Die Juden im christlichen Spanien (XIII. Jahrhundert) 80 zur Erinnerung an die evangelischen „dreißig Silberlinge“ auf. Wäh rend bis dahin nur die einzelnen Familienhäupter für die pünkt liche Entrichtung der Kopfsteuer verantwortlich gemacht wurden, be schloß jetzt der König, dem Beispiel der ihm benachbarten Herrscher folgend, fortan mit der Verteilung und der Eintreibung der Steuern die jüdische Gemeindeselbstverwaltung zu belasten, wobei alle Gemeinde mitglieder für den regelmäßigen Eingang der Abgaben solidarisch haften mußten. Aus den Kopfsteuerrollen einzelner Bezirke ist zu entnehmen, daß die Gesamtsumme der Kopfsteuer damals die Höhe von drei Millionen .Maravedi (etwa zwei Millionen Reichsmark) er reichte. Darüber hinaus lasteten auf den Juden noch allerlei Sonder steuern und außerordentliche Abgaben, wie der „Zehnte“ von den Immobilien zugunsten der Kirche, die Krönungssteuer u. dgl. m. Die im Jahre 1290 zusammengetretene Versammlung verteilte die Lasten unter nicht weniger als 120 kastilische Gemeinden. Bedeutende jü dische Gemeinden beherbergten die Städte Toledo, Burgos, Carrion, Cuenca, Avila, Valladolid, Huete, Soria, Murcia, Sepulveda und noch manch andere. Wiewohl die Gesamtzahl der damals in Kastilien leben den Juden auf Grund der Steuerrollen nicht einmal annähernd be rechnet werden kann 1 ), zeugen diese immerhin davon, daß die jü dische Bevölkerung im Lande verhältnismäßig sehr zahlreich war. Die tatkräftige und betriebsame Bevölkerungsgruppe bildete eine bedeu tende wirtschaftliche Macht, da sie hier, im Gegensatz zu Frankreich oder England, bei der Berufswahl in keiner Weise eingeschränkt war. Neben den finanztüchtigen Steuerpächtern waren unter den kastili- schen Juden auch Grundbesitzer anzutreffen. Die Versammlungen des Landadels (die Cortes in Valladolid), die in der wachsenden Macht der Juden eine ernstliche Gefahr erblickten, wandten sich zwar mehrmals an den König mit der Bitte, den Juden den Ankauf christlichen Grundbesitzes zu untersagen, während die Cortes der Städte ihrer seits die grundsätzliche Abschaffung der Steuerpacht beantragten; doch pflegte der König seine diesbezüglichen Versprechungen nur sehr *) Auf Grund nicht sehr sicherer Schätzungen veranschlagt Graetz die Ge samtzahl der in Kastilien gegen Ende des XIII. Jahrhunderts wohnhaften Juden auf etwa 85o 000, während Isid. Loeb ihre Zahl auf 2 34 000 schätzt. Die letztere Zahl scheint der Wirklichkeit eher zu entsprechen. Es darf nicht außer acht ge lassen werden, daß sich um jene Zeit eine zahlreiche jüdische Bevölkerung auch in Aragonien und in anderen Gegenden der Pyrenäischen Halbinsel konzentriert hatte.