— 38 — Yon der seitens der italienischen Regierung ausgesprochenen Reserve, eventuell im späteren Verlaufe Entschlüsse fassen zu wollen, die den Wünschen der Alliierten konform wären, nehmen wir mit Befriedigung Kenntnis und sind gewiß gerne bereit, tun¬ lichst dazu beizutragen, eine solche Wendung zu ermöglichen. Was den Hinweis auf den Umstand betrifft, daß die allgemeine Formel des Artikels VII nicht genüge und keine Klarheit über Natur und Größe der eventuellen Kompensationen verschaffe, muß be¬ merkt werden, daß wir selbst erklärt haben, keine Akquisitionen auf dem Balkan machen zu wollen. Unter diesen Umständen war für uns bisher kein Anlaß gegeben, Italien zu einem Gedanken¬ austausche über konkrete Kompensationen aufzufordern. Die Schlußworte des Schreibens des Marchese di San Giu¬ liano finden bei uns verständnisvollen Widerhall. Er ist sich wohl selbst am besten bewußt, daß die Ziele, die er sich bei Über¬ nahme seines Amtes vorgesteckt und auf welche er bisher seine Politik eingerichtet hatte, mit jenen in vollem Einklänge stehen, die ich auch für unsere Politik als die richtige erkannte, als ich das Erbe des Grafen Aehrenthal antrat. Auch will ich hoffen, daß bei beiderseitigem guten Willen und freundschaftlichem Ent¬ gegenkommen durch die neu eingeleitete gegenseitige Aufklärung die verschiedenartigen Auffassungen, welche der Ausbruch der gegenwärtigen Krise in Wien und Rom zur Folge hatte, leicht werden ausgeglichen werden können, und daß es nicht schwer fallen werde, die gewünschte Verständigung nicht bloß hinsichtlich der gegenwärtigen Krise, sondern auch bezüglich der ganzen Dauer des Vertrages herzustellen. 36. Graf Ambrózy an Grafen Berchtol<L Telegramm. Rom, am 11. August 1914. Im Auftrage des Botschafters von Mérey habe ich heute ein im Sinne Euer Exzellenz Télégrammes vom 9. d. M. gefaßtes Aide- Mémoire dem Generalsekretär überreicht. Derselbe bemerkte nach sorgfältigem Lesen desselben, daß jedenfalls auch darüber Meinungsunterschied obwalte, ob wir beim Konflikte mit Serbien uns an den Artikel I1) des Dreibundvertrages gehalten hätten, dessen zweites Alinea die vertragschließenden Teile zu gegenseitigem Gedankenaustausche und Unterstützung beim Schutze ihrer eigenen Interessen verpflichtet. Herr de Martino argumentierte weiter, selbst zugegeben, daß wir in Serbien keinen dauernden Landerwerb beabsichtigen, könnten wir beispielsweise doch den Wunsch haben, die Hand auf die 1) Vide Anhang Nr. 15.