878 Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien mündlichen Diskussionen mit den kirchlichen Terroristen kein Raum war, fand um so weiteren Spielraum in der schriftlichen Polemik. Hierbei traten als Verfasser der antichristlichen Werke nicht selten Männer auf, die selbst unter den Schrecken des Gewissenszwanges aufs schwerste gelitten hatten. Ein solches Opfer der Religionsnot war z. B. der Philosoph und Grammatiker Isaak ben Moses Halevi, der mehr unter seinem spani schen Namen Profiat Duran oder unter seinem literarischen Pseudo nym Efodi bekannt ist. Die Katastrophe des Jahres 1891 ereilte ihn in Katalonien, wo er zugleich mit seinem Freunde David Bonet Buen- Giorno zum Scheine die Taufe annahm. Die Freunde gelobten ein ander, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zusammen nach Palä stina zu ziehen, um dort „zu ihrem Volke zurückzukehren“. Profiat Duran begab sich denn auch bald nach einer der südfranzösischen Küstenstädte und wartete dort auf seinen Freund, um die Reise fort zusetzen. Nach langem vergeblichem Harren erhielt er indessen ein Schreiben, in dem ihm Bonet mitteilte, er hätte sich unter dem Ein fluß des Apostaten Paul von Burgos zum Festhalten am katholischen Glauben entschlossen, und seinen Freund zugleich zu überreden suchte, seinem Beispiel zu folgen. Hierauf richtete der entrüstete Duran an den Verräter ein Antwortschreiben voll verschleierten Hoh nes, in dem jeder Satz mit den Worten anfing: „Al tehi ka’abotecha“ („Sei nicht wie deine Väter“). „Sei nicht — so schrieb er mit beißen der Ironie — wie deine Väter, die da an die einfache Einheit Gottes glaubten, ihn des Attributes der Vielheit beraubten und das Wort ,Höre, Israel, Gott ist einzig* im buchstäblichen Sinne auslegten. Nein, glaube lieber, daß Gott zugleich einzig und dreifältig, daß drei gleich eins und eins gleich drei ist — eine Wahrheit, die für die Lippen un aussprechlich, dem Ohre unfaßbar ist . . . Sei nicht wie deine Väter, die da meinten, daß das göttliche Wesen unveränderlich sei und die ihm alle materiellen Eigenschaften absprachen, indem sie in ihrer spekulativen Überschwenglichkeit Gott als absolute und reine Ver nunft auffaßten. Beraube ihn also nicht seiner Materialität und Kör perlichkeit, glaube vielmehr daran, daß er in einer seiner Personen (des Gottsohnes) Fleisch geworden sei und sein Blut für die Erlösung des Menschengeschlechts vergossen habe. Er hat Todesqualen gelit ten, um dich von Schmerz und Leiden zu befreien, denn einen ande ren Weg zu deiner R.ettung wußte seine Weisheit nicht zu finden.