Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert 270 sich nach und nach von den Dogmen der ihnen aufgenötigten Reli gion verleiten zu lassen. Der spanische Urtext der Schrift ist uns zwar nicht erhalten geblieben, doch besitzen wir manche Bruchstücke davon in hebräischer Übersetzung („Bittul ikkare ha’nozrim“). Den Mittelweg zwischen Philosophie und Kabbala schlug ein Enkel des Rosch, Meir Aldahi, ein, der Verfasser des Buches „Die Pfade des Glaubens“ („Schebile emuna“, i36o). Das Werk stellt eine kurzgefaßte Enzyklopädie dar, die alles für einen Theologen Wissenswerte enthielt. Die Lehre von Gott und seinen Attributen wird hier mit kabbalistischen Gedankengängen verbrämt, die Theorie der Weltschöpfung durch aus der damaligen Astronomie und Physik her angezogene Lehrsätze und die von der Schöpfung des Menschen durch solche aus der Anatomie, Physiologie und Hygiene bekräftigt; in der Darstellung der Lehre von der Seele sind Betrachtungen über die religiöse Ekstase eingeflochten; die GesetzesvorSchriften der Thora werden hier, ganz im Geiste der talmudischen Haggada, sowohl in ethischem Lichte als in dem sagenhafter Überlieferungen dargestellt; im Zusammenhang mit den Dogmen der Unsterblichkeit der Seele und des Lebens nach dem Tode wird die mystische Lehre von der Seelenwanderung abgehandelt. Das Buch stellt überhaupt ein buntes Gemisch von heterogensten Systemen entlehnten Gedankengängen dar. Wiewohl ein Eklektiker, läßt der Verfasser dennoch die Superiorität der Tradition uneingeschränkt gelten. Er erklärt sich für einen Geg ner „jener Philosophie, die sich gegen unsere altehrwürdigen Mei ster dreist zu Worte meldet“; er gesteht zwar, die profanen Bücher studiert zu haben, hebt jedoch hervor, daß er sich nur kurze Zeit da mit abgegeben hätte, „wohl wissend, daß dies sündhaft sei“; auch hätte er dies nur zu dem Zwecke getan, „um einem Epikoros (Frei denker) die Antwort nicht schuldig bleiben zu müssen“. Unter diesem Aushängeschild der Frömmigkeit vermochte das Buch des Aldabi große Volkstümlichkeit zu erlangen und wurde später vielfach nach gedruckt, was zum Teil auch auf seine allgemeinverständliche Dar stellungsweise zurückzuführen ist. Alle sonstigen Literaturzweige waren im XIV. Jahrhundert völlig verdorrt. Die längst entschlummerte Dichtkunst hatte in diesem Zeit raum in Spanien keinen einzigen bedeutenden Vertreter aufzuweisen. Die spanischen Schriftsteller wissen nur den bereits erwähnten (oben, § 34) jüdischen Hof dichter Santob de Carrion zu nennen, der in ka-