§ 4. Religiöse Disputationen und Verbrennung des Talmud sem Anblick stößt seine Gattin den herzzerreißenden Schrei aus: „Ich will dir folgen, mein Freund!“ — und auch die schwangere Frau ver schwindet in den Flammen. In Todesqualen ruft der jüngere Sohn dem älteren zu: „Bruder, ich brenne!“, der ältere aber erwidert: „Du gehest ins Eden ein“. Als die schöne Schwiegertochter, das Weib des älteren Sohnes, an die Reihe kam, versuchten die Henker, sie zur Taufe zu bewegen und stellten ihr einen schmucken Kavalier in Aus sicht, sie aber rief voll Empörung: „Martert mich, soviel ihr wollt, ich lasse nicht von meinem Gotte!“ Einer der Gemeindenotabein, Sim- son, legte besonderen Heldenmut an den Tag und sprach bis zum letz ten Atemzug seinen Genossen Mut zu. Baruch Tob-Elem (Bendit Bon fils) rief dem ihn folternden Schergen zu: „Schüre das Feuer, du Bösewicht!“ Nicht ganz seiner Herr war nur Simon, der Sofer (Schreiber) und Kantor, der „so herrlich den Gottesdienst in der Syna goge zu verrichten pflegte“; aber auch er weinte, wie er sagte, nicht um seiner selbst, sondern „um der Kinder willen“. Als die „Prediger“ (Dominikaner) an Isaak Kohen herantraten und ihm zur Taufe zu redeten, sprach der Märtyrer: „Ich werde sterben um des Namens Gottes willen; als Priester, der ich bin, werde ich ihm meinen eigenen Leib zum Opfer darbringen“. Auf dem Scheiterhaufen fand auch der treffliche Chirurg Chaim aus Brienon den Tod, der „manch Blindem das Augenlicht wiedergab“. Die Stadt Troyes, in der die grauenhafte Untat vollbracht wurde, war in der Grafschaft Champagne gelegen, die kurz vorher infolge der von der Gräfin dieser Provinz mit dem französischen König Philipp dem Schönen eingegangenen Ehe den Kronlanden angegliedert worden war. Als Philipp (in dessen Regierungszeit das Ereignis fällt) von dem Wüten der Inquisition gegen die reichsten Mitglieder der jü dischen Gemeinde Kunde erhielt, erblickte er darin einen Anschlag auf seine Hoheitsrechte sowie eine Beeinträchtigung seiner Einkünfte. So erließ er denn drei Wochen nach der Exekution von Troyes einen Befehl, demzufolge die mit der Inquisition beauftragten Mönche Ju den nur dann aburteilen durften, wenn der königliche Seneschall zuvor den rein religiösen Charakter des betreffenden Verbrechens festgestellt hatte. Zwei Jahre nach der Tragödie von Troyes zeitigte der Volksaber glaube auch in Paris selbst eine grauenerregende Bluttat. Im Jahre 1290 wurde hier wegen angeblicher Durchstechung einer Hostie, des