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Am 19. November setzte plötzlich Tauwetter ein. Der Schnee ging
in Regen über und ein heftiges Gewitter brach los. Waagrecht trieb der
Sturm den Regen durch die Luft, Blitze durchzuckten die Nacht und
Donner rollte auf Donner, Dieses Tauwetter brachte eine große Anzahl
von Lawinen zum Niedergehen. Beim Kommando des 1. TJR. begrub eine
solche einen Unterstand der 7. Kompagnie, aus dem man nach langen,
anstrengenden Arbeiten 9 Mann tot und 29 zum Teil verletzt bergen
konnte.
Eine auf dem Rückweg vom Regimentskommando 1. TJR. über den
Sattel 2006 ins Bisortelager marschierende Tragtierkolonne mit 30 Trag¬
tieren blieb mit ihren Führern im Schnee stecken. Die sofort alarmierte
halbe Sappeurkompagnie 1/6 konnte bis 2 Uhr früh nur mehr einen Toten
und einen Lebenden bergen. 34 Mann mit allen Pferden blieben vermißt
und waren nicht mehr zu finden.
Über die Lage in der Stellung und die Verschüttung einer Hütte
durch eine Lawine gibt ein Kompagnieoffizier in seinem Tagebuch eine
lebendige Schilderung.
,,19. November. Ein starker Schneesturm, wie wir ihtì hier noch
nicht erlebt hatten. Nur scheint es uns ungewöhnlich warm. Der Sturm
bläst, daß man sich kaum auf den Beinen halten kann. Der vor wenigen
Tagen von uns errichtete Schneepegel zeigt schon 2.50 m. Nachmittags
Schneealarm! Alles ohne Unterschied der Charge wird zum Schnee¬
schaufeln herangezogen, aber es ist vergebliche Arbeit. Von einem Frei¬
halten des Buseweges ist keine Rede. Kaum die Verbindung mit dem doch
keine 10 Minuten entfernten Regimentskommando ist aufrechzuerhalten.
Dazu hat Tauwetter eingesetzt und jetzt gegen Abend fängt es auch noch
zu regnen an. Während der Sturm zum Orkan angewachsen ist, blitzt
und donnert es wie im Hochsommer. Wir sitzen alle in unserer Bude bei¬
sammen, doch es will keine Stimmung aufkommen. Das Wetter ist
schauderhaft. Um %9 Uhr abends wird Lt. B. geholt, er soll mit 20 Mann
den Bergführern und Pionieren helfen, am Sattel 2006 eine verschüttete
Tragtierkolonne zu retten. Wir haben uns gar nicht ausgezogen, sondern
sitzen naß und frierend in unseren Mänteln um den erloschenen Ofen
und warten, daß man auch uns zur Hilfeleistung holt. Gerade hat Lt. B.
den Vorschlag gemacht, ob es nicht besser wäre, zu unserer Mannschaft
hinunter in die große Zugsbaracke zu gehen, als draußen plötzlich im
Heulen des Sturmes ein dumpfes Rollen hörbar wurde, ein Rauschen und
Brechen — und gleichzeitig senkte sich unser Hüttendach krachend herab.
Die bergseitige Wand wurde nach einwärts gedrückt und ein von oben
her eindringender Wasserguß verlöschte das Licht. Eine Lawine hatte
uns verschüttet. Einen Augenblick hielt jeder wie gelähmt den
Atem ant ob nicht noch ein Stoß kommen würde. Dann sprang Leutnant
B. auf und wollte die Tür aufstoßen. Umstonst, sie rührte sich nicht.
Ich riß das kleine Fenster auf und stieß mit dem Kopf an eine fest¬
gepreßte Wand tropfnassen Schnees. Kein Zweifel, wir waren im
Schnee begraben. Endlich zündete einer ein Zündholz an und wir sahen