Nr. 54 Jüdische Nachrichten' Die Pariser jüdischen Studenten für die Mensa aca- demka judaica in Wien. Über Intervention der Redaktion des Pariser „Le peuple juif" hat die zionistische Studen¬ tengruppe in Paris zur Linderung der Not der jüdischen Studenten in Wien die Sammlung eines großen Fonds eingeleitet Ein Rothschildpreis für die Universität in Jerusalem. Nach einer Reuter-Meldung hat Mr. James Rothschild zum Zwecke der Errichtung einer Preisstiftung für Arbeiten auf dem Gebiete der hebräischen Poesie an der zu gründenden hebräischen Universität Jerusalem fünf¬ hundert Pfund Sterling gewidmet. Die Stiftung wird, den Verfügungen des Stifters entsprechend, den Namen .vDeborahpreisstiftung für hebräische Poesie" führen. ^□cxxoxciaaooaaaoGaaaQaaDDDnoaDaooonoaac^ Aus den Gemeinden. § 8 ^DDDnOOOQDPaaDODÜOaaOGaDDÜOaDÜDDOOÜOÜuDCXjr (Für die Richtigkeit schriftlich zugegangener Berichte übernimmt die Redaktion keine Verantwortung.) Linz, Purim-Turnfest. Wie bereits mitgeteilt, findet am 4. März 1. J. in den Redoutensälen ein Purim-Turnfest statt, welches vom Jüdischen Turn- und Sportverein ver¬ anstaltet- und ein sehr reichhaltiges Programm darbieten wird. Nähere .Angaben finden sich in der heutigen An¬ kündigung. Beachtenswert ist, daß Karten nur im Vorverkauf ab 26. Februar erhältlich sind, und zwar bei den Herren Max Adler, Urfahr, Hauptstraße 30, Emil Bruder, Fabrikstr. 2, und Richard K a f k a, Landstraße 71. 8 § Feuilleton. B^QnUDDDODDDQDDGÜDDDDaDaaDDDaDÜGaDaaOoSDcQ Episode. Von Arnold Zweig.* Schüsse knallten und erweckten Eli Saameu. Das Fenster seines Schlafzimmers, mit beiden Flügeln offen, an dem die Gardinen im Nachtwind baumelten wie Ge¬ henkte, ließ ungehindert das helle Krachen der Brow¬ nings über die Dächer bis zu ihm. Er setzte sich im Bette auf : der Himmel über der Stadt glomm leicht rot, von Brand oder nur von vielen Lichtern, aber höher hinauf arbeiteten sich Scharen von Sternen aus dem endlosen Schwarz; in das weite Schimmern schnitt das Fenster ein hartes Kreuz, mitten durch das vertraute Gebilde dee großen Wagens. Es ist gegen elf, dachte der Knabe, als er schräg vor sich das Sternbild erblickte; sie schießen . . Die Tür zum Zimmer des Vaters ward aufgerissen; der Inspektor Saamen machte einen raschen Schritt über die Schwelle: „Aufstehen, Eli," schrie er, und seine Stimme klang wild vor Erregung. „Pogrom^" rief der Sohn, mit beiden Füßen auf den Teppich springend; aber es brauchte keine Antwort. Er zog sich mit eiligen und zitternden Händen an, indes der V ater nebenan bei einem Licht einen Brief siegelte. Noch stand, in der Stellung des entscheidenden Springerzuges, das Schachbrett vom Abend auf dem Tisch, und die Figuren schwärzten im Schein der Kerze das gemusterte Brett mit kurioeen * Aus dem soeben im Weltverlag erschienenen Buche „Drei Erzählungen." Streifen von Schatten. Eli bemerkte es, glücklich vor Stolz: der Vater, dieser starke Spieler, hatte vor diesem neuen Zuge überrascht aufgeben müssen . . . Alsbald aber verfiel er wieder der Gegenwart; mit Genugtuung bemerkte er, indem er hastig an den Stiefeln schnürte, daß es seinen Feinden jetzt- schlimm gehe, den Juden¬ jungen, die ihn von. hinten mit Erde bewarfen und ihm nachschrien, daß