§ 45. Verarmung der deutschen Gemeinden im XIV. Jahrhundert Wie gewaltig mußte die geistige Macht einer Nation sein, die allen Fährnissen einer Zeit, da sich die Elemente mit der nicht minder grausamen und blinden Menschheit gegen sie verschworen hatten, kraftvoll die Stirn zu bieten vermochte! Dem Tode und aller Ver gänglichkeit trotzend, ging sie, dieser Phönix unter den Nationen, de ren Wahrzeichen der brennende und doch nie verbrennende biblische Dornbusch ist, auch aus den Flammen der neuen Scheiterhaufen mit unverminderter Lebenskraft hervor. § 45. Verarmung und Rechtlosigkeit (zweite Hälfte des XIV. Jahr hunderts) Etwa dreihundert jüdische Gemeinden wurden während der durch den „Schwarzen Tod“ verursachten Volksexzesse endgültig vernichtet, ihre Mitglieder zum Teil nieder gemetzelt, zum Teil vertrieben. Aber auch die christlichen Landeseinwohner hatten unter den Folgen die ser verhängnisvollen Zeit aufs schwerste zu leiden. Während der drei Jahre hindurch wütenden Epidemie büßte Deutschland einen be deutenden Teil seiner Bevölkerung ein. Die Städte wurden menschen leer und verfielen der Verarmung. Ein besonders trauriges Bild boten jene Städte, wo an Stelle der jüdischen Viertel nunmehr öde Brand stätten zu sehen waren und in denen das wirtschaftliche Leben völlig Stillstand. Die mit dem Verschwinden der Juden entstandene Lücke war nicht leicht auszufüllen. Die Reichs- und Stadtbehörden waren einer unerschöpflichen Quelle des Einkommens verlustig gegangen, die kreditbedürftige Bevölkerung aber dienstfertiger und geduldiger Geld geber, die man damals mangels öffentlicher Kreditinstitutionen schwer entbehren konnte. Dies war der Grund, warum sich die Reichsregie rung und die Magistrate der meisten Städte gleich nach dem Erlöschen der Seuche zur Wiederherstellung der früheren Ordnung entschlossen. So gewährte man denn den Juden von neuem Einlaß in die Städte, wo sie erst vor kurzem ausgerottet und aus denen sie „für alle Zeit“ ver trieben worden waren. Feudalfürsten, Bischöfe und Munizipalbehör den bewarben sich mit allem Eifer um das Privileg, „Juden zu be sitzen“ (Judaeos habere), und Karl IV. erklärte sich bereit, ihnen die ses kaiserliche Regal gnädig abzutreten. Die Kurfürsten ließen sich das Recht zusichern, gleich dem Kaiser über Juden als Handelshörige verfügen zu dürfen. Das Privileg wurde in die von Karl IV. verkün- Sog