— 60 — nationalen Aspirationen manifestiere und mit welcher die italienische Regierung ernstlich rechnen müsse. Wenn ein Einverständnis zwischen den beiden Regierungen auf der Baron Sonnino vor¬ schwebenden Basis erzielt werden könnte, würden die bisherigen Reibungen und so bedauerlichen häufigen Inzidenzfälle verschwinden und ein Verhältnis kordialer und dauernder Freundschaft möglich werden, ohne welches jeder offizielle Akkord leer und steril bleibe. Zum Schlüsse der Mitteilung hob der Botschafter den freund¬ schaftlichen Geist hervor, welcher seinem Schritte zu Grunde liege. 75. Graf Berchtold an Freiherrn von Macchio. Telegramm. Wien, am 12. Dezember 1914. In Beantwortung der Euer Exzellenz heute mitgeteilten Er¬ öffnung Herzog Avarnas habe ich dem Botschafter vor allem mein Erstaunen über diese Eröffnung ausgedrückt, indem der Ausgangs¬ punkt derselben, nämlich der Hinweis darauf, daß wir vor Über¬ schreiten* der serbischen Grenze das Einvernehmen mit der italie¬ nischen ^Regierung hätten pflegen sollen, durch die tatsächliche Lage nicht begründet erscheine. Er müsse sich doch erinnern, daß ich ihm seinerzeit von unserer Absicht Mitteilung gemacht hatte, die letzten Konsequenzen aus der Haltung Serbiens zu ziehen, und daß uns damals Marchese di San Giuliano die formelle Zusicherung gegeben hätte, Italien werde die militärischen Operationen nicht stören und wünsche von uns nur die Anerkennung der Anwend¬ barkeit des Artikels VII auf den gegenwärtigen Falk Von ersterer Zusage hätten wir damals Kenntnis genommen, bezüglich letzteren Verlangens sei nach einigem Verhandeln unsererseits der italienische Standpunkt akzeptiert worden. Auch haben wir, als Marchese di San Giuliano anfangs August in einem Briefe an Herrn von Mérey die Umstände zur Sprache brachte, die einer Klarstellung bedürften, um das Verhältnis zu den Verbündeten auf solide Grundlage zu stellen, in entgegenkommender Weise geantwortet, ohne daß jedoch von italienischer Seite weiter darauf zurückgekommen worden wäre. Hinsichtlich unserer Reserven während des libyschen Feldzuges müsse ich bemerken, daß der Einwand des Grafen Aehrenthal gegen die Operation an der albanischen Küste in erster Linie auf Grund unseres albanischen Akkords erfolgte, daß die Besetzung der Ägäischen Inseln sich tatsächlich als eine Okkupation dar¬ stellte, nachdem dies keine militärische Operation auf dem Kriegs¬ schauplatze war und es sich Italien nur um die Gewinnung eines Faustpfandes handelte, endlich die Aktion in den Dardanellen den Status quo des türkischen Reiches bedrohte, daher mit dem Geiste des Dreibundvertrages, welcher zur Erhaltung des türkischen Besitz-