Jüdische Nachrichten JNr. '6'2 Der „dicke Kohn". Wir lesen im Münchner „Jüdischen Echo": In alldeutschen und antisemitischen Berliner Blät¬ tern wird seit einiger Zeit angepriesen, „als unfehlbares Mittel zur Bekämpfung des Judentums" sich den „Dicken Kohn" anzuschaffen. Hinzugefügt ist den Annoncen der . empfehlende Vermerk, daß „Der dicke Kolin" nur an , „durchaus zuverlässige Personen" abgegeben werden kann. Preis 35 Mark. Aufklärung über dieses etwas mysteriöse Angebot gab es kürzlich in einer antisemitischen Versammlung in Berlin. Der Bedner, ein Generalsekretär der preußischen konservativen Partei, erläuterte und demonstrierte dieses Hilfsmittel, und es entpuppte sich als ein dicker Gummi¬ knüppel, der, wie lobend erwähnt wurde, gefährlicher ist als der englische Polizeiknüppel und wie dieser ständig im Bockärmel versteckt getragen werden soll. Die praktische Vorführung des „dicken Kohn" hat denn auch nicht lange auf sich warten lassen. ^ Ein jüdischer Herr, der eines der jetzt zahlreich in Berlin angeklebten antisemitischen Plakate abreißen wollte, wurde von den wachsamen „zuverlässigen Personen" mit besagten Gummiknüppeln jämmerlich verhauen. Das ist die „Abwehr des jüdischen Geistes". Einst galt der Korporalstock als bestes Erziehungsmittel. Will man etwa jetzt die Juden mit dem Gummiknüppel zu besseren Men¬ sehen erziehen % Jüdisch-pädapogische Kurse in Wien. Die im Vorjahre begründeten jüdisch-pädagogische Kurse (Jüdisches Pädagogium) in Wien, eröffnen End« September ihr zweites Lehrjahr. Die während des erster Jahres gesammelten Erfahrungen, die außerordentlichen Leistungen sowohl der Lehrer als auch der Schüler, be¬ rechtigen zur Annahme, daß sich diese einzigartige In¬ stitution zu einer Stätte jüdischen Wissens und jüdische.. Kultur entwickeln wird. Diese Hoffnung ist umso be¬ rechtigter, da Herr Öberrabbiner Prof. Dr. II. 1 . Chajes nunmehr die Leitung des Institutes übernommen hat und außer den bisher am Pädagogium wirkenden Dozenten, noch einige hervorragende Lehrkräfte für die Anstalt ge¬ wonnen wurden. Es ist zu erwarten, daß sich das jüdische Pädagogium in Wien zu einer Zentralstelle zur Heran¬ bildung jüdischer Lehrer entwickeln und deni empfind¬ lichen Mangel auf diesem Gebiete in erheblichem Maße abhelfen wird. Aufgenommen werden Hörer und Hörerfnnnen, die das sechzehnte Lebensjahr überschritten haben, über all¬ gemeine Kenntnisse, die etwa einer Madchen-Mittel- schule (Lyzeum) gleichkämen, verfugen und etwas He¬ bräisch verstehen. Für solche Anwärter, die auf einem der vorgenannten Gebiete nicht ganz sicher sind, besteh, sowohl im Hebräischen als auch in allgemeinen h achern ein einjähriger Vorbereitungskurs. Hörer und Höre¬ rinnen, die in einen bereits bestehenden Kursus eintreten wollen, müssen sich einer Prüfung aus den bisher an Pädagogium vorgetragenen Fächern unterziehen. Die Lehrdauer beträgt (außer dem eventuell erforderlichen Vorbereitungskurs) für hebräische Sprachlehrer, die nach Absolvierung der Kurse befähigt sind, an einer be¬ reits bestehenden Schule die hebräische Sprache mit r- folg zu unterrichten, eventuell