Nr. 10. OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. Seite 77. und es darauf, in Kalkpulver eingebettet, langsam erkalten lässt. Das Eisen soll dadurch eine ganz vorzügliche Dehnbarkeit und Weichheit erhalten. Eisenbahn-Transportwesen. Von grösstem Interesse nicht nur für militärische Fachleute sind die Fortschritte, die das Eisenbahn-Transportwesen in den letzten dreissig Jahren gemacht hat. Im Jahre 1870 brauchte die deutsche Heeresleitung 11 Tage — vom 24. Juli bis zum 4. August — um 19.299 Officiere, 536.000 Mannschaften, 161.881 Pferde und 16.883 Geschütze und Trainwagen in 1520 Eisen¬ bahnzügen auf den Kriegsschauplatz zu befördern. Inzwischen hat man sowohl die Zahl der Verbindungs¬ strecken, wie auch die Stärke und Schnelligkeit des rollenden Materials derart vervollkommnet, dass heute der Transport einer Armee von der gleichen Stärke nur 2—4 Tage erfordern würde — ein taktischer Vortheil von ganz ausserordentlicher Bedeutung. In französischen Militärkreisen glaubt man, auf sieben doppelgeleisigen Linien in 24 Stunden 1,440.000 Mann an die deutsche Grenze werfen zu können, wobei siebenmal 207, d. i. 1449 Züge zur Verwendung gelangen sollten. Die deutschen Militärbehörden bleiben hinter dieser Leistung keineswegs zurück, und so würden bei einem neuen Kriege zwischen den Nachbarreichen 24 Stunden nach der Kriegserklärung zwei riesige Heere an der Landesgrenze sich gegenüber¬ stehen. Die sibirische Eisenbahn ist nicht nur eines der grossartigsten Werke menschlicher Energie, es ist auch eines der kostspieligsten. Allein die Nothwendigkeit, Wohnsitze für die Arbeiter-Colonnen neu zu schaffen und ihnen den genügenden Proviant auf weite Entfernungen hinzuzuführen, verschlangen grosse Summen. Ebenso werden die asiatischen Strecken nicht unerheblich kost¬ spieliger als die der westlichen, die Verbindung mit Europa bildenden. Die Ussuribahn mit einer Länge von 721 Kilometern kommt auf 93,045.546 Mark zu stehen. Die Ostsibirische Linie ist 1327 Kilometer lang und kostet nur 101,474.335 Mark. Das kurze Stück von Irkutsk hin zum Baikalsee (62 Kilometer) ist mit 6,363.405 Mark ver¬ hältnismässig billig; dafür kostet die Fähre über den See allein 7,040.000 Mark. Den Beschluss macht die Trans¬ baikalstrecke, deren 1038 Kilometer 158 Millionen Mark verschlangen. Die Gesammtkosten der Bahn stellen sich demnach auf 366 Millionen Mark. Ein Haus von der Kleinheit des in der Rue du Chateau d’Eau Nr. 39 in Paris belegenen, dürfte keine Stadt Deutschlands ihr Eigen nennen. Dieses Bauwerk dürfte thatsächlich als selbständige menschliche Wohn¬ stätte in einer richtigen Grossstadtstrasse seinesgleichen suchen. Zwischen den Häusern Nr. 37 und 41 — die geraden und ungeraden Hausnummern sind in Paris auf die beiden Seiten der Strasse vertheilt — ist ein Zwischen¬ raum von 130 Centimeter, der von dem mit der Zahl 39 geschmückten Prachtbau eingenommen wird. Derselbe ist, entsprechend seiner geringen Breite, auch nur 3 Meter tief. Im Erdgeschoss, dessen Vorderwand von der Ein- gangsthür ganz ausgefüllt ist, hat ein Schuhmacher seine Werkstätte aufgeschlagen, während das darüber belegene gleichfalls nur 4 Quadratmeter grosse Zimmer nur von dem Nebenhaus aus zugänglich ist. Ein richtiges Haus — 130 Centimeter breit, 3 Meter tief und etwa 10 Meter hoch — wo existiert das Gegenstück dazu? Leitungswasser. Gleichviel, ob ein Leitungswasser mehr oder weniger rein ist, setzt es doch auf jeden Fall ziemlich schnell grosse Ablagerungen in