Seite 50. Oberösterreichische Bauzeitung. Nr. 7. Bauerhaltung in Italien. Julius von Bük-Venedig. II, Nachdruck verboten. Doch auch ein seltenes Beispiel italienischer Bau- erhaltung, für 3,750.000 Lire soll der berühmte „Palazzo Farnese“ einer der wenigen der Exkönige von Neapel, in neuen Glanze erstrahlen I Dieser herrliche Besitz, der schönste Palast der ewigen Stadt genannt und oft als das von Künstlern und Kunstgelehrten bestritten, wird nun in fremden Händen wieder hergestellt und erhalten bleiben. Seit mehr als 30 Jahren war das umfangreiche, ernstwürdige Gebäude als „Haus Frankreichs“ auf italienischer Erde bekannt. Hier hatte der Botschafter Frankreichs seine Dienst- und Empfangsräume und die historische Akademie fand noch eine mehr als ausreichende Zahl von Sälen und Zimmern für Sammlungen, Lehr- und Wohnzwecke. Bisher wurde der „Palazzo Farnese“ als von der Republik „gepachtet“ mit 150.000 Frank Miete im Haushaltungsplane Frank¬ reichs geführt. Nun will Frankreich sein eigenes Haus und selbstredend fiel die Wahl auf das bisherige seit Jahrzehnten benützte Botschafteipalais. Der Minister des Aeussern begann die Verkaufsverhandlungen mit dem Exkönige von Neapel, der bisher keinen Käufer und günstigen Zahler für den letzten Rest exköniglicher Herrlichkeit gefunden hat. Man einigte sich bald über den Verkaufspreis von 3,750.000 Franks, abgesehen von den Kosten der Restaurierung. Dieser Posten wurde in die Gesetzvorlage über „die Erwerbung, Bau eigener Botschafter- und Gesandtenpaläste“ aufgenommen und vom Parlamente in der letzten Februarwoche genehmigt. Jetzt stimmen die Römer und die italienischen Kunst¬ freunde Klagelieder über den Verlust dieses meist monumentalen Palastes des päpstlichen Rom an. Für alle, denen es mit der Bauerhaltung der alten Baudenkmale Italiens ernst ist, wird dies eine freudige Nachricht sein. Es mag schliesslich gleichgültig sein, ob der Besitzer derartiger historischer Baudenkmäler ein In- oder Ausländer ist, ob er ein altadeliger Feudale oder bürgerlicher Herkunft ist. Es kann sich nur darum handeln, ob er Kunstliebe genug besitzt, das in seinem Besitze befindliche, von Künstlerhand geschaffene Gebäude im besten Bauzustande zu erhalten, vor Beschädigungen zu schützen, man könnte dies ein Erhalten im „Status quo ante“ nennen, selbstredend zählen hiezu nicht nur gewisse teilweise Ausbesserungen, sondern auch Wieder¬ herstellungen von innen und aussen. Mit der Wiederherstellung des berühmten Palastes, mit der dauernden Erhaltung dieser architektonischen Sehenswürdigkeit Roms wird wohl eine weitere Restau¬ rierung anderer vernachlässigter Palastbauten erfolgen. Freilich muss vorausgeschickt werden, dass hier kaum von baufälligen Gebäuden die Rede ist. Roms Paläste stehen an Solidität und Bausicherheit in Italien an erster Stelle. Es handelt sich hier um einzelne konstruktive Baugebrechen, allgemeine Abnützung der Bauteile, Fassaden, Treppen, Dachung um die Arbeiten der Bau¬ handwerker, all den verblassten, abgebröckelten Innen- und Aussenschmuck, den halbzerstörten Hausrat, der von gar zu verlotterter antiquarischer Wirkung ist. Die Verjüngung des hochberühmten Palastes ruft so manche Erinnerung an dessen Entstehung und Bau¬ geschichte wach, die so verschiedene Kommentare ge¬ funden hat. Es wird auch die grosse Frage zu be¬ antworten sein: Wem wird der französische Kunstminister diese umfangreiche Wiederherstellung