LMM
Der Inn^Salzachgau
Blätter für Heimatgescfiichte und Volkskunde
14. Jahrgang 1936
Heft 40 der ganzen Folge ^
2. Heft
Geschichte des Augustiner^Chorherrenstiftes Gars am Inn
Von Studienprofessor Dr. Josef Hauser
Von den „Altbayerischen Städten"
Von Dr. Eduard Kriedibaum
Ur- und Vorzeit Bayerns
Von Dr. Eduard Kriedihaimi
Wie alt ist die Wallfahrt Altenburg bei Grafing?
Von Anton Bauer
Eine Heimatschriftstellerin
Bücherbesprechungen
Verlag von Josef Weber
Hirschenhausen, Post Jetzendorf <Obby.)
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Blätter für Heimatgesdhidhte and Volkskunde
Neue Folge des »Iim-Isetigaues«
Mitteilungsblatt des Vereins der Heimatfreunde des
Rupertiwinkels in Laufen und des Heimatbundes Altötting,
Die Zeitschrift ist amtlich empfohlen vom Ordinariate des Erz<*
bistums Mündien und Freising, von der Regierung von Ober«
bayern, von der früheren Regierung von Niederbayern, von den
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Jähriidi erscheinen zwei Hefte und ein Sonderheft
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Josef Weher
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zieher der „Südostbayerischen Heimatstudien" erhalten die einzelnen Bände
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Druck: Midiael Laßteben, Kallmünz <Obpf.)
Nachdruck — auch auszugsweise — verboten I
DA. 1936: 700
Der Inn-Falzachgau
Blatter für Heimatgeschichte u. Volkükunöe
In Verbinüung mit Dr. Wagner/ Karl Lancier
unü Dr. Josef Klemens Ätaüler
herausgegeben von
Josef Weber
Vierzehnter Jahrgang
Heft y? unö 40 öer ganzen Kolge
Hirschenhausen/ Post Jetzenöorf (lSbbg.)
Druck von M. Laßleben/ Kallmünz
v > Alle Rechte vorbehalten. ^
Nachdruck — auch auszugsweise — verböten.
Geschichte öes Augustmer-Lhorherrenstistes
Gars am Inn.
Von vtuöienprofessor Josef Hauser/ Vurghausen.
(1. Fortsetzung.)
Die folgenden Jahrzehnte blieb das Kloster von schweren
Schicksalsschlägen verschont und es konnte sich wirtschaftlich
wieder erholen. Propst Joseph Schmid (1751-1771),
geboren 'i7H in München, war daher in der Lage, Mittel
für die Verschönerung des Gotteshauses aufzuwenden.
Propst zloriöus Kalk 0775—1754).
Denkmünze vom Jahre 1775.
Floridus Falk (1775—1794) aus Kraiburg am Inn^
wurde erst nach einem fünfjährigen Interregnum infolge des
56. Floridus Falk, geb. am 19. Nov. 1745 als ältester Sohn des
Kraiburger Bürgers und Kaufmanns Johann Michael Falk (auch sein
Bruder Firmian war Chorherr in Gars), besuchte die Klosterschule der
Cisterzienser in Raitenhaslach und das Gregorianum in München, legte
am 28. Oktober 1764 Profetz ab und feierte am 14. Januar 1770 sein
erstes hl. Meßopfer. Am 9. Jan. 1775 wurde er zum Propst erwählt.
Eine Bronze-Denkmünze von ihm aus dem Fahre 1775 ist im Besitze des
H. H. Prälaten Dr. M. Hartig (f. obiges Bild).
— 34 —
damals zwischen Staat und Kirche schwebenden Streites wegen
der Prälatenwahlen zum Propst erkoren. Er brachte die von
seinem Vorgänger begonnene Verschönerung der Klosterkirche
zum Abschluß und scheute auch keine Opfer, die dem Kloster
inkorporierten Kirchen in Wang, Stephanskirchen
und Ranoldsberg neu auszustatten. Unter ihm zeigten
sich wieder die düsteren Wolken eines drohenden Krieges zwi-
schen Bayern und Österreich, doch durch den vorzeitigen Frieden
von Teschen (1779) wurde die Gefahr abgewendet. Hingegen
traf den Markt Gars ein anderes Unglück, indem am 19.
Januar 1779 durch einen Brand 7 Häuser und ebenso viele
Nebengebäude eingeäschert wurdenV Doch konnte der Schaden
in Höhe von 21 000 fl in verhältnismäßig kurzer Zeit dank
der Unterstützung durch das Kloster wieder gutgemacht werden.
Zwei Ereignisse von besonderer Art sielen in die Zeit des Prä-
laten Falk. Am 19. Oktober 1777 konnte er den in Haag
weilenden Kurfürsten Max III. Joseph mit seiner Gemahlin
Maria Anna und reichem Gefolge in seinem Kloster begrüßen
und bewirten; es war das eine „Gnad, welche bei Mannes-
gedenken hiesiges Klösterl nicht erfahren hat"^. Fünf Jahre
später, am 26. April 1782, konnte er Zeuge jener geschichtlich
denkwürdigen Begegnung sein, die um die Mittagsstunde in
dem nahen Ramsau zwischen dem von Wien über Altötting—
München—Augsburg nach Rom zurückkehrenden Papst Pius
VI. und dem bayerischen Kurfürsten Karl Theodor stattfand^.
Als Archidiakon war Propst Falk durch seine Milde und
Bescheidenheit bei Klerus und Volk beliebt. Auch das Ver-
trauen seines Erzbischofs und des Kurfürsten genoß er in hohem
Grade. 1793 wurde er als Prälatensteuerabgeordneter berufen.
Während er schon leidend an einer Sitzung der Landstände
in München teilnahm, erkrankte er schwer und starb drei Tage
nach seiner Überführung in das Stift Gars (5. Sept. 1794),
erst 49 Jahre alt.
Die segensreiche Regierung des letzten Propstes Augustin
57. Ein Bild in der Kirche am Ausgang zur Felixkapelle erinnert
an dieses Brandunglück.
58. Vgl. Diarium des Propstes Floridus.
59. Vgl. meine Abhandlung „Das ehemal. Augustiner-Eremiten-Kloster
Ramsau bei Haag" S. 15 (— Südostbayerische Heimatstudien Bd. 2). —
35 —
£) a cfc 11 n g e r60 (1794—1803) wurde getrübt durch die Wir-
ren der napoleonischen Kriege, in denen das Kloster durch
Quartierlasten, Requisitionen, Kontributionen und selbst durch
Plünderungen schwer betroffen wurde, hauptsächlich i. I. 1800
vor und nach der Schlacht bei H o h e n l i n d e n81. Aber nicht
genug damit, der Staat forderte durch Befehl vom Mai dieses
Jahres die Ablieferung aller Pretiosen der Kirche, die nicht zum
täglichen Gebrauch notwendig waren. Indes das ipar noch nicht
das härteste Opfer, das die Zeit von dem Kloster verlangte;
der schwerste Schlag traf es im März 1803 durch das Auf-
hebungsmandat, das ihm nach fast tausendjährigem
Bestand ein jähes Ende bereitete. (Siehe den Abschnitt „Die
Klosteraufhebung".)
Am 2. September 1803 wurden die Klostergebäulichkeiten
einzeln versteigert. Propst Hacklinger kaufte, um in Gars blei-
ben zu können, den Prälatenstock mit seinem eigenen Gelde
60. Hacklinger wurde am 12. Oktober 1755 geboren in Loiderding
(Hs. Nr 72, Bauernhof zum „Sporer"), Pfarrei Irschenberg b. Miesbach.
Er besuchte die Klosterschule in Weyarn und vollendete seine Studien in
München mit glänzendem Erfolge. Auf seinen Ferienreisen kam er, wie
er selbst sagt, nach G.irs, wo es ihm so gefiel, daß er sich entschloß, in
dieses Kloster einzutreten. Am 13. Nov. 1778 legte er die Ordensgelübde
ab, am 10. März 1781 wurde er zum Priester geweiht (Primiz in Irschen-
berg am 29. April 1781); später war er Professor der Grammatik zu In-
golstadt. Am 29. Okt. 1791 wurde er einstimmig zum Propst gewählt.
Das Stift zählte damals 20 Priester, 2 Profeßkleriker und 1 Profeßlaien-
bruder.
61. Einige Daten aus den Diana Garsensia in specie Wangensia von
P. Patricius Ettmüller, welche die Zeitlage beleuchten, seien angeführt:
30. Nov.: Auf den Äbend sind die Franzosen sowohl in Gars als in
Au eingezogen.
1. Dez.: Zu Kloster Au war zwischen 11 und 12 ein starkes Schar-
mützl, wobei die Franzosen retirieren mußten. Nach 12 Uhr wurde der
Markt Gars von den Franzosen schrecklich geplündert. Dienstboten brachten
die traurige Nachricht, daß das Kloster Äamsau in Flammen stünde.
3. Dez.: Alles jenseits des Inns in größter Furcht und Bestürzung.
Die Herren P. P. in Aamsau, deren Kloster schon ganz ausgeplündert wor-
den war, flohen heute alle davon, ihr Leben zu retten. Wohin, kann mir
niemand sagen.
5. Dez.: Die Franzosen in Haag, den ganzen Markt plündernd und
dann bis Haun vorrückend. Beim Straßmeier oberhalb Haag lagen die
Toten aufeinander und das Blut floß bis Haag. In den folgenden Tagen
gewaltige Kontributionen von Geld, Lebensmitteln, Stroh usw.
6. Jan. (1801): In Gars französisches Quartier. Im Kloster speisten
und übernachteten 4 Offiziere, 1 Schreiber, 1 Fahnenjunker und 5 Gemeine.
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Augustin tzacklinger/
der letzte Propst und Archidiakon von Gars (1794—180)).
Gestorben am 19. Februar 18)0
als Generalvikar des Erzbistums München-Freising.
Lithographie von Steingrübel im Kloster Gars.
— 37 —
(um 800 fl). Unter den größten finanziellen Opfern führte er
sein Amt als Arehidiakon noch mehrere Jahre weiter, bis ein
allerhöchstes Reskript vom 28. Februar 1809 die Umwandlung
der bestehenden Archidiakonate in Landdekanate anordnete.
In einer weiteren Entschließung vom 4. Juni 1811 hob die kgl.
Regierung die Archidiakonatsverfaffung vollständig auf und re-
gelte zunächst provisorisch die Dekanatsgrenzen nach den im Ver-
bände der Archidiakonate befindlichen Landgerichtsbezirken.