er den Sabbat schände und Unreines äße; und er fand, ihnen geschehe recht, da sie viele waren und ihn dennoch nie von vorn anfielen. „Nun? Fertig? Noch nicht?" Der Inspektor, die Pelzmütze schon auf dem Kopf, ragte schwer in den Rahmen der Tür, mit hohen Stiefeln und seiner großen grünen Joppe. Er blies ungeduldig in den dicken Schwarzbart: „Hast du Furcht?" Plötzlich — er hatte bisher nichts derart ge¬ dacht — fiel Eli ein, daß auch er erschlagen werden konnte, denn die Banden wußten ja nicht, daß Vater und er mit den andern in Feindschaft lebten; doch vergaß er es sofort. „Aber nein!" empörte er sich, „da bin ich. Wollen wir hin?" Der Vater schloß schon den Brief in seinen Schreibtisch: „Man muß sehen . . * man muß dort helfen . . ." Dann wandte er dem Sohne da» Gesicht voll zu und prüfte den Sechzehnjährigen mit Blicken wie ein eben abgeliefertes Werkstück: nein, er hatte keine Furcht. „Höre, Eli. Kann sein, daß mir dort . . . daß ich auch — — also verstehe: wenn ich morgen nicht mehr da bin . . ." „Vater!" schrie er, und iseine Augen wurden schwarze Löcher. „Alles kann kommen. Dann, höre, fährst du sofort nach Deutschland zurück, so¬ fort . . — „Vater!" — „. , . lernst etwas und wirst ein Ingenieur." — „Hör' auf, bitte, hör' auf," bat der Knabe mit schwankender Stimme, und seine beiden Hände griffen nach dem Arm des Mannes. „Es ist nur für alle Fälle. Du bist groß genug. Da, nimm das!" Er schob ihm eine flache Pistole zu und fegte mit ruhiger Hand Patronen hin. „Sie ist schon geladen. Komm." Eli nahm die Waffe heftig an sich, wenngleich sein Arm zit¬ terte. „Wirds gefährlich, Vater?" Aber der Inspektor schritt schon durch die Tür, den Browning in der Tasche und in der Faust einen gefährlichen Stock, außen von Leder,' innen aber von Eisen. Seine Schritte dröhnten auf dem Korridor; der Knabe beeilte sich, seinen Berg¬ stock aus der Ecke zu reißen, einen gelben Eichenknüp¬ pel mit metallener Spitze. An der äußersten Tür fand er den Vater wartend, unschlüssig, wie ihm vorkam. „Eigentlich müßte man dich hier lassen. Was sollst du dort ..." — „Ohne dich ? Ich bleibe nicht allein, keinen Augenblick." — „Gehorchst du?" Doch der starke Junge rief: „Ich breche die Tür auf und komme dir nach; wahr¬ haftig!" Der Inspektor kannte seinen Ältesten: „... Mei¬ netwegen . . . schließlich ist's am besten"; und er lächelte schwach und ließ den Schlüssel heftig ins Schloß beißen. Sie polterten die Treppe hinab, durch drei Stock¬ werke, und eilten über den weiten Hof der Fabrik. Elis Blut lief schnell und lustvoll: ein Abenteuer, welch ein Abenteuer! Ein Pogrom, heut am Ostersonnabend! Mor¬ gen gehen sie dann zur Kirche.* Er fürchtete sich gar nicht; seine Finger preßten beglückt den Kolben der Waffe. Ob er schießen würde? Ob auch treffen? Sicher¬ lich, wenn es ihn nicht zu sehr aufregte. Er versprach sich, Gawril Buttermann, dem Rotkopf, dem Steinwerfer, keinesfalls beizuspringen, und er sonnte sich beglückt im Neid der ganzen Klasse und Leos, des Bruders, der drü¬ ben geblieben war, wenn er erzählen würde ... Er spannte den Arm inwendig an und bog ihn, so daß die Muskeln dick heraustraten. Der Sekundaner, breit und groß, wies unter schwarzen Haaren ein sehr weißes Ge-