4i4 Fünftes Kapitel Italien zur Zeit der Frührenaissance § 58. Die römische Gemeinde Seit dem XIV. Jahrhundert wird Italien für die gehetzte Diaspora zu einem Lande der Immigration. Alle in dieser Zeit hereinbrechen den Katastrophen treiben den italienischen Küsten Scharen von Hei matlosen zu. Die in den Jahren i3o6 und 1894 aus Frankreich Ver triebenen, die nach den Schrecken des „Schwarzen Todes“ aus Deutschland Geflüchteten, die im Jahre 1421 für eine Zeitlang aus Österreich Ausgewiesenen und schließlich die spanischen Exulanten vom Jahre 1492-—sie alle wurden auf dem einen oder dem anderen Wege, bald in größeren, bald in kleineren Gruppen nach Italien ver schlagen. Nicht immer war hier freilich den Wanderern ein ungetrüb tes Dasein beschieden; indessen erfreute sich dieser alte Zufluchtsort der westlichen Diaspora, in dem gegen Ausgang des Mittelalters der Geist der Antike zu neuem Leben erwachte, nach wie vor jener eigen artigen, von den Kirchencaesaren aufrechterhaltenen „pax romana“,. die die Juden wenn auch nicht vor alltäglicher Bedrückung, so doch wenigstens vor größeren Katastrophen bewahrte. Das päpstliche Rom hielt an seiner „Duldsamkeit“ der im Trastevere gelegenen alten jüdi schen Kolonie gegenüber unentwegt fest und nahm den in die „ewige Stadt“ verschlagenen Splitter der ewigen Nation vor den Ausschrei tungen der Menge getreulich in Schutz. Heikler war die Lage der Ju den in den Stadtrepubliken und in den kleinen Fürstentümern Ober und Mittelitaliens, wo sie nur in dem Maße geduldet wurden, als dies den wirtschaftlichen Interessen der jeweiligen Machthaber entsprach. Was aber die südlichen Königreiche Neapel und Sizilien anbelangt, so blieben die großen jüdischen Gemeinden hier nur so lange unbe helligt, bis die Vertreibung aus Spanien auch die Ausweisung der Ju