Deutschland im XIII. Jahrhundert § 25. Die Gemeindeverfassung und der Rahbinismus 188 In der deutschen Gesetzgebung des XIII. Jahrhunderts waren Rechte und Pflichten der jüdischen Gemeinde durchaus nicht so ge nau umschrieben wie in den spanischen Gesetzen aus der gleichen Zeitperiode (oben, §§ 11 und i3). Die deutschen Machthaber waren noch nicht auf den Gedanken gekommen, die Gemeinden, ja ganze Gemeindeverbände in ein Werkzeug des Fiskus und der Finanzpoli tik zu verwandeln. Zwar hatte der Gemeinderat die an den König oder Feudalherrn abzuführenden gewöhnlichen und außerordent lichen Steuerlasten unter die Gemeindemitglieder zu verteilen und war für deren pünktlichen Eingang voll verantwortlich 1 ), doch hiel ten sich die Herrscher von jeder Einmischung in die inneren Ange legenheiten der autonomen Gemeinde durchaus fern. Das Bestehen be sonderer jüdischer Stadtviertel, das Amtieren der „Judenbischöfe“ und Rabbiner, das Funktionieren des autonomen Gerichtes und der anderen Gemeindeinstitutionen — dies alles nahmen die herrschenden Mächte einfach als Tatsache hin. Zivilrechtliche Sachen durften von Juden entweder vor dem rabbinischen Gericht oder vor dem eigens dazu ernannten „königlichen Richter“ (judex Judaeorum) ausgetragen wer den; soweit beide Parteien einverstanden waren, konnte das rabbini- sche Gericht vermögensrechtliche Streitsachen auch zwischen Juden und Christen schlichten. Das zeitgenössische rabbinisehe Schrifttum gewährt uns einen Ein blick auch in die inneren Verhältnisse der deutschen Gemeinden. Die Vorsteher der Gemeinde oder die Gemeinderäte wurden von allen steuerpflichtigen Gemeindemitgliedern gewählt. Der Wahlkampf führte manchmal zu einer förmlichen Spaltung; hierbei spitzten sich die Gegensätze zuweilen dermaßen zu, daß die unterlegene Partei den Beistand der christlichen Ortsbehörden anrief. Indessen kamen solche Fälle nur als seltene Ausnahme vor, da dies als Verrat gegen das Prin zip der Selbstverwaltung angesehen und einer Denunziation gleich er achtet wurde. Als der Kölner Erzbischof einst einem Anwärter auf das Chasanamt aus eigener Machtvollkommenheit zu diesem Posten 1) In dem amtlichen rabbinischen Schriftwechsel jener Zeit (in den „Re- sponsen'j treten uns Erwägungen und Entscheidungen über Steuerverteilung sowie über die gegenseitigen Beziehungen von Gemeinden, Steuerzahlern und Behörden überaus häufig entgegen. (S. z. B. die „Teschuboth“ des R. Meir von Rothen- bürg.)