übertragen? Wird es ein französischer oder italienischer Architekt sein, wird die architektonische Wiederherstellung von der dekorativen Restaurierung getrennt vergeben werden? Auch in Wien und in anderen Grosstädten hatte Frankreich kein eigenes Botschafterpalais. Nun baut die Republik ihre eigenen Häuser in Wien, Berlin. In Wien war die Residenz des Botschafters auch ein interessantes Bauwerk in der Bauweise des Wiener Barock, das Palais Lobkowitz. Es wurde bereits ein Grundstück erworben und ein der Regierung nahestehender Architekt mit dem Entwürfe und der Ausführung beauftragt. Jedermann und auch die Fach vereine werden diesen Vorgang ganz natürlich finden, da einem jeden Bauherrn die Wahl eines Architekten offensteht. Besonders hier wo ein ganzes Volk als Auftraggeber erscheint. Da wird man es natür¬ lich finden, wenn der Bau oder die Wiederherstellung eines Nationalbaues einem Angehörigen des Landes und keinem Wiener oder italienischen Architekten übertragen wird. Nachdem nun das Parlament den Betrag von 3,750.000 Franks bewilligt hat, wird wohl bald die Er¬ nennung eines französischen Architekten für die Restau¬ rierung zu erwarten sein. Für Rom ist der Verkauf eines der grössten und berühmtesten Paläste eine vielbesprochene Tagesfrage. Selbstredend kommt hiebei auch der Nationalstolz, der Lokalpatriotismus in Frage. Warum muss dieser glänzende Palast in den Besitz einer fremden Nation übergehen, warum wurde derselbe nicht von der Regierung für Staats¬ zwecke angekauft? Konnte dieselbe nicht die Bau¬ erhaltung dieses Monumentes übernehmen? Mit grosser Apathie hat Rom die Entführung zahlreicher Kunst¬ werke nach Frankreich und anderen Ländern mit ange¬ sehen, die noch vor dem Ausfuhrverbote von römischen Aristokraten und Klerikern verkauft wurden. Aber jetzt der Verkauf eines Gebäudes, eines berühmten Palastes, der zu dem Kunstinventar der Weltstadt zählt! Dass der Bau durch den neuen Besitzer wieder vollkommen her¬ gestellt wird, dass er ein erhöhtes Interesse, eine grosse Anziehungskraft auf alle Kunstkenner ausüben wird, daran denkt niemand. Man blickte stets auf all die Baudenk¬ male alter und neuer Zeit mit grosser Pietät, doch auf die Erhaltung dieser Bauten denkt weder der Besitzer, noch Gemeinde und Staat. Durch Gesetze können wohl die Eigentümer zu einer gewissen äusseren Erhaltung der Fassaden gezwungen werden und nicht durch die in neuester Zeit als „Sinecura“ ernannten Inspektoren für die Erhaltung der Kunstdenkmäler. Wer wird da ent¬ scheiden, welches Bauwerk Kunstwert hat oder nicht, wie die Restaurierung als Mittel der Bauerhaltung aus¬ geführt werden soll und schliesslich, wer soll die Geld¬ mittel für diese Bauarbeiten aufbringen ? Es fehlt auch noch an einem Inventar der erst-, zweit- und dritt- klassigen Baudenkmäler Italiens. Hiefür besteht auch keine Literatur ausser G. Mothes Werk der „mittelalter¬ lichen Baudenkmäler Italiens“. Denn all die anderen Bücher mit Daten über hervorragende Bauten Italiens zählen nur zu jenem grossen Kreis der bekannten Reise¬ bücher und Führer, die für eine auf wissenschaftlicher Basis beruhenden Schätzung, Chronologie, Feststellung, der Meister ganz wertlos sind. Und diese Riesenarbeit, die nur durch bewährte Fachgelehrte durchgeführt werden könnte, würde Jahrzehnte erfordern. Denn all¬ zureich sind die bemerkenswerten, als Kunstleistungen zu bezeichnenden Gebäude. Man kann nach eigener