Da Hacklinger einer wiederholten Weisung des Freifinger
Ordinariates entsprechend feine Funktionen auch nach dem 4-
Juni 1811 noch fortsetzte, zog er sich das höchste Mißfallen der
bayerischen Regierung zu, die in einer Mitteilung vom 22.
Januar 1813 nicht nur feinen bisherigen Ungehorsam aufs
schärfste tadelte, sondern ihn auch mit der provisorischen Si-
stierung seiner Pension bedrohte. Gleichzeitig wurde er beauf-
tragt, das Archidiakonalamtssiegel an den Landrichter von
Wasserburg abzugeben. Seine letzte Funktion bestand darin,
die Archidiakonalakten zu sortieren — einen Teil derselben
verbrannte er — und an das Ordinariat Freifing bzw. Salz-
burg und Paffau abzuliefern. Schließlich wurden am 3. Februar
1813 alle Archidiakone unter Anerkennung der von ihnen ge-
leisteten Dienste ihres Amtes enthoben. Hacklingers Verdienste
wurden kirchlicherfeits im besonderen dadurch belohnt, daß er
1814 als Geistlicher Rat an das Freifinger Generalvikariat
berufen wurde. Als dann durch das Konkordat 1817 das Bis-
tum Freifing zum Erzbistum erhoben und der Sitz des Ober-
hirten nach München verlegt wurde, wurde Propst Hacklinger »
1821 Mitglied des Metropolitankapitels München und 1822
vom neuen Erzbischof Lothar Anselm, Freiherrn von Gebsattel,
zum Generalvikar ernannt, als welcher er am 19. Fe-
bruar 1830 ftarb^. Die Spur von dem ehemaligen Archidia-
konat aber hat sich bis in die Gegenwart erhalten in dem
Dekanat Gars, welches im Jahre 1886 an Stelle des aufge-
lösten Dekanats Babensham „in Erinnerung an den altehr-
würdigen Archidiakonatssitz" errichtet wurdet
62. In der Pfarrkirche Irschenberg bewahren ein von Propst Augustin
Hacklinger gestifteter Barockkelch (mit Wappen des Propstes) und silberne
sehr schön gearbeitete Meßkännchen sein Andenken. Ebenso verkünden die
zwei Glöcklein in der Veitskapelle zu Wilparting Hacklingers Anhäng-
lichkeit an seine Heimat. Vgl. Oberb. Archiv 23 (1863), S. 142.
63. Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising Nr. 25, 1886.
II. Innere Geschichte.
1. Das religiös-kirchliche Leben.
Die Regel des hl. Benedikt stellte in der Forderung des
„ora et labora" den Angehörigen des Ordens eine religiöse und
wirtschaftliche Aufgabe; sie entsprach dadurch in hervorragender
Weise den Bedürfnissen der Zeit, die eine Verbindung dieser
beiden Aufgaben zur Notwendigkeit machten. Dementsprechend
haben sich auch die bayerischen Benediktinerklöster in den ersten
Jahrhunderten ihres Bestehens die größten Verdienste um die
geistige wie materielle Kultur unseres Vaterlandes erworben.
Auch die Mönche der Garser Zelle haben in diesem Sinne ihre
Tätigkeit entfaltet und innerhalb zweier Jahrhunderte beachtens-
werte Kulturarbeit geleistet. Ihr Wirtschaftsgebiet beschränkte
sich nicht bloß auf den Ort Gars, sondern umfaßte innabwärts
auch den Bezirk Mittergars und Grafengars. Die Namen der
Rodungen zu beiden Seiten des Inns, wie Brandstett, Wang,
Ober-, Nieder-, Oster-, Kirch- und Hochreut geben Zeugnis
davon, wie die Mönche der Zelle Gars und der nahen Zelle
Au durch Waldrodungen und Trockenlegung von Sümpfen
urbares Ackerland und Platz für neueWohnstätten zu gewinnen
wußten, wo sie dann Kirchen erbauten und kirchliche Kolonen
ansiedelten. Das von ihnen geschaffeneKolonisationswerk konnte
durch die Ungarneinfälle nicht völlig vernichtet werden, wenn
auch ihre Zellen zeitweise der Zerstörung verfallen mochten.
Die Augustiner setzten in den ersten Zeiten das Werk
der Benediktiner fort, wie aus dem Traditionskodex zu ersehen
ist, bald aber wendeten sie sich entsprechend der besonderen
Aufgabe ihres Ordens der eigentlichen Seelsorge zu. Zunächst
betreuten sie die Orte Gars, Wang, Soyen' und P ü r t e n.
Wegen des letzteren gerieten sie bald mit dem Nachbarkloster
Au in einen langwierigen Streit. Die dortige Kapelle, welche
um 1140 die edle Frau Irmgard, die Gemahlin des Grafen
Kadaloh, dem Garser Stift geschenkt hatte, wurde um 1169
von Erzbischof Adalbert dem Kloster Au zu vorübergehender
Verwaltung „all tempus" übergeben — es war die Zeit, in
1. Vgl. die Anmerkung 15 im Abschnitt I. Die in der Bestätigungs-
bulle des Papstes Lucius III. und in einer gefälschten Salzburger Urkunde
(SUB II, Nr. 411) aufgeführte Kapelle Semen ist in Sogen, Pf. Rieden
b. Wasserburg zu suchen, nicht in Seeon, Gem. Matzbach, wie in der ge-
nannten Anmerkung und auch im Salzburger Urkundenbuch (II, Nr. 411)
unrichtig angegeben ist.
— 39 —
der Kaiser Friedrich Barbarossa gewaltsamerweise seinen Hof-
kaplan Egelolph (Egenolph) zum Propst in Gars ernannte.
Als später nach Verdrängung Egelolphs von den Garser
Mönchen die Kapelle wieder zurückgefordert wurde, der Auer
Konvent aber ihrem Verlangen nicht willfahrte, kam es zu
einem langwierigen Rechtsstreit, in dessen Verlauf sich beide
Klöster päpstliche Besitzbestätigungen zu erwirken wußten, bis
schließlich durch Entscheid des Papstes Innozenz III. Erzbischof
Eberhard II. i. I. 1204 (22. Mai) Pürten dem Kloster Au
für ewig zuerkannte und dem Stifte Gars als Entschädigung
die Kirche Stephanskirchen bei Ampfing mit dem Be-
setzungsrecht nach dem Tode des derzeitigen Inhabers verlieh.
Papst Alexander IV. bestätigte 1261 (10. März) neben den sonstigen
Besitzungen auch die Kirche zu Stephanskirchen mit allen Zu-
gehörungen. Im Jahre 1503 wurde durch Papst Julius II.
(Bulle vom 26. Nov.) unter Bestätigung einer Urkunde seines
Vorgängers Alexanders VI. vom 25. März 1503 die Pfarrei
mit ihren nicht unbedeutenden Besitzungen vollständig dem
Kloster einverleibt und gleichzeitig ihre dauernde Pastorierung
durch einen Vikar aus dem Stiftsklerus angeordnet, nachdem
der bisherige Rektor der Kirche, Christopher Grymm, 1502
resigniert hatte2 3 4. Seit etwa 1480 wurde auch für die Filialkirche
R a n o l d s b e r g , die sich durch ein altdeutsches Gnadenbild
immer mehr zu einer berühmten Wallfahrt emporschwang, ein
Augustinermönch als Provisor bestellt und von Propst Johannes
III. eine tägliche Messe gestiftet. Durch den Freiherrn Leonhard
Franz Simpert Mändl zu Deittenhofen-Steeg (ch 15. Okt.
1723)3 wurde dortselbst am 3t. Januar 1710 ein Benesizium
gegründet, aus dessen Einkünften fortan drei Garser Chorherren
unterhalten wurden^.
Die größte Bedeutung für die Pflege des kirchlich-religi-
ösen Lebens erlangte das Kloster durch die Erhebung zum
Archidiakonat (um 1159). Dadurch wurde es der Mit-
2. Vgl. HStA, Urk. Nr. 10, 11 u. 81; Lit. Nr. 24 u. 25. £ ctg er,
a. a. O. S. 103 ff. 5UB II, Nr. 411; 507; 516; III, Nr. 580 u. 581. —
Mayer-Westermayer, Stat. Beschreibung d. Erzbist. München u.
Freising II, 595. — MB I, Dipl. Mise. IV, V, VI, 6. 65 ff. Meiller,
RAS Nr. 46, 6 181.
3. Ein großes Marmordenkmal desselben in der Kirche zu Ranoldsberg.
4. Der erste derselben, „Primär" genannt, war der eigentliche 0oo-
perator expositus, während die beiden anderen die Mändl'schen Benefizi-
aten hießen. Vgl. St AL, Rep. 108; Nr. 21.
— 40 —
telpunkt eines ausgedehnten Kirchensprengels und zur Leitung
und Überwachung der Seelsorge in demselben berufen. Nach
einem Ausspruche des letzten Propstes von Gars vertraten die
Archidiakone von Gars, Chiemsee und Baumburg Ordinariats-
stelle in unserem Lande, sie waren die Generalvikare des Erz-
bischofs von Salzburg in dem ihnen zugewiesenen Amtsbereich.
Besondere Mittel, ihren amtlichen Einfluß zu betätigen
und die Pflege des religiösen Lebens zu fördern, standen den
Archidiakonen in den Visitationen der Pfarreien und in den
jährlichen Synoden zu Gebote. Wegen der ungünstigen Lage
von Gars am südlichen Ende des Bezirkes fand die Synode
nach Ausweis der vorhandenen Aufzeichnungen in früherer Zeit
gewöhnlich in Mühldorf statt, so von 1499—1551, während
sie von 1600' ab abwechselnd in Gars und Mühldorf abge-
halten wurde; 1624, 1629 und 1630 war sie in Kraiburg,
1652 in Neuötting^.