selbstständig; eine Schule zu leiten, vier Jahre; für Kindergärtnerinnen, die nach Beendigung der Kurse sich der Staatsprüfung an einer öffentlichen Kindergärtnerinnen-Bildungsanstalt unter¬ ziehen können und auch in allen jüdischen Fächern ent- srpechend vorgebildet sind, zw^i Jahre und für jüdische lieligioiislehrer, die r\ach Absolvierung der Kurse be¬ fähigt sind, an Vilks- und Bürgerschulen lieligionsunier- richt zu erteilen, vier Jahre. Das Schulgeld beträgt 30 K monatlich. In besonders berücksichtigungswerten Fällen wird dasselbe auf die Hälfte ermäßigt, eventuell ganz er¬ lassen. Schulbeginn: 1. Oktober 1919. Anmeldungen und Anfragen sind zu richten an das Sekretariat des Jüdischen Pädagogiums, Wien, 2. Bezirk, Taborstraße 20 a (Jüdischer Nationalrat). Berichte. Linz. Bundestag des Wanderbundes „Blau-Weiß". Am 7. und 8. September fand in der Umgebung von Linz der Bundestag des deutschösterreichischen Bundes für jüdi¬ sches Jugend wandern „Blau-Weiß" statt, an dem 150 Führer und Wanderer der Ortsgruppen Wien, Linz, Inns¬ bruck, Salzburg, Graz und Mödling sich beteiligten. Auch aus dem deutschen und tschechoslowakischen Bund waren Gäste erschienen. Probepredigt. Samstag den 13. d. M. um 10 Uhr vor¬ mittags beim Mussaphgottesdienste hält Sr. Ehrwürden Herr Eabb. Dr. J. Horn aus Wien eine Probepredigt ab. Jüdischer Turn- und Sportverein in "Linz. Auf lie In der letzten Nummer beigeschlossenen Aufrufe sind bisher verschwindend wenig Beitrittsanmeldungen angelangt. Da diese Verzögerung die Vorbereitung zur Aufstellung der Turnriegen unendlich er¬ schwert, ergeht an alle die dringende Bitte, diese Anmeldungen b a 1 d in ö g 1 i c h s t an Herrn Emil B r u d e r, Linz, Fabriksstraße 2, gelangen zu lassen, wo auch leere Blankette kostenlos ausgegeben werden. Auch jene, die ihren Beitritt bereits bei der Vereinsgründung mit Unterschrift angemeldet haben, wollen zur Ergän¬ zung der notwendigen Daten die Beitrittserklärung aus¬ fertigen. üsää 8BS8 äqän Zeitschriftenrundschau. oäoa ub'na mm „Schlemiel", jüdische Blätter für Humor und Kunst. Bis jetzt hat man in Westeuropa unter jüdischem Humor nur den ebenso geschmack- wie geistlosen Kalauer ver¬ standen, mit dem politisch gefärbte oder das Porno¬ graphische schon bedenklich streifende sogenannte Witz¬ blätter ihre meist stark aStisemitelnden Bilder versahen. Der wirkliche jüdische Humor, der sich in den pracht¬ vollen Novellen und Skizzen unserer ostjüdischen Schrift¬ steller (Asch," Alechem, Gordon usf.) und nicht weniger in den merkwürdigen, so unendlich zarten Liedern des Jargons offenbart, blieb der westjüdischen Masse ver¬ schlossen. Nun erscheint seit Juli dieses Jahres ein jüdi¬ sches „Witzblatt" — der „Schlemiel" — das es sich zur Aufgabe gemacht hat, jüdischen Humor und die judische Satire, für die es klassische Beispiele gibt, zu pflegen. Das erwachende nationale Leben hat auch diesen X\vi ii- des Schrifttums sich zu eigen gemacht. Unbarmherzig, wie die Satire mal ist, geißelt sie eigene Schwachen nicht weniger als Assimilation und Antisemitismus. Wenn der Schlemiel" seinem Programm treu bleibt und ein mit