1 73 § 23. Die Judenhetzen unter den Habsburgern von Deutschland zu führen, versah Rabbi Meir faktisch die einem solchen Amte zukommenden Funktionen. Plötzlich sollte über den greisen Volksführer das Unheil hereinbrechen. Als nämlich die Aus wanderung aus Deutschland einsetzte, faßte auch R. Meir den Plan, nach einem überseeischen Lande (wohl nach Palästina) zu ziehen. Unauffällig für die Behörden verließ er mit seinen Angehörigen Ro thenburg und kam wohlbehalten in der Lombardei an. Hier hielt er Rast in Erwartung einer nachkommenden Auswandererschar, mit der zusammen er sich einzuschiffen gedachte. Der Zufall wollte es jedoch, daß er hier von einem getauften Juden aus dem Gefolge des aus Rom heimkehrenden Baseler Bischofs wiedererkannt und denunziert wurde. Der Bischof versäumte nicht, die „Flucht“ des Rabbiners den Orts behörden anzuzeigen, die Rabbi Meir auf der Stelle festnahmen, um ihn dem Kaiser Rudolf auszuliefern. Der Flüchtling wurde hierauf in der Burg von Ensisheim im Elsaß eingekerkert (1286). Die jüdischen Gemeinden boten dem Kaiser 20000 Mark als Lösegeld für den Rabbiner an, doch wollte sich der Habsburger mit dieser Summe nicht zufrieden geben, und so blieb Rabbi Meir sieben Jahre lang in Haft. Es wird erzählt, daß er selbst den Gemeinden untersagt hätte, eine höhere Summe zu bieten, um den erpresserischen Praktiken der Machthaber keinen Vorschub zu leisten. Die Gefangenschaft hinderte ihn nicht, seine Forschungsarbeit fortzusetzen und den schriftlichen Verkehr mit den Gemeinden aufrechtzuerhalten; manche seiner Jün ger harrten in Treue an seiner Seite aus und erleichterten ihm die Drangsale der Deportation. Er starb im Jahre 1293. Die Behörden verweigerten den Juden die Herausgabe der Leiche ihres Seelenhirten. Erst vierzehn Jahre später gelang es einem frommen Manne namens Süßkind Wimpfen, die Gebeine des Rabbi Meir loszukaufen und sie auf dem jüdischen Friedhof zu Worms beizusetzen, wofür er sich von der Gemeinde die Gunst ausbedang, nach seinem Tode neben dem heiligen Manne ruhen zu dürfen. Die ganze Regierungszeit des Kaisers Rudolf ist von Ritualmord prozessen und von den damit zusammenhängenden Blutgerichten er füllt. Im Jahre 12 83 wurde zur Osterzeit in Mainz die Leiche eines Christenkindes gefunden, und wiederum waren es die Juden, die da für büßen mußten. Der Volksmund wollte wissen, eine Amme hätte das Kind an die Juden verschachert. Ein Ritter, ein Anverwandter des ermordeten Säuglings, zog mit der Leiche auf den Schultern