Soweit die spärlichen Nachrichten aus der Zeit des Mittel-
alters erkennen lassen, haben die Pröpste die mit ihrem Ehren-
amt verbundenen Aufgaben mit größtem Eifer erfüllt. Wieder-
holt haben sie dafür Anerkennung gefunden, indem sie mit
ehrenvollen Missionen betraut wurden, wie z. B. Propst Hein-
rich II. in einem Rechtsstreit des Stiftes Berchtesgaden mit
einem Priester der Diözese Regensburg. Ein Ruhmestitel für
das Kloster und zugleich ein hervorragender Beweis des in
demselben herrschenden ausgezeichneten kirchlichen Geistes war
die Haltung der Mönche zur Zeit des Schismas von 1159
—1177, das zwischen Kaiser Friedrich Barbarossa und Papst
Alexander III. ausgebrochen war. Wie dazumal Salzburg unter
seinen Erzbischöfen Eberhard, Konrad und Adalbert die Seele
deralexandrinischen Bewegungin Deutschland war, so standen auch
die in der Diözese gelegenen Augustinerchorherrenstifte, ebenso wie
die bayerischen (Rottenbuch, Weyarn u. a.), in unerschütterlicher
Treue zur päpstlichen Partei^. Obwohl Gars unter dieser
5. Vgl. meinen Aufsatz „Vom Archidiakonat Gars" (— Heimatbilder,
gesammelte Aufsätze aus der Zeitschrift „Der Jnn-Isengau", Hrsg, von
Josef Weber 6. Heft, 1926, S. 7—13) und die dort aufgeführte Literatur.
6. Vgl. Schmid-t W., Die Stellung der Erzbischöfe und des Erz-
stiftes von Salzburg zu Kirche und Reich unter Kaiser Friedrich I. bis
zum Frieden von Venedig (1177) —Archiv für österr. Geschichte Bd. 34
(Wien 1865), S. 1—144. — Engel p. Ioh., S.C.J., Das Schisma Bar-
barossas im Bistum und Hochstist Freising. München 1930.
— 41
Kirchenspaltung besonders litt, indem ihm der kaiserliche Hof-
kaplan Egelolph als Propst aufgedrängt wurde — immerhin
ein Beweis des Ansehens, das es genoß — ließ es sich in
seiner Anhänglichkeit an den rechtmäßigen Papst nicht wankend
machen. Ebenso bewahrten in den erneuten Kämpfen zwischen
Kaiser Ludwig dem Bayer (i3H—1347) und den Päpsten Jo-
hann XXII. und Benedikt XII., in welchen die Mehrheit der
deutschen Kirchenfürsten auf Seite des Kaisers stände die
Konventualen von Gars der Kirche die Treue. Damals wur-
den von Erzbischof Friedrich allen jenen, welche das „ganz
verarmte" Gotteshaus zu Gars besuchten, einige Ablässe er-
teilt, „weillen zu selber Zeit das Gotteshaus und Kloster ent-
sezliche trangsaalen gellten wegen dem Schihsma, so zwischen
Ludovico Bavaro und dem Römischen Babsten, der ihn für einen
rechtmässig erwählten Kaiser nit erkennen wollte, entstandten
ist; darunter die Canonici zu Gars samt ihrem Prälaten grau-
same Verfolgungen ausgestandten, weillen sie standthaftig dem
Römischen Bapsten anhingen, welches da war Bsnell. XII. ?on-
tificati sui anno 5<c." („Beschreibung des Closters allhier zu
Gars." A.nno 1755). Auch die Durchführung der Kloster-Re-
formen des Nikolaus von Cusa, die auf dem Provinzialkonzil
von Salzburg 1451 (8. Febr.) beschlossen wurden, dürfte in
Gars auf keine Schwierigkeiten gestoßen sein.
Aus eine harte Probe wurde die rom- und kirchentreue
Gesinnung der Mönche in der Zeit der Reformation gestellt.
Der Geist der Verweltlichung unter dem Säkular- und Ordens-
klerus, der damals für die Ausbreitung der lutherischen Lehre
den günstigsten Boden schuf und der sich besonders in der
Übertretung des Zölibatgebotes zeigte, schien sich auch inner-
halb der Mauern des Garser Konventes eingeschlichen zu ha-
ben. Wie in einigen anderen Augustiner-Klöstern des Chiem-
gaues mochte auch dort der Name Luthers einzelnen Konven-
tualen verehrungswürdig^ erscheinen und sie zur Übertretung
7. Auch die Chorherren von Au hielten es mit der kaiserlichen Partei.
8. So schrieb 1521 Staupitz in einem Brief an Luther bezüglich
des Stiftes Herrenchiemsee. — Überhaupt war die religiöse Gärung im
Erzbistum Salzburg unter Erzbischof Matthäus Lang (1519—1540)
ziemlich stark: „es war zu befürchten", sagt Ianssen in seiner Ge-
schichte des deutschen Volkes (4. Bd.), „das ganze Erzstist werde luthe-
risch werden." — Der Chiemseer Bischof Berthold Pürstinger ent-
wirft in seiner Schrift „Onus ecclesiae" (1524) ein düsteres Bild der da-
— 42 —
der Ordensvorschriften verleiten. Dazu kam, daß gerade im
16. Jahrhundert mehrere Pröpste an der Spitze des Klosters
standen, die angekränkelt vom Zeitgeist den Aufgaben ihres
verantwortungsvollen Amtes nicht gewachsen waren und ihr
Kloster nahezu an den Rand des Verderbens brachten. Daß
man sich wiederholt genötigt sah, von auswärts einen Oberen
zu berufen (zuerst Kaspar Leuzenbrunn 1528 und Valentin
Rehm 1533,,dann Michael Wagnereck 1592 und Petrus Mitt-
mann 1620) ist hinreichender Beweis für den Verfall der klö-
sterlichen Zuchtb. Ihren tiefsten Stand scheint dieselbe unter
Propst Georg Hadersberger (1557—1591) erreicht
zu haben, über dessen Regierungszeit ein Salzburger Geschichts-
schreiber folgendes berichtet: „Unter ihm ließ die Zucht in einem
solchen Maße nach, daß sich außer anderm auch das Übel des
„Eigentums" einbürgerte. Die Folge war, daß jeder Priester
sich ein Haus mietete, wo er wollte, und nur der Prälat mit
einigen Jüngeren und jenen, welche den Wochendienst zu ver-
sehen hatten, im Kloster blieb"'". Über dreißig Jahre stand
dieser Propst dem Kloster vor, hinterließ aber aus seinen Kon-
ventualen keinen, der der Insul würdig gewesen wäre. Denn
ein jeder von ihnen — es waren im ganzen nur sechs — war
,,in eruditione schlecht, auch de concubinatu suspekt genug"".
Man mag es bedauern, daß das Kloster von den Stürmen
der Reformationsbewegung nicht unberührt blieb, man vergesse
aber darüber nicht, daß kein einziger seiner Insassen dem alten
Glauben den Rücken kehrte, während doch gerade die Augu-
stinerklöster den Abfall so mancher ihrer Konventualen zu
maligen Zustände und deckt mit größtem Freimut die Schäden der Zeit
auf. D a t t e r e r, Des Kardinals Matthäus Lang Verhalten zur Refor-
mation. Diff. Erlangen 1890. Vgl. Hübner K., Die Provinzialsynoden
im Erzbistum Salzburg, Gotha 1809.
9. Hager schreibt anläßlich der Abdankung des Propstes Sebastian
Paltram (1328): Nec solutn calamitas pulsabat collegium Carsense, verum
et totam Dioecesin. Garsenses itaque compulsi alienam implorare manum
ac fortiorem praesertim cum Lutheri factiones totam infestabant Germa-
niam usw. (a. a. O. S. 132).
10. Mezger, ttlstoria Salisburgensis . . . Salisburgi 1692, pag. 1240.
Er folgt hier offenbar dem Chronisten Hager, der im Anschluß an ein
Urteil des Propstes Petrus Mittmann in gleichem Sinne über die Locke-
rung der klösterlichen Observanz unter diesem Propste berichtet (a. a. O.
S. 141).
11. So heißt es in einem Bericht zur Neuwahl eines Nachfolgers. Vgl.
Lit. Nr. 61, Bd. 1, toi. 7 und Hager a. a. O. S. 143.
— 43 —
beklagen hatten^. Das verdient um so mehr Anerkennung, da
in der nächsten Umgebung von Gars eine starke, wenn auch
nur vorübergehende Abfallsbewegung zum Luthertum zu be-
merken war. So verließ der letzte Graf von Haag, Ladislaus
von Fraunberg, den Glauben seiner Väter und führte alle seine
Untertanen der neuen Lehre zu". Desgleichen war der Herz-
heimer Jordan in Salmanskirchen ein begeisterter Anhänger
Luthers und auch Freiherr von Törring in Tüßling stand eine
zeitlang im Banne des neuen Evangeliums. Auch in den Orten
Wasserburg, Kraiburg, Ensdorf und Oetting machten Agita-
toren der lutherischen Bewegung von sich reden.
Die Schäden des Reformationszeitalters wurden dank der
energischen Amtsführung der zwei folgenden Pröpste, die beide
aus dem Chorherrenstifte Baum bürg postuliert wurden, in
kurzer Zeit wieder ausgeglichen. Mit ihnen zog ein neuer mön-
chischer Geist im Garser Konvent ein, der nicht mehr aus dem-
selben weichen sollte. Wohl konnte Michael Wagnereck
(1592—1620) die finanziellen Schwierigkeiten nicht sogleich über-
winden, doch ging er mit starker Hand an die Erneuerung der
Klosterzucht, indem er seine Kanoniker wieder ins Kloster zu-
rückführte und sie nach den Vorschriften der Ordensregel zu
leben zwang. Mit größtem Eifer setzte sein Nachfolger Petrus
Mittmann (1620—1643) das Werk der Reform fort und
führte es zum glücklichen Abschluß. Als Mann von strengster
Selbstzucht und fast heiligmäßigem Lebenswandel verlangte er
auch von seinen Untergebenen die gewissenhafte Erfüllung der
durch die Regel vorgeschriebenen Obliegenheiten. Mit unerbitt-
licher Strenge überwachte er den sittlichen Wandel des ihm
unterstellten Archidiakonatsklerus und entfernte alle, die sich
dem Zölibatgebot nicht fügen wollten, aus seinem Gebiet".
Seine hervorragenden Eigenschaften gewannen ihm bald die
Gunst bedeutender Männer seiner Zeit. Ferdinand, Herzog von
Bayern, Fürstpropft von Berchtesgaden" und Kurfürst von
12. Im nahen Kloster Au siel der Propst Abraham Kronberger
zum Protestantismus ab. Er wurde 1581 abgesetzt und flüchtete nach Ungarn.
13. Vgl. S ch l ereth-W eb er, a. a.O. S. 45 ff.
14. „Tantum profecit, ut inolitum ex Lutheri reliquiis concubinatum
Ecclesiasticorum penitus ex Ardiidiaconatu suo araplissimo eliminarit,
eradicarit, extirparit." Hager, a. a. O. S. 176.
