Deutschland im XIII. Jahrhundert 172 der „jüdischen Einkünfte“ in den kaiserlichen Besitzungen der das Reichskanzleramt bekleidende Erzbischof von Mainz betraut; hierbei floß der zehnte Teil aller Eingänge dem Schatze des Erzbischofs zu, der auf diese Weise an der Erhöhung des kaiserlichen Einkommens ein unmittelbares Interesse hatte. Der Druck der Steuerlast wurde so unerträglich, daß die Juden aus Mainz und anderen rheinländischen Städten in das an Deutschland grenzende Polen und noch weiter, in „überseeische Länder“ überzusiedeln begannen. Darauf gab Rudolf den Befehl (1286), daß Grundbesitz, Häuser und Vermögen der ohne seine Genehmigung auswandernden Juden zugunsten des kaiserlichen Schatzes eingezogen würden. „Alle Juden sind samt und sonders — so begründete er seine Maßnahme — unsere Kronknechte und ge hören mitsamt ihrem Vermögen einzig und allein uns oder denjeni gen Fürsten, denen wir sie nach lehensherrlichem Rechte abgetreten haben; wenn also manche Juden ohne unsere besondere Genehmigung davonlaufen, um sich jenseits des Meeres anzusiedeln, sich so der Ge walt ihres gesetzlichen Herrn entziehend, so ist es Rechtens, daß all ihr Hab und Gut, bewegliches wie unbewegliches, unser werde“. Im Zusammenhang mit dem auf den Juden lastenden Steuerdruck und mit dem an diese Hörigen des Kaisers ergangenen Aus wanderungsverbot kam es zu einem tragischen Vorfall, dessen Held der geistige Führer des deutschen Judentums, Rabbi Meir aus Rothen burg, war. Dieser Jünger der Tossafistenschule hatte auf seinen Wan derungen durch die verschiedenen jüdischen Kulturzentren Deutsch lands und Frankreichs viele traurige Ereignisse jener Zeit aus nächster Nähe miterlebt. Als Schüler des R. Jechiel wohnte er im Jahre 12 4o der religiösen Disputation in Paris bei, die in der öffentlichen Ver brennung des Talmud ihren Abschluß fand. Dort eben stimmte der jugendliche Talmudgelehrte sein berühmtes Trauerlied: „Frage nun, du vom Feuer verzehrte“ (oben, § 4) an. Bald darauf kehrte er nach Deutschland zurück, wo er den der Talmudwissenschaft in Frank reich versetzten Schlag wieder wettzumachen suchte. In dem kleinen fränkischen Städtchen Rothenburg ob der Tauber gründete er eine Talmudschule, die zu einer neuen Pflanzstätte des Rabbinismus in Deutschland werden sollte. Von hier aus ergingen an alle Gemeinden maßgebende Entscheidungen über Fragen der religiösen Praxis und des bürgerlichen Rechts, hier erstand der deutschen Judenheit ihre höchste Gerichtsinstanz. Ohne offiziell den Titel eines Oberrabbiners