Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien 356 zur Entkräftung des ersten Arguments noch hinzufügte, nur mit an nähernder Genauigkeit gemacht seien. Demgegenüber machten Ben- veniste und Albo ihrerseits geltend, daß der Talmud sich ja gänzlich darüber ausschweige, ob der Messias schon am Anfang oder erst am Ende des letzten zweitausendjährigen Zeitabschnitts erscheinen müßte; zugleich sprachen sie ihre Verwunderung darüber aus, wie man über haupt den Christus nicht anerkennenden Talmudisten eine ihrer Grundüberzeugung zuwiderlaufende Äußerung in den Mund legen könne. Der in die Enge getriebene Geronimo mußte das von ihm ins Treffen geführte Zitat fallen lassen und rückte in der nächsten Sit zung mit einer anderen Version der haggadischen Weissagung her aus, die die Ankunft des Messias in das fünfundachtzigste „Jubi läum“ seit der Weltschöpfung verlegt. Von neuem entbrannte ein Streit, in dessen Verlauf der Abgeordnete von Saragossa R. Mattathias seinem Gegner spöttisch den Vorschlag machte, aus demselben Tal mudtext auch noch den Spruch mitanzuführen: „Es mögen verrecken, die da die Endzeit der Welt berechnen wollen“. Der ob dieser Dreistig keit erboste Papst rief aus: „Törichtes Volk, wie töricht sind doch eure Talmudisten ! Geziemt es sich denn, gegen den Propheten Daniel, der Berechnungen über die Endfrist auf stellte, Verwünschungen aus zustoßen?“ Der Abgeordnete von Gerona Todros ibn Jachia versetzte indessen schlagfertig: „Wenn die Talmudisten wirklich so töricht sind, wie es dem päpstlichen Herrn erscheint, warum sucht man denn bei ihnen Beweise dafür, daß der Messias bereits gekommen sei? Seit wann ist es Brauch, sich auf Toren zu berufen!“ Und auch Joseph Albo rief zornentbrannt aus: „Sogar wenn ihr mir beweisen solltet, daß der Messias bereits erschienen sei, würde ich dennoch an mei nem Judentum festhalten“. Der Führer der jüdischen Delegierten Vidal Benveniste sprach auf der Stelle sein Bedauern über die schroffe Ausdrucksweise seiner Mitstreiter aus, und nach Aufhebung der Sitzung kam es zwischen den jüdischen Delegierten zu lebhaften Auseinandersetzungen: die allzu kühnen Disputanten, die sich trotz der getroffenen Verabredung keine Zurückhaltung auferlegt hatten, mußten sich wegen ihres Disziplinbruches nicht wenig Vorwürfe ge fallen lassen. Den Delegierten war es nämlich nicht entgangen, daß die Debatten unter der Kontrolle des Sitzungsleiters zu Protokoll auf genommen wurden, und so entstand die Befürchtung, daß man ihnen auf Grund ihrer Meinungsäußerungen später den Prozeß machen