Seite 124. ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. Nr. 16. reichen. Man hat daher eine durch Bauobjecte illustrierte Architekturgeschichte vor sich. Man braucht sich nur zu fragen, wo und in welcher Verbindung habe ich schon all diese Motive in solider Ausführung gesehen ? Woher ist das compiliert und componiert worden ? Italien nimmt in der Baugeschichte mit den Römern beginnend bis in die Neuzeit den ersten Rang ein. Gilt es doch heute noch als eine unerschöpfliche Quelle, für Architekturstudien. Es war daher den Beauftragten nicht allzu schwer, schöne und charakteristische Motive für den Ausstellungsbau zu wählen. Der kunstgewandte Architekt wählte norditalienische Bauweisen, namentlich aus Venedig, so vom Markusdome, vom Dogenpalaste, goldenen Haus und andere, kurz italienische Gothik in aller Leichtigkeit und Schönheit, mit einer Fülle von feinst aasgeführten Wimpergen, Fialen, Pfeilern, wie sie in der Schein¬ architektur bisher kaum in solcher Vollendung ausgeführt wurden. Eine Mittelkuppe], vier Eckkuppeln reich bronziert und dem Markusdom nachgebildet, erhöhen die Wirkung des prächtigen Baues. Der allzu reiche statuarische Schmuck und die Marmorimitationen an den Fagaden erinnern wieder an den Mailänder Dom. Einen Haupt¬ schmuck erhält das oblonge Gebäude durch eine Special¬ kunst Venedigs. Es sind dies 20 meterhohe in Glasmosaik von der bekannten Kunstanstalt Salviati-Venedig ausge¬ führte Friese, welche die Hauptgewerbe darstellen. Es sind die schönsten, farbenprächtigsten Arbeiten, die über¬ haupt bisher hergestellt wurden. Es gilt dies insbesonders von dem Incarnate der zahllosen arbeitenden Puppen, das eine seltene Lebenswahrheit aufweist. Das Innere, ein ausserordentlich günstig beleuchteter Saal, lehnt sich an Florentiner Motive an und bilden das Hauptdecor der vergoldeten Kuppeln, Wände und Gallerien, realistisch ausgeführte in Dunkelgrün gehaltene Trophäen und Laub¬ gewinde. Das Prachtgebäude hat eine Länge von 65 und eine Breite von 28 Metern. Das Gebäude dient für die retrospective italienische Ausstellung und für diverse Industriegruppen. So finden wir hier die Kunsttöpferei, Majolikaindustrie und keramische Plastik. An Chicago, an „die Bauten der weissen Stadt“ gemahnt der nebenstehende Bau — das Haus des ottomanischen Reiches — eigentlich ein wüister Bazar mit den bekannten Ausstellungstürken (Griechen, Bulgaren, Armenier etc.), die dem harmlosenBesucher ihre türkischen(!) in Wien am Neubau, Gablonz, Venedig, Neapel herge¬ stellten Kurz waren aufzuhalsen suchen. Der wahre Aus¬ stellungs-Handelsmarkt, eine gelungene Ausstellungs- Speculation! Das Bauwerk wurde nach den Plänen des Pariser Architekten Dubuisson ausgeführt, der ersichtlich die Formen des alten Byzanz und des modernen Türken¬ reiches eingehendst studierte. Dass sich bei dieser Bau¬ compilation auch Anklänge an die französische Renaissance bemerkbar machen, kann man einem französischen Architekten nicht verübeln. Im Gegentheile haben die nebeneinandergereihten osmanisclien Bautypen nur an Anmuth und Wirkung gewonnen. Eine mächtige Doppel¬ treppe, ein 35 Meter hoher kräftiger Thurm, neueren Moscheenbauten nachgeahmte Kuppeln bilden die be¬ merkenswertesten Bautheile. Wie in früheren Weltaus¬ stellungen, so hat sich auch diesmal die Türkei nicht officiell betheiligt. Das ganze Ausstellerngswerk, der Bau wurde von einer Privatgesellschaft unternommen, da der Sultan keinen Credit bewilligte. Das Geschäft war daher bei der Raumauftheilung massgebend. Wir finden da auf der Terrasse ein syrisches Kaffeehaus, im ersten Stockwerke ein durch die französische Censur bedrängtes 4 -AOO w r i i i H i i -H--+- Grundriss vom ersten Stockwerke. lewu+nS <5c-j'wvz4^v<m-vtA9.