III. Jahrgang, Nr. 15. Linz, 1. August 1898. Öberösterreichische Bauzeitnng Zeitschrift für Bauwesen. Redaction und Administration: LINZ, Harrachstrasse 22. — Herausgeber und Verleger: Eduard Kornhoffer. Man pränumeriert auf die ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: i ganzjälirig mit fl. 10. — fur die I halbjällrig 5 Provinz . ^ Ä < vierteljährig . „ 2.50 für Loco | ganzjährig mit halbjährig . . I vierteljährig . fl. 8 Erscheint am 1.und 15. jedes Monat. 1 INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ österreichischen Bauzeitung“, Linz, Harrachstrasse 22, ferner bei allen grösseren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle Reelamationen und Beschwerden direct an uns erbeten. Inhalt. Architektur-Briefe aus Florenz, I. — Bericht über die Ge¬ barung, den Stand und die Anlage derFonde der Arbeiter-Unfallversicherungs- Anstalt für Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg in Salzburg. — Local-Baunotizen. — Aus den Gemeinderaths-Sitzungen in Linz — Aus der Fachliteratur. — Technische Neuigkeiten. — Briefkasten. — Offene Stellen. — Angesuchte Baulicenzen in Linz. — Anmeldungen für Wasser¬ bezug. — Inserate. Architektur-Briefe aus Florenz. 1- Nachdruck verboten. Wer von dem Michael Angeloberge aus sein Auge über Florenz, diese von den Musen so hoch begünstigte Stadt, und über das liebliche Arnothal mit seinen grünen Weingeländen, seinen Oliven- und Feigenpflanzungen, schweifen lässt, wer die vielen Landhäuser in ihren ge¬ raden Linien, wie Edelsteine glitzernd, hervortreten sieht aus den sanft aufsteigenden baum- und blumenreichen Umgebungen, der empfindet, dass er vor einem reich be¬ vorzugten Garten der Erde steht, bevorzugt noch unter so vielen Gärten, aus welchen das helle, sonnige Italien eigentlich zusammengesetzt ist. Aber hier hat nicht die Natur allein ihr Füllhorn in reichem Maße ausgegossen, hier hat auch die Kunst Wunder erzeugt auf den vielen Gebieten, welche ihr unterthan sind. Schon seit Jahrhunderte haben hervor¬ ragende Genien hier geschaffen, das sagt uns die bedeutende Silhouette dieser Stadt, das erkennt man mit jeder Stunde mehr, welche man dazu verwendet, um sich in die Menge seiner Kunstwerke zu vertiefen. Die Florentiner haben von jeher darauf gehalten,, die Werke ihrer reichbegabten Meister jedem aus dem Volke zugänglich zu machen, darum haben sie dieselben nicht nur in die Museen und Gallerien verbaut, wovon es ja so viele und so namhafte in Florenz gibt, nein, sie haben sie ausgestellt auf allen Plätzen, in den Strassen und unter offenen Hallen, damit sie Gemeingut des Volkes würden, damit jeder schon an den Brüsten der Kunst grossgezogen werde. Begeistert ist noch immer der gemeine Mann für die stolzen Werke seiner Vaterstadt, aber auch kunst¬ verständig und kunstliebend ist er geworden; er hat sich ein gutes Theil aus der üppig wuchernden Blüte der Renaissance bewahrt, von Generation zu Generation ist sie endlich auf die jetzige Bevölkerung übertragen. Aber in Florenz ist auch die erste Saat ausgestreut, hier ist die erste Frucht gezeitigt worden und aufgegangen in der Riesenkuppel des Domes, ausgerechnet, gezeichnet und zum Theil auferbaut von dem Riesengeiste des Brunellesco. Wie indessen ein bedeutender Baum nie aus dürrer Ebene emporwächst, so entstand auch hier nicht vereinzelt ein bedeutender Genius; kann sich ein solcher auch weit über seine Umgebung erheben, so braucht er doch die Mithilfe seiner Genossen und seiner Zeit. Und diese Zeit der grössten Blüte der Renaissance war eine so gewaltige, Avie sie vielleicht nie wiederkehrt; ihre Schatten aber hat sie geworfen auf die ganze damalige gebildete Welt, und ihre Früchte geniessen wir noch heute. Man muss, um das zu begreifen, hineingehen in das Ge¬ triebe jener Zeit, muss der Geschichte nachforschen, ob diese uns einen Anhalt gibt, da werden wir finden, dass zwar ohne ein geistig begabtes Volk, ohne eine Menge hervorragender Geister eine solche Blüte der Kunst und der W issenschaft nicht erwachsen konnte, dass aber auch die äuseren Verhältnisse — und unter diesen besonders die politischen — nicht wenig zu deren Förderung bei¬ getragen haben. Italien Avar noch bis in die jüngste Zeit hinein ein viel getheiltes Land. Fürsten, deren ganzer Besitz oft nicht über 100 Quadratmeter ausmachte, eine Menge freier Städte, deren Macht nur vorübergehend eine bedeutende Avar, wie Venedig, Genua, Florenz, Vicenza und anderen, konnten sie ihre Bedeutung und ihr Fortleben in der Weltgeschichte meist nur in der Errichtung mächtiger Werke der Baukunst, mit welcher immer die übrigen Künste Hand in Hand giengen, erreichen. Hier wollte ein Staat den anderen überbieten, auf diesem Gebiete konnte er seine Superiorität beweisen; so entstand ein Ruhmsinn, Avie er ausgebildeter und hervorstechender nie bei einem anderen Volke Avieder aufgetreten ist. Aber nicht die Fürsten allein und die Municipal- behörden als Leiter und Vorsteher ihrer Staaten und Städte Avaren von diesem Ruhmsinn ergriffen, das ganze Volk war davon erfüllt und gab ihm bei jeder Gelegenheit Ausdruck. Man muss aus jener Periode die einschlägigen Schriftsteller nachlesen, um ein Bild zu bekommen von der Sucht nach monumentalem Schaffen der damaligen Zeit. Als Arnolfo im Jahre 1298 vom Magistrat zu Florenz den Auftrag zur Erbauung des Domes bekommt, da heisst es: „Der Dom solle auf solche höchste und kostbarste Pracht gebaut werden, dass menschliches Streben und Vermögen nichts Grösseres und Schöneres hervorbringen könne.“ Um ein solches Werk ausführen zu können, wurde eine harte Kopfsteuer auferlegt. Zu derselben Zeit wird in Siena das Stillstehen des Domes eine öffentliche Schande genannt. Die bisherige Domsacristei wird „für eine Schmach der Stadt“ erklärt, und dieselbe „als für eine Dorfkirche passend“ erachtet. Für die Fürsten, Avelche meist gewaltsamen Thun ihren Thron verdankten und der grossen Mehrzahl nach