— 73 — des Ententelagers, Italien mit allen möglichen Versprechungen an sich zu ziehen, die Gefahren, welche entstünden, wenn welch immer italienische Regierung bei Abschluß der großen Krise dem Lande mit leeren Händen gegenübertreten müßte. Wäre sie in der Lage, nicht bloß von einer inhaltslosen prin¬ zipiellen Bereitwilligkeit zu einer Kompensation zu sprechen, son¬ dern auf schon bestehende annehmbare Basen eines abzuschließenden Akkords hinweisen zu können, so würden die franko-englischen Bestrebungen in sich zusammenfallen, ja es würde auch der Fort¬ bestand des Dreibundes auf Grundlagen, die der veränderten Situa¬ tion angepaßt wären, dem Lande plausibel erscheinen. Nur im Interesse der Rettung des alten Bundes Verhältnisses, das er für das einzig Richtige für Italiens Interessen halte, ent¬ schließe er sich zu diesen peniblen Gesprächen; er habe das Porte¬ feuille mit der Maßgabe übernommen, einen solchen Einigungs¬ versuch zu unternehmen, um die alten Reibungsflächen zu be¬ seitigen, eine gesündere Grundlage für unser Verhältnis zu suchen. Gelänge dies nicht, so würde er eben zurücktreten. Wir kamen sodann auf die verschiedenen Kompensationsarten und die Schwierigkeit zu sprechen, für deren Mannigfaltigkeit schon früher eine Formel zu finden, unter die später die verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten zu subsumieren wären. Als ich 'den Wunsch nach einer Konkretisierung der italie¬ nischen Hoffnungen auf territoriale Kompensationen äußerte und auf Albanien anspielte, fand ich Baron Sonnino, der überhaupt kein Anhänger des albanischen Abenteuers ist, ganz ablehnend. Er meinte, für Italien bestehe das ganze Interesse in Albanien nur, zu verhindern, daß andere sich dort festsetzen, aber keines, sich selbst darin zu etablieren. Ohne das Wort „Trentino" auszusprechen, deutete er dann an, daß nur in einer Richtung den territorialen Aspirationen Italiens Genüge geschehen könnte. Ich habe hierauf Gespräch auf mehr theoretische Erörterungen über das Do-ut-des-Prinzip und dergleichen gelenkt und den Minister in der Idee über den Nutzen dieser Konversationen bestärkt, worauf er die Absicht äußerte, Herzog Avarna einzuladen, seinerseits mit Euer Exzellenz weiterzusprechen, da man ja zugleich in Wien und hier reden könne. Vor allem sollte man nicht durch Ver¬ mittlung Dritter, sondern direkt sprechen, um Mißverständnisse und Mißdeutungen zu vermeiden. Aus Baron Sonninos Äußerungen entnahm ich ferner, daß er die Lage in Italien, insoferne sie sich in der Presse und vor allem in den politischen Kreisen spiegelt, nicht für schlechter hält als vor zwei Monaten.