den Leitungen ab, deren Vorhandensein viele Uebelstände mit sich bringt. Oft resultiert daraus eine zeitweise Verstopfung der Rohr¬ leitungen, die die Menge des hindurchzuleitenden Wassers stark vermindert. Einen neuen Beweis hiefür lieferte eine Rohruntersuchung in Plymouth, wo die Leitungsrohre von einer inneren Weite von 60 Centimeter mit Hilfe eines besonders dafür construierten Apparates aasge¬ kratzt wurden. Die Reinigung gieng leicht vonstatten und ergab mehrere Tonnen Ablagerungen, während das so gereinigte Rohr nun 12 bis 15 Millionen Liter Mehr¬ leistung im Tage aufwies. Oesterreich-Ungarisches Palais. Zu den vornehmsten Bauten in der „Völkerstrasse“ der Pariser Weltausstellung gehört zweifellos das österreich-ungarische Palais. Seine graziösen Barockformen lassen es als eine glückliche Verkörperung der schönen Zeit des alten Oesterreich erscheinen, wo die Lebensfreude und der heitere Genuss noch nicht in dem Masse von Parteigezänk und Nahrungs¬ sorgen in den Hintergrund gedrängt war, wie heutzutage. Von der Weltaustellung. Grosse Anstrengungen haben die Pariser für eine umfangreiche und möglichst glänzende Vorführung der französischen Colonien auf der Weltausstellung gemacht. Es hat fast den Anschein, als wollten sie den Ländern, welche fast ausschliesslich die imposante Macht ihres Handels und ihrer Industrie ins Treffen führen — besonders Deutschland und Amerika — die Grösse und den Reichthum ihrer aussereuropäischen Besitzungen als Aequivalent entgegenstellen. Thatsächlich wird die Colonialausstellung von vielen für den Clou der Ausstellung gehalten; jedenfalls dürfte sie neben der Rue des Nations und der Darstellung des alten Paris das Interesse der grossen Menge am meisten erregen. Be¬ sonders die indochinesische Ausstellung wird durch die Pracht und den Fabenreichthum ihrer Architektur in die Augen fallen. Als interessanteste Vertreter hinter¬ indischer Baukunst wird die Pagode des Königs vom Kambodscha mit ihren imposanten Freitreppen und das Kambodscha-Theater zu gelten haben. Es ist ein farbenprächtiger Bau von bizarren Formen, in dem eine Truppe von 60 indischen Tänzerinnen und Musikanten vor dem staunenden Publicum ihre Künste producieren wird. Wenn unter den Bauten der „Rue des Nations“ auf der Pariser Weltausstellung das deutsche Haus und neben ihm noch das italienische von den Pariser Blättern einstimmig für die schönsten und geschmackvollsten Bauten dieser Völkerstrasse erklärt werden, so werden unsere Vettern jenseits des grossen Meeres wohl un¬ zweifelhaft das auffallendste unter den Nationalgebäuden liefern. Dies ist das Repräsentationsgebäude der Vereinigten Staaten, neben dem sich der halbmond¬ geschmückte Pavillon der Türkei erhebt, mit seiner hoch¬ ragenden Kuppel und der stolzen Quadriga über dem Säulenvorbau, ein Spectakelstück ersten Ranges, dessen riesige Verhältnisse zu dem Eintagsleben, das es zu führen bestimmt ist, nicht im richtigen Verhältnis stehen. Der Amerikaner will nun einmal überall das Grösste und Höchste haben, sonst ist er nicht zufrieden. Seine Nationaleitelkeit will den höchsten Thurm, die meisten Treppenstufen, die theuersten Statuen und die dickste Vergoldung auf Amerika vereinigt haben, gleichviel, ob der gute Geschmack dabei mehr oder weniger empfindlich zu kurz kommt. Der fliegende Adler, Reiterstatuen und Triumphwagen, Fahnenembleme u. s. w. sollen den Kriegs¬ ruhm des Siegers über Spanien in die Welt hinaus¬ posaunen. Insoweit, als die Gebäude in der Rue des