35. schlechte Ware leichter an den Mann zu bringen suchten. 1654 wurde dieser Unfug abgestellt. Auch den Leyern und Leyerinnen wurde das Handwerk gelegt. Damals blühte das Geschäft viel mehr wie heute. Die Wunderdoktoren zogen wie fahrende Gaukler von Ort zu Ort. Da gab es Starstecher, Bruch- und Stein¬ schneider, Zahnbrecher, welche auf den Jahrmärkten ihr Unwesen trieben. Das Sprich¬ wort: „Er schreit wie ein Zahnbrecher", erinnert an die marktschreierische Tätigkeit dieser Wohltäter der Menschheit. Sie hatten ihre Marktbude und ihren Ausschreier, der die Leute anlockte. Während der Wundermann im dunklen Talare auf einer Tribüne hinter seinen Werkzeugen und Heilmitteln möglichst würdevoll stand, lockte ein wie ein Hanswnrst adjustierter Reklammacher die Leute zu seinem Herrn Quack¬ salber. Eine 1647 in München erlassene Verordnung gibt uns Aufschluß über den damaligen Stand der Tierarzneikunde. Es heißt: Nachdem sich eine grassierende Sucht beim Vieh begeben, so ist zu wissen, daß solches verursacht worden von der Weide durch nasses Wetter, vergiftete Nebel und Erddämpfe, woher das Vieh große Gallen bekommen habe und an der Lunge infiziert befunden wurde. Man soll das kranke Vieh vom gesunden absondern, das verreckte aber ja nicht ins Wasser werfen und nicht auf der Erde liegen lassen, sondern auf dem Felde brennen und tief vergraben. Zur Präservation und Heilung wurde ein Pulver empfohlen, das ans 35 verschiedenen Wurzeln, Kräutern, Harzen und Gewürzen bestand. Zu jener Zeit herrschte auf dem Lande eine große Unsicherheit. Es gab keinen, öffentlichen Sicherheitsdienst, wie er heutzutage durch die k. k. Gendarmerie geleistet wird. Die wenigen Amtleute, welche nebst ihrem Seitengewehr auch Hunde mitführten., konnten der Bauden nicht Herr werden. Der Kurfürst erließ folgendes Patent: Da die tägliche Erfahrung bezeuget, daß die Untertanen auf den Straßen wie auch in ihren Wohnungen von den armierten Straßenräubern mit Wegnehmnng des Ihrigen bei Tag und Nacht heimgesucht und mit Plagen und Torturen übel traktiert werden,; also haben wir, um der anwachsenden Bedrängnis abzuhelfen, gnädigst refolbieret, daß gegen diese grausamen Räuber aus das schärfste verfahren werde. Man soll sie mit dem Strange hinrichten, wenn sie jemanden überfallen und etwas weggenommen haben, oder rädern, wenn sie das Geld erzwungen durch Schläge u. dgl. Erfolgte aber hiebei der Tod, so soll der Räuber ohne Gnadenstoß von unten auf gerädert werden. Damit aber diese gottvergessenen Leut von ihren unmenschlichen Gewalttaten eher ablassen, sollen die verschiedenen Strafgattuugen wie Rädern, Henken, Köpfen, Rutenpeitschen und Brandmarken auf den Grenztafeln und Säulen mit der Ueber- fchrift „Straf der Räuber" abgemalt werden. Selbst die kleinste Reise war ein Unternehmen, welches weitschichtige Vorbe¬ reitungen erforderte und wobei die gesunden Glieder ans dem Spiele standen. Dabei winkte nach den Reisebeschwerden meist nur eine Herberge mit karger Erholung, da der ungeschliffene Wirt seine Gäste fast immer nur als seine Beute behandelte. Ein ländliches Wirtshaus in Bayern wird um diese Zeit so geschildert: Bei der Ankunft grüßt niemand, damit es nicht scheine, als ob man auf den Gast gewartet hätte. Nach langem Schreien steckt einer den Kopf beim Fensterchen heraus. Nun muß man fragen, ob man einkehren könne. Schlagt man es nicht ab, so kannst du dem Pferd selbst zum Stalle führen und mit Futter versorgen. Nun gehst du tn die Stube. Hier ziehst du deine schmutzigen Stiefel aus, auch die nassen Kleider kannst du neben dem Ofen zum Trocknen hängen. Ist es nötig, kannst du hier auch das Hemd wechseln. So machen es auch die Andern. Dann nimmst du eines von den Gläsern zu dir, die zu Jedermanns Gebrauch dastehen und wartest, bis der Wirt kommt und dir dasselbe füllt. Damals war es nicht Sitte, daß jeder schnell und nach Wunsch bedient wurde. Man mußte warten, bis der Wirt oder sein Gehilfe