15. Diesem stand er bei der Reform seines Klosters zur Seite (vgl.
Martin Frz., Berchtesgaden, die Fürstpropstei der regulierten Chorher-
— 44 —
Köln, dessen Vetter Wilhelm von Wartenberg, Bischof von
Osnabrück, Veit Adam von Geebeck, Bischof von Freising,
Johann Christoph, Graf von Lichtenstein, Bischof von Chiem-
see, und der spätere Kurfürst Maximilian von Bayern standen
mit ihm in Briefwechsel^. Die höchste Anerkennung seines vor-
bildlichen Wirkens wurde ihm zuteil, als ihm von Erzbischof
Paris, Grafen von Lodron, durch Schreiben vom 3. Sept.
bzw. 10. Okt. 1622 das Amt eines Generalvisitators aller
Augustinerstifte des Salzburger Erzbistums übertragen wurde.
Mit dem Eifer eines wahrhaft apostolischen Mannes machte
er sich an die Erfüllung dieser nicht immer leichten Aufgabe;
die Früchte seiner unverdrossenen Arbeit zeigten sich bald in
einem allgemeinen Wiederausblühen des religiösen Lebens in
den seiner Aufsicht unterstellten Klöstern; für Gars im beson-
deren bedeutete sein rastloses Schaffen den Beginn einer neuen
Blütezeit, die bis zur Aufhebung des Stiftes andauerte. Als
er 1643 die Bürde seines Amtes freiwillig niederlegte, konnte
er das mit froher Zuversicht für die Zukunft tun; denn sein
Nachfolger wurde der unter seiner geistlichen Führung heran-
gewachsene, mit vorzüglichen Gaben des Geistes und Herzens
ausgestattete Dekan Ubald Mayr, dem nach den schweren
Heimsuchungen des Jahres 1648 der noch größere Athana-
sius Peitlhauser folgte (1648—1698).
Die Acta Capitularia aus dieser Zeit" geben lautes Zeug-
nis von dem unermüdlichen Streben dieses Mannes, seine
Propstei auf der Höhe ihres Ruhmes zu erhalten. Welches
Ansehen das Stift um diese Zeit als vorbildliche Pflegestätte
klösterlichen Geistes genoß, erhellt aus der Tatsache, daß viel-
fach Garser Mönche von anderen Klöstern als Reformatoren
erbeten wurden, so von Au (Augustin Erz, Dekan 14- 8. 1642),
von Högelwörth (Gregorius Magius 1641/42 und Anianus
Mareis 1692/93), von Herrenchiemsee und Berchtesgaden (Ar-
senius Glöggl, Vizedekan 1642), von Rottenmann in Steier-
mark (Basilius Theobald, Dekan von 1659—1662). Vom Chor-
stift Suden bei Schärding, wohin schon 1471 Erasmus Werder
ren. Augsburg 1923, S. 17.— L i n s e n m a y e r A., Reformversuche im
Chorstifte Berchtesgaden im 17. und 18. Jahrhundert (Reinhardstötter,
Forschungen zur Geschichte Bayerns. Berlin 1901. IX, 117 ff.).
16. Vgl. Ord. Archiv, Bd. 1348; 1360 ff.; H a g e r , a. a. O. S. 168 ff.
17. Ord. Archiv, Bd. 1383, umfassend die Zeit von 1652 (24. Mai) bis
1661 (4. Nov.) und von 1672—1736.
45 —
als Propst berufen worden war, wurde 1679 Chryfostomus
Hager als Dekan postuliert, welchen Ruf er aber ausschlug;
ebenso wurde vom Domstift Gurk 1628 und drei Jahre später
von St. Florian ein Religiöse aus Gars verlangt.
Eine Tat des Propstes Peitlhauser mochte vor allem zur
Förderung des religiösen Lebens in seinem Archidiakonat bei-
getragen haben: es war die Übertragung der Gebeine des hei-
ligen Märtyrers Felix aus den Katakomben der hl. Priszilla
in Rom. Diese waren i. I. 1672 nach der damals salzbur-
gischen Stadt Mühldorf gebracht worden, von dort wurden
sie am 8. Juli 1674 in feierlicher Prozession über Au nach
Gars überführt und am 7. Juli des folgenden Jahres auf
dem Altare der Felixkapelle unter großen Feierlichkeiten zur
öffentlichen Verehrung ausgesetzt. Auf Verwendung des Prop-
stes in Rom wurde das Fest des Heiligen auf den ersten
Sonntag nach dem Feste des hl. Ulrich (anfangs Juli) angesetzt
und zugleich ein vollkommener Ablaß für dieses Fest gewährt.
Dadurch wurde Gars zu einem Wallfahrtsort für die Gläu-
bigen der Umgebung. Noch heute bezeugen die vorhandenen
Votivtafeln, daß das Vertrauen des gläubigen Volkes zu dem
Heiligen durch zahlreiche Gebetserhörungen belohnt wurde ’8.
Das Ansehen, das auf diese Weise das Garser Stift durch
seinen bedeutendsten Propst gewonnen hatte, wurde unter sei-
nen trefflichen Nachfolgern nicht nur nicht geschmälert, sondern
noch wesentlich erhöht. Obwohl unter ihrer Regierungszeit in-
folge mancherlei Kriegsunruhen das Kloster harte Prüfungen
zu bestehen hatte, gelang es ihnen, den guten Ruf desselben
nach allen Richtungen zu fördern, nicht zuletzt durch strenge
Handhabung der klösterlichen Zucht und Pflege der Religiosi-
tät. Die stete Zunahme der Mitgliederzahl ist das beste Zeug-
nis dafür, daß im 18. Jahrhundert wohlgeordnete, gesunde
Zustünde im Garser Kloster herrschten. Als dasselbe unter dem
18. Zimmermann I. A. schreibt in seinem „Chur-Bayrisch Geist-
lichen Calender" 3. T. Rentamt Landshut (München 1752) S. 451: „Es
ligt allhier in einer absonderlichen Capellen der Leib des wunderthätigen
H. Märtyrers Felicis, so von der gantzen Pfarr Gars, und umligender
Nachbarschafft für einem sonderbaren Nothhelffer in allerhand Zufällen
gehalten, und hoch verehret wird: dessen Translation Fest alljährlich am
Sonntag nach St. Ulrich unter Zulauff einer Menge Volcks Hochseyrlich
begangen wird."
— 46
tatkräftigen Propst Augustin Hacklinger in höchster Blüte stand,
traf es das Los der Auflösung.
Noch ist zu erinnern an die Konföderationen oder Gebets-
verbrüderungen, die mit ein Gradmesser für den Stand
kirchlichen Lebens in einem Kloster waren^. Die Augustiner
von Gars standen mit etwa 60 anderen Klöstern in Gebets-
gemeinschaft. Diese machte es ihnen u. a. zur Pflicht, daß für
die Übersendung einer Totenrotel jeder Priester eine Messe las
und die Jüngeren dabei das Totenoffizium oder einen Rosen-
kranz beteten. Solche urkundlich nachgewiesenen Verbrüderun-
gen bestanden mit Seeon (1298), Au (1358), Altenhohenau
(1391), Högelwörth (H07), St. Zeno (1407), mitRamsau und den
übrigen Klöstern der Augustiner-Eremiten (1425), St. Michael in
Südtirol (1445), Rott (1449), Rohr (1449), Rottenbuch (1449),
St. Andreas irrt Lavantal (1455), Neustift bei Brixen (1457),
St. Georg in Augsburg (1478), Straubing (1482), Seckau in
Kärnten (1495), Berchtesgaden(1497),Beyharting(i503), Ossiach
in Kärnten (1517), Pöllau in Steiermark (1530), Scheyern
(1683), Rebdorf (1712), Andechs (1749), St. Nikola in Passau
(1770). (Fortsetzung folgt.)
19. Diese Gebetsverbrüderungen waren im allgemeinen nach
4 Stufen bestimmt und je nachdem richteten sich auch die Gebetsverpflich-
tungen. So mußte für die verbündeten Klöster 1. Klasse jeder Priester
jährlich einmal eine Messe lesen, für die Klöster der 2. Klasse wurden irrt
ganzen nur 3 Messen gelesen, für die der 3. Klasse nur 2 Messen, für
die der 4. Klasse wurde die Art der Gebetsverrichtung jedem einzelnen
überlassen. — An die verbündeten Klöster wurden auch die Totenbriefe
(Röteln) geschickt. In Gars begann zuerst Propst Sebastian Paltram
(1516—1528) mit der Versendung der Röteln. Vgl. Hager, a.a.O. S.
130. In Lit. Nr 31 sind uns die Totenroteln von 1691—1802 erhalten.
Von Öen Altbagertschen Ätaüten .
Gedanken zu Üem Vae>erlanöheste (Kr. \6 des Jahrgangs 191$)
Mir entstand die altba^erische Äadt? " von Dr. Alois Elsen.
von vr. me6. imö phil. EÖuarÖ Nrlechbaum/ Sraunau am Inn.
Die Verdienste der illustrierten Halbmonatsschrift „Das
B a y e r l a n d" um die Erforschung und Darstellung der baye-
rischen Städte sind so bedeutende, daß man mit Fug und Recht
behaupten kann, kein anderes deutsches Land hat Gleichwertiges
hinsichtlich Text und Bild der gesamtdeutschen Städte-
kund e geliefert. 2n den Einzelheften „Bayerische Städter-
bilde r" wird immer jeweils eine bestimmte Stadt und zwar
sehr oft auch> eine Kleinstadt, die bislang kaum Beachtung
fand, im Hinblick aus geographische Lage, künstlerisches Stadt-
bild, politische- und insbesonders Wirtschaftsgeschichte derart
liebevoll von den besten Ortskennern geschildert, daß der Leser,
der ein Freund der heimatlichen Geschichte ist, in sich den star-
ken Drang verspürt, dieses Städtchen (etwa Friedberg, Nab-
burg oder Lindenberg) sobald als möglich kennen zu lernen.
S a m m e l b ä n d e des „Bayerland" fassen dann weiterhin
mehrere „S t ä d t e b i l d e r" zu einem umfangreicheren und
dabei erstaunlich billigen Bande zusammen. Da die Zeitschrift
aus den Gesamtstaat Bayern übergreift, finden wir so baju-
warische, fränkische, schwäbische, ja selbst thüringische Stammes-
gebiete in ihren städtischen Siedlungen besprochen. Nachdem
schon im Jahrgange 1932 ein allsgezeichnetes Heft „Die frän-
kische Stadt" herausgebracht wurde, künden wir mit be-
sonderer Freude das Heft über die alt b a y e r i s ch e (b a j u -
w arische) S t a d t an.
