Die geistigen Strömungen im XIII. Jahrhundert riten abstreifen. Gleich den christlichen Bischöfen schoben auch die konservativen Rabbiner die ganze Schuld an den Verirrungen dem bösen Einfluß der Philosophie zu. Das Vordringen rationalistischer Ideen in das Gebiet der Religion drohte, wie sie glaubten, die „Zügel des Gesetzes“ immer mehr zu lockern. Das Bestreben des Maimonides, für jede der jüdischen Gesetzesvorschriften einen Vernunftgrund aus findig zu machen, unterwühle, meinten sie, die ganze Achtung vor die sen Gesetzen, da dadurch die Annahme nahegelegt werde, als seien religiöse Vorschriften, für die sich keine rationale Begründung an führen lasse, nebensächlich oder gar gänzlich überflüssig. „Maimoni des“ — so ließen sich die gemäßigteren Hüter des Gesetzes verneh men — „hat zwar die Wurzeln der Religion (die Dogmen) gekräftigt, ihre Zweige jedoch abgehauen“. Die jedem Kompromiß zwischen Glauben und Wissen abholden Fanatiker verstiegen sich aber zu der Behauptung, daß die Lehre des Maimonides den Judaismus sogar in seinen Wurzeln untergrabe. Die Hochburg der Konservativen war um jene Zeit die Stadt Mont pellier, die zu den Erbbesitzungen des aragonischen Königs Jakob I. gehörte. Hier eben sollte gegen die aus Spanien eindringenden libera len Ideen ein Damm errichtet werden. Das Werk wurde vom tatkräfti gen Talmudforscher Salomo ben Abraham vom Berge („Min ha’har“, d. h. aus Mont-pellier) in Angriff genommen. Besonders verurteilungs würdig erschien ihm die Mißachtung, die die Maimonisten der talmu- dischen Haggada entgegenbrachten, in der sie nichts als eine Menge poetischer Sagen erblickten; es kam ihm auch zu Gehör, daß manche von ihnen sogar in den biblischen Geschichten nicht wirkliche Ge schehnisse sehen wollten, sondern lediglich didaktische Erzählungen. Eine solche Auffassungsweise schien Salomo ben Abraham das ge schichtliche Fundament der Offenbarung und der an sie anknüpfen den Tradition ganz zu unterwühlen, und so ließ er sich in einen lang wierigen Streit mit den Anhängern des Maimonides in Montpellier ein, ohne diese jedoch umstimmen zu können. Die Polemik führte nur zu einer weiteren Verschärfung des Parteihaders. R. Salomo schlossen sich der Rabbiner von Gerona Jona Gerondi, der Verfasser eines bekann ten Traktats über die Buße, sowie ein gewisser David ben Saul an. Das dreigliedrige Rabbinerkollegium entschloß sich nun zu einem folgenschweren Schritt: es verhängte den „Cherem“ über alle diejeni gen, die sich mit Philosophie und mit „profanen Wissenschaften“ 108