1 99 Fünftes Kapitel Die kleineren Zentren und Kolonien im XIII. Jahrhundert § 27. Die römische Gemeinde Wie schon ehedem, so kam die Macht der streitbaren Kirche auch im XIII. Jahrhundert viel mehr in den anderen Ländern als in dem päpstlichen Stammsitz selbst zur Geltung, wo die Autorität des Pap stes gering geschätzt zu werden pflegte. Ungeachtet dessen, daß Rom jene Werkstätte war, in der die Werkzeuge zur Unterdrückung des menschlichen Gewissens geschmiedet wurden, machte sich hier der Despotismus Innocenz’ III. und die Wirkung der strengen Kanons der Lateransynode vom Jahre 1215 am wenigsten fühlbar. Beinahe hatte es den Anschein, daß die Päpste ihre eigenen, in dem ärmlichen Stadtviertel am niederen Tiberufer lebenden Juden mehr zu schonen geneigt waren als deren Brüder in Frankreich, Spanien oder Deutsch land. Sogar das Schandmal auf dem Gewände wurde den römischen Juden bei weitem nicht so hartnäckig aufgezwungen, wie etwa ihren Stammesgenossen im Reiche Ludwigs des Heiligen. Der Grund hier für lag zum Teil darin, daß in der Stadt Rom das Ideal der Ab sonderung der Juden bereits als verwirklicht galt: die in einem be sonderen Viertel, in einem ungesunden, von Überschwemmungen oft heimgesuchten Stadtteil eingeschlossene Gemeinde, deren Häupter je dem neuen Papst demütig ihre Ergebenheit bezeugten, symbolisierte schon an und für sich den Triumph der Kirche über die Synagoge, Von der Höhe des Laterans auf die unansehnliche Synagoge in der Tiefe herabsehend, konnten sich Innocenz III. und seine Nachfolger in der Tat voll Selbstgefälligkeit sagen: dies ist ein lebendiger Be weis für unsere Auserwähltheit und die Verstoßenheit der Juden!