— 155 — 162. Freiherr yon Macchio an Baron Burián. Telegramm. Rom, am 30. April 1915. Alle meine Wahrnehmungen und Informationen stimmen darin überein, daß die Verhandlungen mit den Ententemächten jetzt ein fieberhaftes Tempo angenommen haben. Die Initiative hiezu dürfte aber nicht von dem stets unschlüssigen Baron Sonnino ausgehen. Herr Barrère kommt täglich zu ihm, wobei mir immer dieselben französischen Anbote genannt werden, nebst Aussicht auf größere Abtretungen in Tunis, wenn Elsaß-Lothringen zu Frankreich käme. Die französischerseits offerierte Grenzberichtigung bei Ventimiglia soll ein Gebiet von wenigen Quadratkilometern umfassen. Der englische Botschafter soll billige Anleihe von zwei Mil¬ liarden, weiters Erfüllung italienischer Wünsche in Kleinasien, Dode- kanesos und Verhinderung jeder Förderung der Senussi-Bewegung bieten. Ich glaube, daß der italienischen Regierung die Verhandlungen nach zwei Seiten zunächst zu einer Pression nach.' zwei Seiten dienen, um die beiderseitigen Anbote möglichst hinaufzutreiben und sich die Wahl offen zu halten. Lange dürfte sich aber die von der Regierung durch die ver¬ schleierte Mobilisierung in der ganzen Öffentlichkeit geschaffene Spannung nicht aufrechterhalten lassen, ohne so oder so zur Ex¬ plosion zu führen. In der Umgebung Cadornas wird verbreitet, daß der Krieg gegen die Monarchie jetzt gemacht werden müsse, weil er ja doch unvermeidlich sei; eine freiwillige Abtretung würde in absehbarer Zeit einen Revanchekrieg zur Folge haben, in dem Italien dann allein stünde, während es jetzt auf die Unterstützung der Entente zählen könne. Auch höre ich von sonst gut informierter Seite, daß der jetzige italienische Militârattaché in Wien die Situation so darstelle, daß es sich nur um einen militärischen Spaziergang handle, was natürlich Wasser auf die Mühle Cadornas ist. Bei dem durch die allseitigen Umwerbungen maßlos ge¬ steigerten italienischen Größenwahne fallen solche militärische Selbsttäuschungen auf den fruchtbarsten Boden und der Einfluß des Generalstabes wirkt verhängnisvoll. 163. Freiherr yon Macchio an Baron Burián. Telegramm. Rom, am 1. Mai 1915. Minister des Äußern erklärte auf meine bezüglich der Reise des Grafen Goluchowski an ihn im Sinne Euer Exzellenz Tele-