Vielleicht fällt A. Elsens Arbeit: „W i e ent st and die
altbayerische Stadt" etwas aus dem Rahmen der älte-
ren Städtehefte heraus. Das Heft ist als Ganzes betrachtet keine
ganz leichte Lektüre. Zumal da auch ausführlichere Literatur-
hinweise fehlen, sind zu einer gründlichen Erfassung öfters
tiefergehende Geschichtskenntnisse notwendig. Die Arbeit bringt
eine Reihe neuer Gedanken, der Untertitel spricht mit vollem
Rechte von Forschungen, welche die Heimatkunde neu beleben
wollen. Ausgezeichnete Bilder, Flugzeugaufnahmen, Stadtpläne
und Kärtchen geben schon an und für sich vielfache Anregungen.
Natürlich wird der kundige Leser da und dort ein Fragezeichen
— 49
anbringen ober einen leisen Widerspruch erheben. Das- ist aber
bei jeder anderen Arbeit, welche historische oder geographische
Typen herausarbeitet, auch der Fall. Genau betrachtet ist doch
jede Stadt etwas einmaliges und das Zusammenwirken der
verschiedenen Faktoren der Natur, der Siedlungstechnik) der
Wirtschaft, des künstlerischen Könnens formt immer wieder neue
Bilder.
Wollen wir vorerst beim Titel der Arbeit etwas verweilen.
Elsen gibt mehr als er verspricht, wenn er sich vornimmt von
der „Entstehung" der Städte zu sprechen. Die noch vor
wenigen Jahren wichtige Frage: „Sind die Städte allmählich
entstanden oder mehr oder minder planmäßig von Stadtherren
begründet worden?", wird für Altbayern dahin gelöst, daß
den welfischen und wittelsbachischen Herzögen die Vorliebe für
bestimmte Grundrißtypen zugeschrieben wird. Dabei wird aber
nicht nur vom ersten Entstehen gesprochen, sondern vor allem
mit den Beispielen München und Regensburg an der Hand
von Plänen gezeigt, welche Kräfte im Laufe mehrerer Jahr-
hunderte an der Weiterbildung der Städte beteiligt waren.
Die Topographie der alten und neuen Hauptstadt Bayerns
steht zwar in knappen Umrissen, aber sehr lebendig vor uns.
Manches alte Märchen wird zerstört.
Elsen geht in seiner Arbeit auch über den Rahmen
A l t b a y e r n s hinaus. Zwar ergreift er nicht die mir ver-
lockend erscheinende Möglichkeit, die anderen altbajuwarischen
Gaue so die Oberösterreichs, Salzburgs und Tirols in seine
Studien einzubeziehen aber gegen Westen, nach den schwä-
bischen Stammesgebieten hin, zieht er nirgends scharfe Gren-
zen. Einen leisen Widerspruch erregte in mir nur der Untertitel
„K un st g e s chi ch t l i ch e Forschung e n". Um dieser Benen-
nung gerecht zu werden, dürfte der G r und riß der Stadt
nicht so stark beherrschend in den Vordergrund gestellt werden,
sondern wir müßten über die Beziehungen von Stadt und
Landschaft, über den Aufriß der Stadt d. h. über die Formen
der Stadthäuser, der Plätze und Straßen, sowie der dominanten
Gebäude etwas mehr erfahren. Gerade für den Kunsthistoriker,
der auf das Ganze schaut, ist im heutigen Stadtbilde doch eigent-
lich nur Regensburg eine romanische Stadt — Salzburg und
Passau z. B. in ihren geistlichen Teilen barocke, in den bür-
gerlichen Straßenzügen teilweise gotische Städte.
Dafür erfahren wir aber zu Fragen der politischen und
— 51
Wirtschaftsgeschichte der altbayerischen Städte viel mehr als
der Titel verspricht. So wird der Kampf zwischen den Wittels-
bachern und den geistlichen Fürsten (z. B. Salzburger Erz-
bischof, Regensburger Bischof) weitgehend gewürdigt und den
wichtigen Ost-Weststraßen eine eingehende Betrachtung gewid-
met. Wir sehen nicht nur die altbayerischen Etappenorte zwischen
Nordfrankreich und Byzanz, sondern wir werden besonders auf
die je eine Tagreise voneinander entfernten Raststationen der
Salzstraße: Reichenhall-Bodensee genauestens aufmerksam ge-
macht. Wasserburg, München, Landsberg am Lech, Memmingen
und Ravensburg werden auf den einen oder anderen ge-
meinsamen Nenner gebracht. Neben diesen Ost-Weststraßen wer-
den aber vielleicht doch wieder die Süd-Nordstraßen, vor al-
lem die Ausstrahlungen der Brennerstraße in Süddeutschland
etwas vernachlässigt.
Von den bedeutenden Ergebnissen der Arbeit Elsens kann
ich hier nur einiges herausgreifen:
Nach der zeitlichen Schichtung unterscheidet Elsen
drei Städtegruppen:
1. die Bischofsstädte, welche schon vor dem Jahre 1150 ihren
Stadtcharakter besaßen,
- 2. die Städte der H o h e n st a u f e n z e i t, welche von dem
Welsenherzoge Heinrich dem Löwen und den ersten Wit-
telsbachern Ludwig I. und Otto II. zwischen den Jahren
1150 und 1250 gegründet wurden, also in die romanische
Bauperiode fallen.
' 3. die eigentlichen W i t t e l s b a ch e r st ä d t e, die nach dem
Jahre 1250 zumal unter Ludwig dem Strengen (1253—
1291), somit in der frühgotischen Zeit erbaut wurden.
. Bei der ersten Gruppe, den Bis ch o f s st ä d t e n, bildet
der alte Dom das Herz der Stadt. Später entstanden in seiner
Umgebung Bischofs- und Domherrenhöfe. Die Burg- und Wehr-
bauten der Bischofsstädte (behandelt werden Regensburg, Frei-
sing, Salzburg und Passau) wurden des öfteren erst später
aufgeführt. Im ganzen finden wir bei diesen Bischofsstädten
keinen einheitlichen Grundriß, oft, wie bei Regensburg, tritt
das alte Römerlager noch deutlich in der Bauführung in Er-
scheinung.
Zu den wichtigsten Ergebnissen kommt Elsen auf Grund
genauer Stadtplanstudien bei der zweiten Gruppe, den Stau-
— 53 —
fern-, Welfen- oder „romanischen" Städten. Bei
diesen ist nicht nur die Burg als älteste Wehranlage ganz auf den
Schutz eingestellt^ sondern auch die neugegründete Stadt hat in
der Regel den Grundriß eines Kreises oder Ovales mit elnem
kleinen Platz im Zentrum. Zwischen der Burg und der „Rund-
lings" -Stadt zieht sehr oft die große Fernverkehrsstraße
durch. Dieser Stadttypus findet sich vor allem an der alten Salz-
straße der Welfenzeit so in Wasserburg, München, Landsberg
aber auch in Cham usw.
Erst bei der dritten Gruppe werden der große langgestreckte
Straßenmarkt, der rechteckige Stadtgrundriß und die
Hauptstraßen, die sich im Coordinatensystem kreuzen, für das
Stadtbild bestimmend. Bei manchen Städten dieser Art wie bei
Kelheim und etwas abgeändert bei Landshut waren nach Elsen
Burg, Rundlingsstadt und zwischen beiden durchführende Fern-
verkehrsstraße Vorläufer der jüngeren „frühgotischen" Stadt-
grundrisse. Während beim Rundling die Schutzfunktion beherr-
schend in den Vordergrund tritt, sind beim Ouadrat- und Recht-
ecksystem die Verkehrsstraßen in die Stadt selbst einbezogen, die
Verkehrsstraße wird dann Straßenmarkt. Rach dem zeitlich-
historischen Einteilungsprinzipe richtet Elsen seine
Aufmerksamkeit auf einen r ä u m l i ch ^ g e o g r a p h i s ch e n
Faktor, auf das Wandern der Städte. An einer langen
Reihe von Beispielen (Straubing, Schongau, Cham, Erding,
Rabburg, Reuötting usw.) kann Elsen nachweisen, daß die ent-
sprechende „Altstadt" eine andere Lage hatte, als die von den
Wittelsbacher Herzögen begründeten „Neustädte". Wir können
somit sehr häufig Stadtverlegungen beobachten, die fast immer
in einem Wechsel der Grundherrschaft begründet sind.
Von einzelnen Städten und Städtegruppen werden, wie
schon erwähnt, München,,Regensburg und die an Oberschwaben
angrenzenden Städte eingehend gewürdigt. Hier sollen nur dem
Charakter der Zeitschrift „Inn-Salzachgau" entsprechend die
Städte zwischen Salzach und Inn kurz gestreift werden.
Wir stehen dabei in einem Gebiete, in welchem jahrhun-
dertelang eine starke Spannung zwischen dem Salzburger Erz-
bischöfe und dem bayerischen Herzoge vorhanden war. Auch die
neue Einteilung, welche Reichenhall zu Bayern und Hallein
zu Salzburg brachte, behob keinesfalls die Gegensätze. Auf
der einen Seite waren die Städte des salzburgischen Erzbi-
schofs: Laufen, Tittmoning und Mühldorf; dem
DORF
Mühlöorf auf öer Lanökarte.
bayerischen Herzoge hingegen war das Städtedreieck Neuöt-
ting, Braunau und Burghausen untertan. Jede dieser
sechs Städte erfährt durch Elsen eine klare, knapp umrissene
Schilderung. Bei Lausen werden der romanische Turm und
die beiden romanischen Portallöwen im Dechantshofe erwähnt;
ferner wird aus der Führung der Hauptstraße nach der Pfarr-
kirche auf die frühe Entstehung dieser ostbayerischen Stadt ge-
55 —
schlossen. Vielleicht könnte man dazu für heute anfügen, daß
durch die Verlegung des Marktes Altoberndorf nach Reuobern-
dorf eine Verschiebung in der Wertung der beiden Marktplätze
Laufens eintrat. Heute ist der alte Verkehrsknoten der Stadt,
der Rupertusplatz, ein stiller Winkel geworden, während der
Marienplatz durch die 'neue nach Reuoberndorf führende Brücke
auflebte. Bei Tittmoning nimmt Elsen gegenüber Martin
an, daß der große Straßenmarkt erst nach der Fehde mit Kaiser
Ludwig von Payern (nach 1327) ausgebaut wurde. Auch des
einst bestehenden Wachturms als städtischen Hoheitszeichens wird
gedacht. Einen solchen finden wir heute noch in Straubing,
Deggendorf etc., es bestand aber keiner, wie angegeben wird,
in Braunau. Das Salzburgertor schloß hier immer den Straßen-
markt südlich ab; der Platz selbst hatte keine Einbauten.
