§ 1. Allgemeine Übersicht Im XIII. Jahrhundert war der Aufbau der mittelalterlichen christ lichen Gesellschaft zu seinem endgültigen Abschluß gelangt, und da mit gewann auch die Lage der Juden innerhalb der christlichen Um welt eine feste, scharf umrissene Form. Die Könige, die Feudal fürsten, die christliche Kirche und die autonomen Städte — dies sind die vier Mächte, die für das Los der Juden in den verschiedenen euro päischen Ländern entscheidend waren. Die Könige und Feudalherren verschärften das schon von früher her bestehende System der Be vormundung der jüdischen Gemeinden. Wohl sicherte man den Juden die Unantastbarkeit von Leben und Besitz zu und nahm sie vor den Überfällen des christlichen Pöbels in Schutz, doch waren sie zugleich einem streng gehandhabten Wirtschaftsregime unterstellt, an ganz be stimmte Erwerbsarten gebunden und dabei mit so schweren Steuern belastet, daß sie nicht selten gleichsam zu Leibeigenen der Könige und Fürsten degradiert waren. In Frankreich und England, wo die Juden ausschließlich auf den Handel und insbesondere auf den Geld handel, d. i. auf das Kreditgeschäft, angewiesen waren, wurden sie von den sie bevormundenden Machthabern als deren Handelsagenten betrachtet und mußten einen bedeutenden Teil des bei den Handels geschäften erzielten Gewinnes an ihre Schutzherren abführen. Nament lich in Frankreich stritten Könige und Seigneurs um den Besitz dieser Hörigen des Handels, als wären es ihre leibeigenen Bauern: den könig lichen Juden wurde es schließlich untersagt, in die Besitzungen eines Seigneurs überzusiedeln, wie auch umgekehrt. In England pflegten die Könige von Zeit zu Zeit das Vermögen ihrer jüdischen Handels agenten kurzerhand einzuziehen. In Deutschland bürgerte sich in dieser Epoche das System der „Kammerknechtschaft“ in aller Form ein, das die Juden der schrankenlosen Verfügungsgewalt der Kaiser aus lieferte. Im christlichen Spanien der Zeit der „Reconquista“ waren