit der Frührenaissance 446 Neapel, zusammen, dessen besondere Gunst er gewann. Auf Anregung des königlichen Mäzens begab er sich in einer wissenschaftlichen Mis sion nach Rom, um dort bald zum Mittelpunkt der gebildeten Welt zu werden. Man schätzte Kalonymos namentlich als Kenner des ara bischen wissenschaftlichen und philosophischen Schrifttums und als Übersetzer vieler Werke dieser Literatur ins Hebräische. Er übertrug nämlich etwa dreißig Schriften aus dem Arabischen, darunter die des Averroes, Alfarabi, Galen und Euklid. Außerdem übersetzte er ins Lateinische das Werk des Averroes „Umsturz des Umsturzes“ (De- structio destructionis), das eine Entgegnung auf das berühmte Buch des Al-Ghazali „Umsturz der Philosophen“ darstellte. Kalonymos be schränkte sich indessen nicht allein auf Übersetzungen, sondern be währte sich auch als ein selbständiger Schriftsteller von ausgesproche ner Eigenart. Eine reife Frucht seiner vielseitigen Lebenserfahrung war die Sittensatire „Der Prüfstein“ („Eben bochan“), in dem der Verfasser bald in ernsterem, bald in humorvollem Tone die Laster, die Abgeschmacktheiten und die Modetorheiten seiner Zeitgenossen geißelt. Besonders schlecht kommen dabei die reichen Heuchler weg, die ihre anrüchigen Taten durch Scheinheiligkeit zu verschleiern su chen, sowie die „mit ihrem Wissen Schacher treibenden“ Rabbiner. Hin und wieder bedenkt er mit seiner ätzenden Ironie auch den rab- binischen Judaismus selbst. Er bedauert es, nicht als Mädchen geboren zu sein, weil er dann der Befolgung vieler talmudischer Ge bote und Vorschriften enthoben wäre und sich auch nicht über die rabbinische Scheinweisheit den Kopf zerbrechen müßte. Ein anderes humoristisches Werk des Kalonymos, sein kleiner „Traktat über den Purim“ („Massecheth Purim“), parodiert in geistreicher Weise den Talmud. Mit scheinbarem akademischen Ernst, hinter dem sich unter drücktes Lachen verbirgt, wird hier die Frage erwogen, wie man sich am „Hamanfeste“ einen regelrechten Rausch antrinken solle. Die Grundvoraussetzungen für die Lösung dieser Frage werden in der Form von Mischnalehrsätzen dargelegt, während ihre Erörterung im verschnörkelten Stile der Gemarakasuistik gehalten ist und um so komischer wirken muß, je ulkiger das behandelte Problem ist. Diese auf den ersten Blick harmlos scheinende Parodie stellte mit großem Geschick die Schattenseiten des Talmudismus bloß, und so hatten die gestrengen Rabbiner der späteren Zeit ihre guten Gründe, den Verfasser für seinen Faschingsscherz scharf zu tadeln.