§ 4. Religiöse Disputationen und Verbrennung des Talmud 45 glied der ursprünglichen Untersuchungskommission, die talmudi- schen Bücher erneut daraufhin zu prüfen, welche von ihnen ohne Schaden für die Kirche den Juden zurückgegeben werden könnten (1247). Gleichzeitig erklärte der Papst dem König Ludwig in einem Schreiben, daß er, als Hohepriester der Kirche, die die Anhänger des Alten Bundes neben sich durchaus dulde, es für seine Pflicht halte, die Juden in Einklang mit ihren religiösen Gesetzen leben zu lassen. Die vom Papste empfohlene Milderung der Repressalien fand jedoch bei den Pariser Fanatikern keinen Anklang. In seinem Antwortschreiben suchte der päpstliche Legat Innocenz IY. davon zu überzeugen, daß der Talmud den Sinn der Bibel entstelle, daß die Rabbiner den Papst und die Kardinäle durch die Behauptung, die Bibel sei ihnen ohne den Talmud unverständlich, irreführten und daß es überdies ein öffentliches Ärgernis bedeuten würde, wenn man den Juden die noch unversehrt gebliebenen Abschriften der jüngst verdammten Bücher nun zurückgeben wollte. Schlechte Bücher — meinte er — müßten, auch wenn in ihnen manch guter Gedanke anzutreffen wäre, gleich bösen Menschen, gleich Ketzern vernichtet werden: wird doch auch ein Ketzer wegen der Verleugnung eines einzigen Glaubensdogmas, auch wenn er alle übrigen voll anerkennt, in Grund und Boden ver dammt. Trotz all dieser Bedenken — fügt der Legat hinzu — wolle er dem päpstlichen Befehl dennoch Folge leisten und die ihm von den Juden vorgelegten Abschriften einiger Talmudtraktate nochmals überprüfen. Die Revision wurde denn auch in einer neu eingesetzten Zensurkommission unter Beteiligung namhafter christlicher Theolo gen ohne Säumen vorgenommen; zu den Zensoren gehörte unter an deren der berühmte Dominikaner Albertus Magnus, der die Haupt elemente seines theologischen Systems („Summa Theologiae“) aus den philosophischen Werken des Maimonides und des Ibn Gabirol schöpfte. Wie nicht anders zu erwarten war, wurde auch in der neuen Kommission über den Talmud der Stab gebrochen. Ihr Vorsitzender, der Kardinal-Legat Odon, erklärte (im Mai 1248), daß das Werk von furchtbaren Verirrungen und Blasphemien strotze und daß es in einem christlichen Staate nicht geduldet werden könne. Von neuem setzte in verschiedenen französischen Städten die Jagd nach den jüdischen Büchern ein. Die Akten des Jahres i2Öo verzeichnen eine ganze Reihe solcher von den „predigenden Brüdern“ (Dominikanern) vollbrachten Heldentaten. Späterhin ließen die Verfolgungen allmählich nach: den