Für die Annahme einer bischöflichen Burg zu Mühl-
dorf am rechten Innufer wäre wohl ein Beleg zu bringen.
Altötting und Ranshofen werden richtig als die Vorläufer von
Reuötting und Braunau angeführt. Aber die Beziehungen der
Wittelsbacherstädte: Burg H ausen, Braunau und Reu-
ötting versuchte ich in meinem Heimatbuche „Hüben und Drü-
ben" erdkundliche und geschichtliche Faktoren möglichst in Ein-
klang zu bringen.
Die Pfalz zu Ranshofen wurde nicht im Jahre 1342, son-
dern hundert Jahre früher von Pafsauer Kriegsleuten zerstört.
Die Pltstadt Braunau liegt nicht östlich, sondern nördlich der
St. SLephanskirche. Eine Herzogsburg in Braunau ist nicht
sicher nachzuweisen; Schiffmann vermutet, daß die Pfalz zu
Ranshofen noch in irgend einer Form bis zum Landshuter Erb-
folgekriege weiter bestand. Doch konnte die Altstadt Braunau
im Sinne Elsens als ein.Rundling, an welchem die Haupt-
straße außen vorbeiführte, gedeutet werden. All diese kleinen
Fragezeichen und Richtigstellungen nehmen der Arbeit Elsens
nichts von ihrem Werte. Diese hat wieder einmal an klaren
Beispielen herausgearbeitet, daß, bei allen Siedlungsstudien
geschichtlicher Art Schutz und Verkehr, Mauerring und Stra-
ßenmarkt in gleicher Weise berücksichtigt werden müssen. Jede
Form hat eingehend auf ihre Funktionen hin geprüft zu wer-
den, denn im Laufe der Geschichte gab es einen bunten Wechsel
bald von Formen, dann wieder von Funktionen. Wenngleich
der Grundriß, einer Siedlung ein starkes Beharrungsvermögen
in sich trägt, so ist er doch auch immer wieder kritisch zu prüfen.
— 57 —
In diesem Sinne ist der „romanische" Rundling der Welfen-
stadt mit der Fernverkehrsstraße zwischen Burg und „Rund-
lingsstadt" ein wichtiges Siedlungsgebilde) neben dem wir
freilich des öfteren auch wieder die andere Formengruppe:
Burg, unmittelbar angrenzender Burgort (suburbium) und zum
Straßenmarkte verbreitete Hauptstraße finden. Ich möchte schließ-
lich jedem Heimatfreunde die Lektüre von Elsens Arbeit wärm-
stens empfehlen. Die Heimatkunde unseres schönen altbaierischen
Landes „hüben" und „drüben" von Salzach und Inn wird da-
durch zu neuartigeren städtekundlichen Forschungen angeregt
werden.
IVuellennachweis öer Aübilöungen: Die Bilder auf S. 50, 54 und 56
sind dem Bayerlandhefte Nr. 16, Iahrg. 1935, die Bilder auf S.
48 und 52 dem Buche „Hüben und Drüben, Landschaft und
Städte an Inn und Salzach" von Dr. Eduard Kriechbaum ent-
nommen. Dem Bayerlandverlag und dem Verlag Knorr & Hirth, beide
in München, sei für die Überlassung der Bildstöcke herzlichst gedankt.
Ar- unö Vorzeit Bayerns.
Ane Buchbesprechung'.
Von Dr. med. unö phil. Eöuarü krlechbaum/ Braunau.
Der Verlag Knorr & Hirth, München hat sich um die
Landeskunde sowie um die Heimatgeschichte Bay-
erns schon seit Jahrzehnten überaus große Verdienste erworben.
Kaum irgend ein Territorium im Bereiche des deutschen Volks-
'bodens verfügt über eine derart ausgezeichnete Reihe von
Werken, wie das Land Bayern in dieser Heimat bücher-
R e i h e.
. Zwei Bände von F. Münichsdorfer führen uns in überaus
anschaulicher Weise über die Geologie und über die Bodenkunde
Bayerns zu den Grundlagen jeglicher Siedlungsgeschichte. Zwei
weitere Bände von B. Eberl zeigen uns, wie man aus dem
derzeitigen Ortsnamenbestande weitere Hilfen für das Ver-
ständnis der Siedlungen erhalten kann.
In dieses hervorragend fundierte siedlungskundliche Ge-
rüste fügen sich als einzelne Bände F. Wagner, Die -Römer
i) Dr. Ferdinaud Birkner: Ur- und Vorzeit Bayerns. 215 S. mit
42 Abbildungen, 450 Figuren und 20 Kunstdruck-Tafeln. München 1936,
Knorr und Hirth. Geheftet AM. 5.80. Leinen AM. 6.90.
— 58
in Bayern und Karlinger-Ritz, Bayerische Kunstgeschichte ein.
Das jüngst erschienene Werk ll r * und Vorzeit Bay e rns
von Dr. Ferdinand Birkner, dem verdienstvollen Di-
rektor i. R. der vor- und frühgeschichtlichen Staatssammlung
in München, schließt nun die Lücke zwischen der „Bodenkunde"
Und der „Römerzeit" und rundet so das überaus wertvolle
Heimatwerk des Münchener Verlages zu einem immer ge-
schlosseneren Ringe. Es ist heute für einen Lehrer der Heimat-
kunde auf irgend einer Schule Bayerns schlechterdings unmöglich,
nicht im Besitze der ganzen Bücherreihe zu sein. Hier liegt
nämlich tatsächlich ein deutsches, ein völkisches Werk ersten
Ranges vor. Auch gibt die wissenschaftliche Gründlichkeit all
dieser Werke jedem Heimatforscher ausgedehnte Literaturnach-
weise für weitere Studien. Dabei bleibt keines der Bücher im
Einzelnen, Kleinen stecken, sondern führt immer wieder zum
Großen und Ganzen.
Als Österreicher bedauert man bei all diesen Bänden nur,
daß sie auf den immerhin etwas künstlich gefügten Staat Bayern
(mit Franken und Schwaben) und nicht auf die Ratur-
ei n h e i t des b a j u w a r i s ch e n Stammes aufgebaut sind.
Dann wären Oberbayern, Niederbayern, Oberösterreich, Salz-
burg und Tirol die Kernlande — die Böhmerwaldgebiete samt
den Vorlagen, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten die
Markenlande. Die überaus große Bedeutung des Baiernstammes
im Rahmen unseres deutschen Volkes käme dann noch viel
stärker zur Geltung. Wer wie ich seit einem Vierteljahrhundert
in Braunau an der ganz jungen Inngrenze lebt und „Hüben
und Drüben" mit der gleichen Liebe erforscht hat, der empfindet
in wissenschaftlichen Arbeiten derlei Grenzen immer als höchst
störend. Inn und Salzach waren beinahe das Rückgrad der
Heimat der Bajuwaren, die ursprünglich zwischen Lech und
Enns lag.
Aber im Rahmen des künstlich geschafsenen und nur etwas
über hundert Jahre alten Staates Bayern gibt uns F. Birk-
ners Werk ausgezeichnete Aufschlüsse. Ein großer Wert des
Buches besteht einmal darin, daß die sehr vollständig ange-
führten Fundstellen auf geo- morphologische Karten einge-
tragen sind. Dadurch werden wir immer angeregt, die älteste
Besiedlung unserer Heimat, die zur Hauptsache nach der Eiszeit
stattfand, in Beziehung zu Gesteinsunterlagen, Bodenbeschaffen-
heit und Vegetationsbild (Wälder, Eichen-Parkwälder, Steppen-
— 59 —
Heidegebiete) zu setzen.
Wenn uns F. Birkner von der älteren Steinzeit bis zur
'jüngsten Eisenzeit führt, dann lernen wir aber nicht allein
die Funde in zahlreichen Bildern kennen, sondern der Ver-
fasser lehrt uns in seiner vorsichttg tastenden Art von den
Funden aus Ton, Kupfer, Bronze, Eisen etc. zu den Sied-
lungsplätzen, zu den Begräbnisstätten zu schauen und das
wechselvolle Wirtschaftsbild zu verstehen. Bald tritt der Acker-
bau, dann wieder, teilweise klimatisch bedingt, die Viehzucht
in den Vordergrund. Auch der Handel, ebenso das Gewerbe
(Töpferei, Eisen- und Kupfer- sowie Salzgewinnung) erfahren
eine eingehende Würdigung.
So bekommen wir tatsächlich für jede der vor- und früh-
geschichtlichen Kulturperioden ein recht anschauliches Bild der
Kultur der Bewohner. Dabei werden uns Lücken keineswegs
verschwiegen. Was man sich bisher mühsam und in Stückwerk
aus dem „Bayerischen Vorgeschichtsfreund" und aus anderen
Zeitschriften zusammensuchen mußte, das liegt durch F. Birkners
Werk in einer glänzenden Synthese vor uns.
Immer wieder ist die kritische Einstellung F. Birkners wert-
voll. Dies geht ganz besonders aus dem Abschnitt Rasse
und Volk hervor, für welchen ich gerade als Arzt dem Vor-
geschichtsforscher besonderen Dank zolle. Philologen bauen mit
Vorliebe eine bunte Fülle von Rassen auf und möchten rein
nach äußeren Merkmalen unser Volk und seine Stämme noch
mehr in seelische „Einheiten" auflösen, als dies leider ohne-
dies schon der Fall ist. Gerade Heimatforscher aus Laienkreisen
werfen dann mit den dinarischen, alpinen, ostischen, westischen
und nordischen Rassen herum, als ob man die ganze Frage in
Gesetzesparagraphe aufspalten könnte. Viele bedenken dabei gar
nicht, daß heute nicht einmal die Grundfragen von den Be-
ziehungen zwischen Erbmasse und Milieu (Boden, Klima, Land-
schaft) gelöst sind.
F. Birkner gibt uns zwar sehr vorsichtige, aber deshalb
um so eindrucksvollere Hinweise dafür, daß Boden und Wirt-
schaft starke Einflüsse auf den Skelettbau sowie auf Schädel-
und Gesichtsbildung ausüben können. Wir hören, was auch
viele Beobachtungen anderorts klar machen, daß Boden und
Seßhaftigkeit eine Menschen formende Wirkung ausüben dürf-
ten. Die Liebe zur Heimatscholle, das starke Heimatgefühl
des mit dem Boden Verwurzelten, erfährt durch diese Beobach-
— 60 —
Lungen aus dem großen Gebiete der Ur- und Vorgeschichte eine
kräftige Belebung.
