Telephon 1225/11. Erscheint jeden Freitag. Redaktion und Administration: Linz, Franz-]osef-Pla£ 29, III. Stock. ~ JODISCHE. NACHRICHTEN Bezugspreise: Monatlich . . K 1.50 V4jährlich . . „ 4.50 Bankkonto bei Pinschof &. Co., Linz. Inserate nach Vereinbarung. für die deutschösterr. Provinz. Nr. 14 Linz, am 9. Mai 9. Ijar 5679 1919 Das Gebot der Stunde. Die Friedenskonferenz in Paris geht ihrem Ende entgegen und so unklar und widersprechend auch die Nachrichten lauten, eines wird der gespannt und hoffend hinschauenden Menschheit zur bitteren Gewißheit, daß das, Avas in Paris vor sich geht, nicht die Wilsonsche Völkerversöhnung ist, sondern, den verschiedenen „Kon¬ gressen" dey früheren Geschichte gleich, schachernde, feilschende, sich gegenseitig mißtrauende Regierungen, die um die Beute raufen. Die große Zeit hat ein nui> vm kleines Geschlecht gefunden. Auch die jüdische Frage wurde auf der Friedens¬ konferenz behandelt, mit vielen schönen Worten, doch wie der Menschheit der ewige Friede aus solchen Händen nicht geboten werden kann, so wird uns unser Land nicht durch sie gegeben werden können. Nicht der Genius der Menschheit, verkörpert in einer Liga der Nationen, wird uns in das Land der Väter zurückführen; ob die yrische Küste französischem Einfluß unterworfen (und damit das jüdische Palästina einem Feisul Pascha aus¬ geliefert werden) soll oder ob die Engländer in Palästina ' inen Korridor über Bagdad nach Indien und eine Flan¬ kensicherung für den Suezkanal (das ganze in Form einer Kronkolonie mit jüdischer home rule etwa) bekom¬ men sollen, darum dreht sich der Streit. Wilson und Balfour wissen, wras uns nottut; ob sie auch die Kraft und den entschlossenen Wrillen zur Hilfe haben werden? . . . Was Wunder, wenn sieh auch bei den Juden ange¬ sichts eines solchen Entwicklungsganges der Friedens¬ konferenz eine gewisse Gedrücktheit und Enttäuschung Weit zu machen droht. Die eben noch glaubten, nicht mlig genug ihr Bündel schnüren zu können, sehen die endgültige Entscheidung wieder in die Ferne gerückt. -Nicht die Lösung der Judenfrage (Erez Israel - Problem U|id Galuth-Problem) bringt die Konferenz, sie schafft Hloß eine neue, — wenn auch realere und vorteilhaftere A usgangssituation. Für die große, schon marschbereite Masse ertönt das bittere, entmutigende Halt. Noch ist das Land nicht bereit, euch alle, die große Masse, aufzunehmen. Wenige Zusende bloß werden jährlich das Land betreten dürfen, Ur*i es in harter, entbehrungsreicher Arbeit bereit zu machen für ihr Volk. Helden, Kulturpioniere, Märtyrer ^trer Liebe zum Volke kann man sie nennen, Auserwählte in jeder Beziehung werden es sein müssen. Aber auch das Volk ist noch nicht bereit. Drum darf uns beim Gedanken des Aufschubes keine lähmende Entmutigung. befallen, sondern der entschlossene Wille zur Arbeit an uns selbst muß alle fertigen. Die eben hinuntergehen wollten, was hatten sie denn mehr, als ihre heiße Liebe und ihren festen Willen? Damit allein kann man kein Land aufbauen. Was fehlt, die Sprache, die Hebräisierung, die Arbeit und die phy¬ sische Eignung, das muß nun nachgetragen werden. Das ist das Gebot der Stunde für jene, die die Zions- liebe im Herzen tragen: reif werden für Erez Israel, das für uns kein utopischer Wunsch, im Gegenteil — das hat die Friedenskonferenz gezeigt — eine nur zu sehr vom Realen abhängige Wirklichkeit geworden ist. Wir wollen das Land als Reales besitzen, mit unseren Händen seinen Boden bebauen, mit unseren Füßen seine Ebenen durcheilen, mit unseren Augen seine heute auch so wilde Schönheit schauen und in seiner Sprache sein Lob singen, drum seien unsere Vorbereitungen ganz real, ganz am Primären haftend. Der simple Erdarbeiter, der schlichte Volksschullehrer, der nüchterne Techniker wird notwen¬ diger sein als der Dichter uiid Philosoph . . . Heute ist Erez Israel — gestehen wir es uns offen ein! — keine Angelegenheit des Volkes, sondern bloß eines Teiles, einer Partei, wie gewisse Kreise es mit einem leisen Unterton der Geringschätzung behaupten. Aber alles, was lebendige Kraft und Zukunftsglaube im Volke hat, muß teilnehmen an der Verwirklichung, Erez Israel muß die Sache des Judentums, nicht der Zionisten werden! Und wenn eine Forderung heißt: Arbeit an un* selbst, so die nächste und nicht minder wichtige: Einig¬ keit! Die Gegensätze, soweit es sich nur um bewußte Juden handelt und nicht um volksfremde Eigenbrödler oder Dreiviertelgetaufte, sind nicht unüberbrückbar, liegen durchaus nicht im Wesentlichen. Auf beiden Seiten all der hemmende Schutt des Mißtrauens und der Mißverständnisse weggeräumt, wird sich bald die Gemeinsamkeit lebendig-werktätig zeigen. Wenn auf der einen Seite alles Chauvinistische, Schroffe und Radikale vermieden oder gedämpft, auf der anderen Seite Ängstlichkeit und Scheu vor der Umwelt, eng-