344 Viertes Kapitel Das letzte Jahrhundert des jüdischen Zentrums in Spanien § 49. Die Kirchenherrschaft und der Missionsterror (Paul von Burgos und Vicente Ferrer) Die Schlußakkorde der düsteren Symphonie des Mittelalters ertön ten in Spanien. Das Land, das während der wildesten mittelalterli chen Orgien verhältnismäßig ruhig geblieben war, schien gegen de ren Ende seine Enthaltsamkeit gleichsam zu bereuen und beeilte sich, das Versäumte nachzuholen, indem es die anderen Länder an Grau samkeit gegen die Juden noch zu übertreffen suchte. In Spanien war jetzt mit einem Male der getaufte Heide der Westgotenzeit wieder erstanden, der keinen Ungetauften in seiner Nähe dulden wollte. Der unter dem Einfluß der arabisch-jüdischen Kultur für einige Jahr hunderte zurückgedrängte Geist des alten Westgotentums trat, als der ihm verwandte, die Grundlagen des normalen Zusammenlebens un terwühlende Klerikalismus in Spanien endgültig die Oberhand ge wonnen hatte, erneut in den Vordergrund. In diesem Lande mit sei ner aus Christen, Juden und Mauren bunt zusammengewürfelten Be völkerung waren drei Religionen, drei Rassen und drei Kulturen in engste Berührung miteinander gekommen. Einige Jahrhunderte hin durch bestanden sie, sich gegenseitig befruchtend, nebeneinander und ließen die spanische Kultur auf dem dunklen Hintergründe des Mittelalters als einen in allen Farben spielenden Lichtpunkt erglän zen. Diese freie kulturelle Wechselwirkung war indessen durchaus nicht nach dem Sinne des Klerikalismus, der unverwandt das Ziel ver folgte, alle andersgläubigen und fremdstämmigen Elemente um der Idee der kirchlich-staatlichen Einheit willen mit Stumpf und Stiel auszurotten. Ein Glaube, ein Staat und eine vom Geiste der herrschen