§ 56. Die Vertreibung der Juden aus Spanien (1U92) klagte Benito Garcia die ihm abgepreßten Aussagen und legte mit voller Unerschrockenheit das folgende erschütternde Sündenbekennt nis einer verirrten Marranenseele ab: „Ich bin als Jude geboren und habe mich vor vierzig Jahren taufen lassen; vor kurzem kam aber ein Licht über mich: das Christentum erschien mir als eine große Komödie des Heidentums, und ich wandte mich in meinem Herzen von neuem dem Judentum zu. Ich war Augenzeuge der grauenvollen Autodafes der Inquisition, die mein Herz mit Mitleid für die Opfer und mit Haß gegen die Henker erfüllten. Das Christentum wurde mir aufs tiefste verhaßt. Es ist richtig, daß ein getaufter Jude ein Antichrist ist, noch schlimmere Antichristen sind indessen die Inquisi toren, der Große Antichrist aber ist der Großinquisitor Thomas Tor- quemada. Mich insgeheim zum Judentum bekennend, besuche ich die Kirche nur im äußersten Notfälle, halte keine christlichen Feier tage, genieße Fleisch an den Fasttagen und gehe nur des äußeren Scheines wegen zur Beichte. Wenn ich den Leib Christi (corpus Christi) sehe, so speie ich ihn an, denn die von den Christen ange- betete Hostie ist nichts als ein Gemisch von Mehl und Wasser. Mit um so größerem Eifer befolge ich die jüdischen Gesetze: ich pflege am Sabbat der Ruhe, esse und trinke nur nach jüdischem Ritus („koscher“), halte sogar im Kerker die jüdischen Fasttage und spreche die jüdischen Gebete. Die mir jetzt beschiedenen Qualen nehme ich demütig auf mich: habe ich sie doch voll verdient. Sie sind eine Strafe für den Kummer, den ich einst meinem Vater durch meinen Übertritt zum Christentum bereitete, sowie dafür, daß ich meine Kinder zur Kirche führte. Ich habe jetzt nur den einen Wunsch: daß meine beiden Söhne dieser verfluchten Religion ent sagen und Juden werden. Sollte es mir vergönnt sein, aus dem Ker ker herauszukommen, so werde ich mich nach Judäa begeben und auch andere überreden, das gleiche zu tun“. Dieser Schrei einer ge marterten Seele machte freilich auf die Inquisitoren nicht den ge ringsten Eindruck. Aus dem Bekenntnis des Benito Garcia folgerten sie nur das eine, daß Juden wie Marranen das Christentum verachte ten und daß ihnen daher die Verübung des Verbrechens, dessen sie angeklagt waren, durchaus zuzutrauen sei. In diesem Lichte wurde denn auch die ganze Sache in Wort und Schrift, sowohl von der Kir chenkanzel herab wie in Büchern, der christlichen Öffentlichkeit plausibel gemacht. Als hierauf die Inquisitionsjustiz ihren Triumph 26 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. V 4oi