§ 1U. Die Maimonisten und ihre Gegner überhaupt, insonderheit aber mit den philosophischen Werken des Maimonides („More nebuchim“ und „Sefer ha’mada“) befaßten, wie auch über solche, die die Überlieferungen der Bibel und des Talmud in rationalistischem Geiste auszulegen wagten (zu Beginn des Jahres 1232). Die Eiferer von Montpellier und Gerona fanden bei ihren Ge sinnungsgenossen in Nordfrankreich, wo von jeher die scholastische Geistesrichtung der Tossafisten vorherrschend war, ungeteilte Billi gung. Die Rabbiner des Nordens priesen den Eifer ihrer südlichen Verbündeten und erteilten dem gegen die Freidenker proklamierten Cherem ihre vorbehaltlose Sanktion. Die provenzalischen Maimonisten ließen sich indessen durch die Herausforderung nicht einschüchtern. Gleich ihren Gegnern erhoben auch sie das Banner der Religion und traten für den Mann in die Schranken, dem das Judentum nicht nur ein neues religionsphiloso phisches System, sondern zugleich einen neuen Talmud, einen zun Festigung des jüdischen Ritensystems geschaffenen Gesetzeskodex zu verdanken hatte. So zögerten denn die Gelehrten von Beziers, Lunel und Narbonne nicht, Salomo von Montpellier und seine beiden Genos sen, die das Andenken des großen Meisters beschimpft hatten, ihrer seits in den Bann zu tun und den von ihren Widersachern verhängten Cherem für null und nichtig zu erklären. Aus Südfrankreich griff der Streit auf Aragonien und Kastilien über. In Aragonien wurden näm lich durch den Bannstrahl der Konservativen viele einflußreiche Ge meindevertreter, Ärzte und Gelehrte, getroffen, von denen manche dem Hofe Jakobs I. nahestanden. Der königliche Arzt und „Alfaquim“ Bahiel Alkonstantini bewog nun die Gemeindehäupter von Saragossa, über die Antimaimonisten von Montpellier einen Gegencherem zu ver hängen (im Juli 1232). Zugleich richteten die Maimonisten von Sara gossa ein Rundschreiben an die übrigen Gemeinden Aragoniens mit dem Aufruf, „für Moses (Maimonides) und seine heilige Lehre in die Schranken zu treten, für jenen Moses, der uns aus dem Abgrunde der Unwissenheit, des Irrtums und der Torheit gezogen, um den Baum der Erkenntnis unter uns zu pflanzen“. Das Sendschreiben betonte ferner, daß die Altmeister des Judaismus das Studium der weltlichen Wissen schaften und der Religionsphilosophie nicht nur für zulässig, sondern sogar für verbindlich erklärt hätten, da die Juden sonst im Streite mit Andersgläubigen wehrlos dastehen würden; so sei es durchaus un umgänglich, in der Astronomie, Geometrie und in den anderen ange- 109