§ 48. Das innere Leben und der Rabbinismus ging darauf, das Interesse für die in Vergessenheit geratenen dog matischen und apologetischen Probleme von neuem zu erwecken. Er wollte seine Zeitgenossen darin unterweisen, wie sie den von Christen gegen die Lehren des Judaismus erhobenen Einwänden begegnen und die Grundwahrheiten ihres Glaubens wirksam verteidigen könnten. Hierbei konnte der Verfasser auch seine eigenen Erfahrungen ver werten, da er, wie er in dem Schlußkapitel seines Buches berichtet, selbst einmal in die Lage kam, mit christlichen Geistlichen disputie ren zu müssen. Im Jahre 1899 tauchte nämlich in Prag ein heim tückischer Täufling namens Peter (Pessach) auf, der den Kirchen behörden hinterbrachte, daß die Juden in ihren Gebeten die Christen schmähten und ihre Religion als Götzendienst verhöhnten. Hierauf wurde Lipmann als das Oberhaupt der Prager Gemeinde mitsamt einigen jüdischen Notabein verhaftet und wegen des dem Judentum zur Last gelegten Verbrechens einem Verhör unterzogen. Es galt, die Aussagen so zu formulieren, daß sich die kirchlichen Richter in ihren religiösen Gefühlen nicht getroffen fühlen sollten, daß vielmehr „der Groll der Andersgläubigen beschwichtigt“ werde. So entschloß sich denn der Rabbiner, bei der Konfrontation mit dem Denunzianten den die beiden Religionen entzweienden Hauptstreitpunkt ganz außer Spiel zu lassen und sich nur auf eine formelle Widerlegung der er hobenen Anklage zu beschränken. Dieser Aufgabe entledigte sich der jüdische Gelehrte mit meisterlichem Geschick. Der erste Punkt der Anklage lautete, daß die Juden in dem Gebet „Alenu“ (Band III, §28) um die „Vertilgung der Götzen“ beteten und Gott dafür prie sen, daß er sie „unter den Völkern aller Länder, die sich vor einem Gespenst und einem Nichts bücken, auserlesen“ hätte. In diesem Satz sollte nun, wie es in der Anzeige des Täuflings hieß, eine versteckte Anspielung auf Jesus verborgen sein, da dessen hebräischer Name „Jeschu“ in hebräischen Schriftzeichen, die zugleich Zahlenzeichen sind, denselben Zahlenwert ergebe, wie das für „und Nichts“ stehende hebräische Wort „wa’rik“; hieraus wurde aber weiter gefolgert, daß auch mit den im Gebete erwähnten „Götzen“ nichts anderes als das Kreuz und die christlichen Heiligenbilder gemeint seien. Der Prager Rabbiner erwiderte indessen dem Pessach alias Peter: „Du wirst wohl selbst zugeben, daß alle von euch verehrten hölzernen und steinernen Bildsäulen nichts als Sinnbilder sind und der Wesenhaftigkeit an und für sich entbehren. Übertreibe ich aber, wenn ich sage, daß Weiber* 341