§ 18. Kabbala und messianische Schwärmerei Einer der ersten kabbalistischen Schriftsteller war der Oberrabbi ner von Kastilien, der „Nassi“ Todros Abulafia aus Sevilla (gest. 1283), der am Hofe des kastilischen Königs Alfons X. als Arzt oder Finanzmann eine hohe Stellung einnahm. Ein Neffe des bekannten Feindes der Philosophie Meir Abulafia, machte es Todros auch seiner seits den Rationalisten zum Vorwurf, daß sie sich anmaßten, die Gottheit auf dem Wege logischen Denkens zu erfassen und die gött lichen Gebote nach ihrer sinnfälligen Zweckmäßigkeit zu beurteilen; empörend fand er es unter anderem, daß die Philosophie die Existenz der bösen Geister in Abrede stellte. Todros selbst huldigte der An sicht, daß die letzte Wahrheit nur vermittels der übermenschlichen, in der Kabbala enthaltenen Weisheit zu erreichen sei. Zur Bekräftigung der Lehre von den Sefiroth und der Seelen Wanderung pflegte er sich auf die talmudische Haggada zu berufen und verfaßte in dieser Ab sicht, schon im Greisenalter stehend, ein Buch unter dem Titel ,,Ozar ha’Kabod“ („Schatz der Herrlichkeit“), wo bereits manche im „Sohar“ wiederkehrende Sätze zu finden sind 1 ). Halb Metaphysiker, halb Mystiker war der Zeitgenosse des Abu lafia Isaak Allatif (gest. um 1290), der Verfasser mehrerer, von den Kabbalisten hochgeschätzter Werke („Zurath ha’olam“, „Schaar ha’- schamaim“ u. a.). Allatif vertritt den Standpunkt des mystischen Pan theismus: „Die absolute Übersinnlichkeit des göttlichen Wesens und seine Allwissenheit zeugen davon, daß Gott in allem und alles in Gott sei“. Die Selbstoffenbarung der Gottheit in der Welt der Geister und 1 ) Die biographischen Mutmaßungen von Graetz (VII, 188 und Note 12) be dürfen nach den neuesten Forschungsergebnissen mancher Berichtigung. Vor allem hat sich die von Zacuto im „Jochassin“ wiedergegebene Nachricht bestätigt, wo nach Todros Abulafia im Jahre 12 83 und nicht erst im Jahre i3o4 gestorben ist. Ferner wirkte er am Hofe des kastilischen Königs Alfons X. und nicht an dem seines Nachfolgers Sancho IV. Eben als Gefolgsmann des Alfons mochte Abulafia seine Reise nach Perpignan gemacht haben, wo ihn Abraham Bederesi als einen Fürsten der Dichtkunst feierte. Die Verhaftung und Verurteilung des Abulafia, von der Gavisson in „Omer ha’schikcha“ zu berichten weiß, stand wohl, ebenso wie der Untergang des Don Zag de Malea (oben, § 9), mit dem von Sancho gegen seinen Vater angezettelten Aufstand in Zusammenhang. In allerjüngster Zeit ist ein völlig unversehrtes Manuskript des „Diwan“ des Todros Abulafia zu- tage gefördert worden, das nahezu tausend Gedichte enthält und zur Zeit in London publiziert wird. — S. Baer in „Debir“ II, 3i4; Scholem in „Kiriath Sefer“ I, 168 und „Kitbe ha’Universita bi’Jeruschalaim“ I, 26; Gaster, The Diwan of Todros Abulafia, in der Londoner Wochenschrift „The Jewish Guardian“ 1926, Nr. 35i. l43