Wir ähnen,. daß die großen Kräfte, nach denen wir alle
unseres Daseins Kreise vollenden müssen, keineswegs so ein-
deutig mit der Körpergestalt festgelegt sind, sondern daß zwischen
Erbmasse und Landschaft ein geheimnisvolles Netz von Wech-
selbeziehungen besteht.
Me alt ist üie Wallfahrt Altenburg
bei Grafing?
Von Anton Sauer/ München.
Das reizend gelegene, künstlerisch bemerkenswerte Kirchlein
von Altenburg bei Grafing, Pfarrei Moosach, war einst ein
vielbesuchtes Marienwallfahrtsheiligtum. Für das 18. Jahr-
hundert steht dies fest. Wening s schreibt über Altenburg,
das damals zur Hofmark Falkenberg und zum Gericht Schwa-
ben gehörte, unter Falkenberg: „Ein halbe Stund von hier
zu Altenburg stehet ein zierliches Gottshauß / darinn ein Wun-
derthätiges Mutter Gottes Bild Jährlich von vilen Wall-
fahrtern andächtig besucht/ vnd verehret wird." Um 1711—1724
wurde der gotische, mehrfach veränderte Kirchenbau im Barock-
stile ausgeziert? Die Schmidt'sche Diözesanmatrikel von 1738/40
nennt Altenburg eine „ecclesia decore ornata" — zierlich ge-
schmückte Kirche und berichtet vom Gnadenbild auf dem Hoch!-
altar: „cuius statua hic plurimis beneficiis cefebris est et ad
quam multae per annum publicae processiones instituuntur"
d. h. deren Statue (näml. Mariens) hier durch sehr viele Gut-
taten (Gebetserhörungen) berühmt ist und zu der das Jahr
hindurch viele öffentliche Bittgänge angestellt werden? Kein
Wunder, daß unter den 14 Wallfahrtslandschaften des 1710
erbauten Bürgersaales zu München, gemalt von Joachim Beich,
auch Altenburg als bedeutendere bayer. Wallfahrtsstätte U. L.
1) Wening Mich., Historico^Topographica Descriptio I, Rentamt
München, S. 101 (München 1701). Derselbe Wortlaut in Zimmermann
I. A., Chur Bayrisch-Geistlicher Calender, S. 799 (München 1754).
2) Die Kunstdenkmale Bayerns Bd. I, 1335 f.
b) Deutinger M. v>, Die älteren Matrikeln des Bisthums Freising
II, S. 343 (München 1849).
— 61 —
Frau nicht fef>lt.4 5 Wie alt ist die Wallfahrt Altenburg? Das
Gnadenbild, eine stehende Madonna mit Kind, ist eine bemalte
Holzfigur vom Ende des 15. Jahrhunderts. Die Wallfahrt war
sicher schon vor 1701 in Flor, vor Wenings Beschreibung,
also im 17. Jahrhundert. Ich möchte auf Grund eines Mirakel-
berichtes im ältesten gedruckten Tuntenhausener Mirakelbüch-
lein von 1527, das die Jahre 1525 27 umfaßt^ annehmen,
daß Altenburgs Kirchlein damals schon Wallfährtscharakter hatte.
Der Bericht lautet: „Lin kind von Aying ist in tödtliche kranckheit
gefallen /vnd von vatter vnd mueter für todt vmbgezogen
worden / hat die mueter verredt das jar nit gen Tunttenhausen
zegeen / hats kind verhaissen zu ainer kirchen mit namen
Alltenpürck/ hat aber nit geholffen. Hat wider in sich selbs
geschlagen jr fürnemen in jr selbs gestrafft vnd das kind zu
der muter gots gen tuntten. verhaissen vnd sy selbs daher
kommen / ist das kind gsund worden."
Line Heimatschriststellerin.
Franziska Reiß ist eine Altbayerin. Ihre Kindheit
und Jugendzeit verbrachte sie in Schwindkirchen im Gold-
achtal. Erzogen wurde sie im Institut der Franziskanerinnen zu
Kloster Au am Inn. War schon der Kreis im Elternhaus groß
und anregend — sechs Geschwister wuchsen neben ihr auf und
viele Freunde gingen im geselligen, musikfreudigen Haus ein
und au8 —, so empfing Franziska Reiß ih-re tiefsten Eindrücke
vom Leben der Heimat im elterlichen Kaufladen. Da kehrten
sie alle ein, die großen Bauern auf Stunden im Kreis, die
Handwerker, Häusler, Knechte und Mägde. Durch ihre Heirat
kam -Franziska Reiß dann nach Fürstenfeldbruck, das ihr nun
zur zweiten Heimat geworden ist. Sie wurde Mutter, verlor aber
ihren talentierten Buben im blühenden Kindesalter. Um den
Schmerz um ihr Kind zu betäuben, studierte Franziska Reiß
Musik und griff zur Feder, wurde Schriftstellerin. Ihr Talent
wurde anerkannt. Fünf Romane sind im Laufe weniger Jahre
zuerst in der „Münchener Zeitung" erschienen: „Der ersehnte
Morgen", „Mondnacht", „Der blaue Schrank", „Frauenopfer"
und „Das Sündenhäusl".
4) Mayer - Westermayer, Diözesanbeschreibung II, S. 234 (Regens-
burg 1880).
5) „ Etliche mercklich gnad" etc., B. Staatsbibliothek München.
— 62 —
Ihrem letzten Roman: „Age, die Müllerin an der
G o l d a ch", der Ende 1935 in der „Münchener Zeitung" erschien,
gab sie ein schönes Vorwort mit, das gleichsam als Leseprobe
hier stehen möge und in feiner Heimatverbundenheit sicher
jedem Leser unserer Zeitschrift aus der Seele geschrieben ist:
„In frühen Jahren hat mich das Schicksal aus dem Tal
meiner Heimat hinausgeführt in eine andere Welt. Ich sah sie
oft glänzender, besser aber nicht. And so vermochten all die
Reisen zwischen den Kreidefelsen Rügens und den algerischen
Wüstenrändern, zwischen dem Ärmelmeer vor England und
den Pußtaweiten Ungarns nicht die warmen Gefühle für meine
altbayerische Heimat zurückzudrängen. Das liebliche Goldachtal,
mein Elternhaus mit den Erinnerungen an eine sonnige Kin-
der- und Jugendzeit blieb nach wie vor der Quell meines Lebens.
Dort lernte ich beizeiten Schönheit und Sinn altverwurzelter
Sitten und Bräuche kennen und schätzen, auch den Bauern
selbst in jeder Stimmung und Lebenslage. Führten doch die
kirchlichen wie weltlichen Feste die Bauern meiner Heimat von
nah und fern in das elterliche Geschäftshaus. So wuchs in mir
das Verständnis für die Bauern des Goldachtales und den
Isengam für ihre Röte und Freuden, für ihre Art und ihr
Brauchtum.
Schwer ist des Bauern Leben — ein Dasein voll von
unermüdlichem Schaffen und doch -- wie schön ist es, ver-
bunden zu sein mit der ewigtreuen Natur, mit dem Haus
der Väter, mit den Ahnen, die das gleiche Lebensziel hatten:
Untertan der Scholle, dem fruchtbaren, doch arbeitheischenden!
Heimatboden.
Was die junge, empfindsame Seele einst aufgenommen,
das drängt nun in der Reife der Jahre empor, drängt wieder!-
zugeben den Rhythmus bäuerlichen Lebens. Ich habe in dem
Roman „Age" versucht, diesem Antrieb zu folgen, die Menschen
meiner heimatlichen Erde so schlicht und artbewußt zu gestalten,
wie sie sind.
Ein Gelöbnis an die Heimat möge meine Arbeit sein."
Ihrem nächsten Werk, das im elterlichen Kaufladen in
Schwindkirchen spielen soll, sehen wir mit Spannung entgegen.
Dücherbesprechungen.
Prälat Or. Michael yartig: Die oberbayerischen Stifte, die großen Heim-
stätten deutscher Kirchenkunst. 2 Bände (237 u. 166 Seiten) mit 20 Bildern,
1 Karte, 4 Wappentafeln und ausführlichem Orts-, Personen- und Künstler-
verzeichnis. Verlag vorm G. I. Manz A. G. München. Beide Bände
zusammen in Leinen 6 RM.
Eine große Lücke auf dem Gebiete der heimatlichen Kunstgeschichte
wird mit diesem Merke ausgefüllt, das der Verfasser, einer der besten
Kenner der altbayerischen Kirchen und ihrer großen Kunstschätze, auf Grund
eines mehr denn 30 jährigen Studiums niederschrieb. Wurde doch noch nie
die kunstgeschichtliche Entwicklung aller oberbayerischen Stifte (mit Aus-
nahme der Mendikantenklöster) mit einer solchen Vollständigkeit geschildert
wie in diesen beiden Bänden. Nach einem kurzen einleitenden Kapitel mit
einem geschichtlichen Gesamtaufriß der oberbayerischen Urklöster vor den
Ungarneinfällen folgt Kloster auf Kloster mit einer ausführlichen Würdigung
der dort im Laufe der Jahrhunderte geübten Kunstpflege Allein für die
südostbayerischen Landstriche unserer Heimat ließen sich an die 30 Stifte
feststellen, von denen hier nur die Namen genannt werden können, die
aber z. T. allein schon die Bedeutung dieser Klöster für die heimatliche
Kunstgeschichte anzuzeigen vermögen: es waren die Benediktinerklöster
Seeon, Ebersberg, Attel, Rott am Inn, St. Peter auf dem Madron
und Frauenchiemsee, die Augustinerchorherrenstifte Berchtesgaden, Baum-
burg, Au, Gars, Höglwörth, Herrenchiemsee, Beyharting und St. Zeno in
Neichenhall, das Cisterzienserstift Raitenhaslach und das Dominikanerinnen-
kloster Altenhohenau, die Iesuitenresidenzen in Altötting, Ebersberg und
Burghausen, ferner die Niederlassungen, der Englischen Fräulein in Burg-
hausen und Altötting sowie schließlich die Eollegiatstifte zu Altötting,
Mühldorf, Laufen, Tittmoning, Isen und St. Wolfgang am Burgholz.
