4 Jüdische Nachrichten Nr. 21 □ Rundschau. § T-S — 8 —/ Eine Ansprache des Präsidenten Masaryk. („Wr. Morgenzeitimg.") In Prag fand anläßlich des Beschlusses der Friedenskonferenz, daß die nationalen Minderheitsr echte der Juden garantiert werden sollen, imi Rudolfinum ein von der Lese- und Rod eh alle jüdischer Hochsfehiiler veranstaltet es Festkonzert statt, das einen überaus festlichen Verlauf nahm. Das Konzert wurde durch den Vortrag der englischen, tschechischen, slowa¬ kischen und jüdischen Nationalhymne auf der Orgel ein¬ geleitet. Im Fover hatten sieh die Vertreter der jüdischen Korporationen zur Begrüßung des Präsidenten Masaryk und des englischen Gesandten eingefunden. Auf die Begrüßungsansprachen des Festkomitees er¬ widerte der englische Gesandte in englischer Rede, in der er auf die wärmsten Sympathien hinwies, deren sich die zionistische und nationaljüdische Bewegung in Eng¬ land erfreut Er gab zum Schluß der Überzeugung Aus¬ druck, daß Palästina unter der Ägide Großbritanniens sich zu einem blühenden jüdischen Gemeinwesen entwik- keln werde. Präsident Masaryk antwortete den ihn begrüßenden Herren: „Beide Herren haben in ihren Reden auf mein Ver- hältnis zur zionistischen und nationaljüdischen Bewegung Bezug genommen. Sie wissen, meine Herren, daß ich auf das moralische Moment in dieser Bewegung das größte Gewicht lege. Ich kann Ihnen heute nur wiederholen, daß sich in diesem meinem Verhältnisse zum nationalen Judentums nichts geändert hat. Ich kann nicht einsehen, warum in unserem Staate, in dem schon so viele Nationen leben, uns die jüdische Nation irgendwie hinderlich sein könnte. Ich kann Ihnen versichern, daß ich, wenn ich auf Grund der Verfassung die Möglichkeit dazu haben werde, meine Anschauungen auch auf dem politischen Gebiet ins Praktische umsetzen werde. Auf mich können Sie immer rechnen!" Hierauf nahm der Präsident die Vorstellung der er¬ schienenen Vertreter verschiedener jüdischer Korporal io- nen entgegen. Unterzeichnet. In der ewig denkwürdigen Sitzung vom 23. Juni nai ijeuisciinuiu, juucm cb uh. ^ nung des schändlichsten und gewalttätigsten „Friedens - Vertrages beschloß, das größte Opfer für den Frieden ge¬ bracht, den höchsten Grad von Besonnenheit und Mäßi¬ gung bewiesen; — aber auch der zähnefletschend und beutegierig auf ihre Beute lauernden Entente gezeigt, daß es an seine Zukunft glaubt. Der Unabhängige Haase hat in einem Zwischenruf: „Ein Volk kann nicht zu¬ grunde gehen" gesagt, was sich die Männer, die sich schweren Herzens ihr Ja abgerungen haben, wohl vor. Augen gehalten haben mögen. Ein Volk, zumal, wenn es an sich glaubt, kann nicht zugrunde gehen. Deutschland liegt am Boden, getreten von seinem schlimmsten, ha߬ erfülltesten Feinde, feig bespuckt von jenen Zwergnatio¬ nen, die an seinem Marke, an seiner Kultur großgewor¬ den sind. Aber Deutschland wird wieder erstehen; an¬ ders als zu Wilhelms Zeiten, aber gesund und ungebro¬ chen. — Der Draht meldet, daß Wilson in wenigen la¬ gen Europa verläßt, Deutsch Österreich wird wohl auch bald unterzeichnen, Bulgarien und die Türkei sind schnell abgetan! Was dann, wenn die letzten Bevollmächtigten von Siam und Honduras Paris verlassen haben werden? Wird die Welt in dem alten Geleise weiter gehen; wird das schnelle Sterben dieser fünf Jahre wieder zu dem langsamen Fäulnisprozeß werden, für Menschen, Völker¬ staaten ? Wir Juden der ganzen WTelt, in Ost und West, wir können nicht glauben, daß nun „der Friede gekommen' sei. Sollen wir weiter, halb von Grauen und ohnmach¬ tiger Wut geschüttelt, halb schon abgestumpft, einen Po¬ grombericht nach dem anderen lesen? Kongresse, Par¬ teitage, Büchsensamnueln, soll das weiter gehen, bis die Jungen, Aufgewühlten, Bereiten alt und matt sind — Wenn die anderen, wenn vor allem die hochmögende Entente glaubt, man könne über zertretene Völker und zerbrochene Staaten hinweg zur Tagesordnung, zu wei¬ teren Geschäften schreiten, dann müssen wir selbst zei¬ gen, daß es nicht in dem alten Trott weiter geht. Judi¬ sches Volk, von den anderen um Hoffnungen betrogen, du selbst wird dir deinen Weg bahnen. Auch für dich gilt das Wort. Ein Volk kann nicht zugrunde-gehen. II Berichte. D Linz. Vorstandssitzung der israelitischen Kultusgemeinde. llontag den 30. Juni 19*19 findet um 8 Uhr abends eine öffentliche Sitzung des Vorstandes der israelitischen Kul¬ tusgemeinde statt. Tagesordnung: 1. Erledigung der Ein¬ läute. 2. Bericht der Rechtssektion in Angelegenheit der Konvertierung der Tempelschuld. 3. Bericht des Per¬ sonalausschusses und der Finanzsektion in Angelegenheit der Funktionäre. 4. Eventuelle Anträge. Verlobung. Am Sonntag den 22. Juni 1919 hat sich Frl. Paula Eichner mit Herrn Heinrich Hauptschein, Linz, verlobt. Wels. Vermählung. Am 29. d. M. findet in Wels die Trau¬ ung der Frau Hanna Lewinger, geborene Grabenstein, aus Ried im Innkreis mit Herrn Rudolf Spitz, Kaufmann aus Wels, statt. St. Pölten. Anläßlich der bevorstehenden Neuwahlen in die Kul- tusvorstehuag gab der scheidende Vorsteher Albert Leicht einen bis auf das Jahr 1910 zurückgreifenden Bericht, dem wir vor allem eine eingehende Darstellung des lem- pelneubaues entnehmen. Mit den ersten Vorarbeiten wurde im Herbste des Jahres 1910 begonnen und bereits am IT. August 1913 konnte der nach den Plänen de¬ Architekten Theodor Schreier erbaute Tempel in feier¬ licher Weise unter Beteiligung zahlreicher Deputationen von auswärts und Regierungsstellen eingeweiht werden. Dank dem großen Entgegenkommen von Seite der Stadt- gemeinde St, Pölten und infolge äußerst günstiger Bau platzbeschaffung stellten sich die Kosten auf bloß 141,24o Kronen. Dieser Betrag wurde zum bedeutendsten len* d. h. mit 67.830 Kronen durch Spenden hereingebracht und bloß 45.000 Kronen mußten durch eine Anleihe, du' bei 5 Mitgliedern der Kultusgemeinde aufgenommen wurde, beschafft werden. Der Tempel, der ein SchmucK