Gerade daß Prälat Hartig auch die Eollegiatstifte sowie die nachmittel-
alterlichen begüterten Klöster aus seiner Betrachtung nicht ausschloß, muß
als besonders dankenswert anerkannt werden, weil gewöhnlich diese kaum
eine Würdigung finden. Darüber hinaus lassen sich jetzt Vergleiche über
die kunstgeschichtlichen Leistungen in den einzelnen Klöstern ermöglichen
und wir erhalten eine solch umfassende Übersicht über die Künstler, die von
den kunstsinnigen bayerischen Prälaten bei ihren Bauten und deren Ausstat-
tungen herangezogen wurden, wie dies bisher überhaupt kaum der Fall war.
Der Verfasser hat bei den einzelnen Klöstern auch immer wieder deren Ge-
schichte beleuchtet, wenn er auch bei der Überfülle des Stoffes, bei dem Man-
gel an verlässigen Vorarbeiten nicht allen geschichtlichen Einzelheiten genau
nachgehen konnte. Die Geschichte mancher Stifte ist ja noch garnicht oder
nur recht ungenügend erforscht. Hier können nur eingehende Einzelunter-
suchungen völlige Klärung bringen! Immhin muß dieses Werk, das auch
mit einigen guten Abbildungen ausgestattet ist, so z. B. von der spätgoti-
schen Sebastiansbüste aus Ebersberg oder der berühmten Monstranz des
Wolfgang John im Kollegiatstift zu Tittmoning, als eine der wichtigsten
Neuerscheinungen aus dem heimatgeschichtlichen Büchermarkt bezeichnet
werden. 0r Edgar Krausen.
Süddeutsche kirchenführer. Herausgegeben von Dr. Hugo Schnell. Mün-
chen 42, Dreifaltigkeitsverlag, von der Pfordtenstr. 15. Erscheinen seit Januar
— 64 —
1934. Im Monatsabonnement zu RM. 1.10 (monatlich 5 Nummern) durch
Verlag oder Buchhandel zu beziehen. Einzelpreis RM. — 20. Reichbebildert.
Das dankenswerte, freudigst Zu begrüßende Unternehmen, das hier
bereits in seiner Bedeutung kurz allgemein gewürdigt worden ist (vgl. 1935,
S. 63), dem auch eine ganze Reihe südostbayerischer Kirchen Führer ver-
dankt, schreitet rüstig vorwärts. Dabei leidet mit der zunehmenden Quan-
tität nicht die Qualität. Vielmehr ist der Herausgeber sichtlich bemüht, sein
Werk inhaltlich wie hinsichtlich der Ausstattung auf der Höhe zu halten.
Von den seit 193# bis jetzt erschienenen Kirchenführern unseres Gebietes
seien hier drei hervorgehoben.
Ebersberg (1935, Nr. 113/114), Rodenden im Chiemgau (1936, Nr.
138) und Schloß Hohenaschau (1936, Nr. 141).
Ebersberg, bearbeitet von Pfarrer M. Guggetzer und Dr. Schnell,
dürfte das größte Interesse finden. Wohl noch nie ist zusammenfassend so
gut über seinen Rang als Kloster, Wallfahrts- und Kunststätte geschrieben
worden. Und Ebersberg hat einen Rang, den freilich bisher wenige wohl
erkannt haben. Die Perle des Münchener Osten ist nunmehr endlich ins
rechte Licht gerückt worden. Dr. Klemens Stadler, Archivassessor am Bayer.
Hauptstaatsarchjv München, erschließt uns fachkundig das köstliche Filial-
kirchlein Rodenden, P arrei Kienberg im Bezirksamt Traunstein, das
Blutenburg des Chiemgaus, dessen herrlicher spätgotischer Hochaltar einen
Ruf in der ganzen Kunstwelt genießt. Durch die vornehme barocke Schloß-
kapelle von Hohenaschau, das von Freiherr.: von Eramer-Klett mit
Verständnis und Liebe treubehütete Heiligtum des gewaltigen Schlosses,
führt meisterhaft Schloßkaplan Msgr. Dr. Roeck Solche Kirchenführer
möge der rührige Dreifaltigkeitsverlag noch recht viele schenken! Des
Dankes der Kirche, Schule, der Kunstfreunde und Wanderer, der vielen,
die heutzutage „auf Fahrt" sind, darf er sicher sein. A. Bauer.
Or. Hans Hohenegg: Oie Kirchen Tirols. Innsbruck 1935, Kommissions-
verlag der Vereinsbuchhandlung (Maria-Theresienstr. 40). Ausgabe in
Kunstdruckpapier und Leinenband M 12.50, Volksausgabe M. 4.—.
Dr. Hans Hohenegg, der verdiente Schriftleiter der „Tiroler Heimat-
blätter", will in diesem Buch dem Geschichtsfreund, aber auch breiteren
Kreisen, nicht zuletzt auch der Landbevölkerung, Entstehung, Geschichte und
Kunstschätze der Kirchen Nord- und Osttirols näherbringen und verständlich
machen. Schilderungen der heimischen Wallfahrtsorte und Volksüberliefe-
rungen sind eingeflochten und beleben den Text. Das mit zahlreichen Ab-
bildungen ausgestattete Werk ist dem Wanderer ein aufschlußreicher Begleiter
durch das kirchliche Kunstgut Tirols, es ist noch mehr ein Hausbuch im
besten Sinne des Wortes, um das man unser Nachbarland nur beneiden
kann. Der Familienforscher wird es begrüßen, daß bei den einzelnen Pfarr-
kirchen der Beginn der Matrikelbücher angegeben ist. Das 19 Seiten
umfassende Künstler-verzeichnis am Schluffe des Buches ist auch für den
Fachmann und geschulten Kunstfreund wertvoll. I. Weber.
Inhalt öes t4. Jahrgangs 1?J6.
l.Abhanülungen.
Sette
Hauser Dr. I., Geschichte des Augustiner-Chor-
herrenstiftes Gars am Inn....................l, 33
Kriech bäum Dr. E., Von den „Altbayerischen
Städten".............................................47
Schiefer I. und B., Volkskundliches aus dem
Rupertiwinkel...................................26
L. Kleine Beiträge. '
Bauer A., Wie alt ist die Wallfahrt Altenburg
bei Grafing?.........................................60
Kriechbaum Dr. E., Ur- und Vorzeit Bayerns 57
Weber I., Oberlehrer Josef Brunhuber ... 28
Eine Heimatschriftstellerin............................61
z. Dücherbesprechungen.
Birkner Dr. F., Ur- und Vorzeit Bayerns................31
HartigDr M., Die oberbayerischen Stifte, die großen Heim-
stätten deutscher Kirchenkunst ........................63
Hohenegg Dr. H., Die Kirchen Tirols....................64
Koren Dr. H., Volksbrauch im Kirchenjahr ..............30
Mittermair I., Unsere liebe Pfarrkirche Obertaufkirchen 31
Schnell Dr. H., Süddeutsche Kirchenführer..............63
Schröcker Dr. S., Die Kirchenpflegschaft...............30
Stonner Dr. A., Heilige der deutschen Frühzeit .... 30
Wasserburger Heimatkalender............................31
4. Zeitschrlstenschau.
Das bayerische Inn-Oberland......................... . 32
Heimatsttidien
In Verbindung mit Karl Boürier und Josef Kl- Stadler
herausgegeben von Josef Weber
Band 12:
Anleitung zur Abfassung
einer Pfarrgesdiichte
Von Josef ¥e b e r
M. —.90
„Oer verdiente Herausgeber ist der berufene Mann für diese von Sack--
kenntnis, Erfahrung und Heimatliebe getragene Arbeit. Nicht nur der Geiste
licke wird sich ihrer mit größtem Nutzen zu praktischer Auswertung be-
dienen jeder Gesckickts- und Heimatfreund findet hier reichen Stoff, wertvolle
Aufklärung, mannigfache Anregung. . . Sehr wertvoll für weitere Kreise ist
der abschließende Teil D: Quellenwerke und gesckicktlick-topographisck-
statistische Beschreibungen. . /' <Societas Latina.)
„. . . Man kann nickt anders sagen, die Picktpunkte, die hier gegeben
werden, zeugen von umfassender Stoffbeherrsckung. Man kann nur wün-
schen, daß ihnen überall die nötige Beacktung gesckenkt wird/"
<0, Dr. Karl Schornbaum irr: Volk und Heimat.)
Band 14:
Lateinische Berufsbezeichnungen
in Pfarrmatrikeln
und sonstigen orts- und familiengeschichtlichen Quellen.
Von Dr. Karl Pu ebner und Dr. Josef Klemens Stadler,
M. '—.80
„Das von zwei sachkundigen Archivaren verfaßte Heft füllt eine Lücke.
Die aufgenommenen Wörter wurden unmittelbar den Quellen entnommen,
es handelt sich um etwa 900 Berufs- und Verwandtshaftsbezdchnungen.
Vorausgeschickt ist ein kurzer Abriß der Geschichte der Pfarrbücher mit einem
Schrifttumsverzeihnis dazu und eine Einführung in die Kenntnis des Spät-
lateins. Das kleine Handbuch muß jedem Forscher dringend zur Anschaffung
empfohlen werden/" (Dr. Hohlfeld in: Familiengeschiditliche Blätter.)
. . Bei den lateiniscken Sckwierigkdten der Sippenforsckung sind es
vor allem die Berufs- und Verwandtschaftsbezeichnungen,^ denNicktfackmann
leickt verzagen lassen oder ihn, was scklimmer ist, in die Irre führen. Hier
kommt nun eine kleine Sckrifi zu Hilfe. . ° Die Übertragung ins Deutsche
wird dem Sippenforscker über manckes Hindernis hinweghelfen, wenn er in dem
— wohlgemerkt lebendigen — Latein der Pfarrbücher und dergleichen auf
termini technici mittelalterlicher und neuzeitlicher Berufe und Gewerbe stößt und
selbst ein so ausgezeichnetes kleines Handwerkzeug wie der „Tascken-Hei-
nkhen" (Verlag Teubner) nicht weiterhilft. . /' (Kölnische Volkszeitung.)
Vorgeschichte von Deutschland.
Von Carl Sdmchhardt*
3. verb. Auflage 1935. 410 Seiten mit 318 Abb. Gr.®8°
In Leinen geb. RM. 9.60.
»Mit einer ungeheuren Sachkenntnis geschrieben, zieht es alle Gebiete heran,
die Licht über die Frühzeit unseres Landes und Volkes zu verbreiten ver-
mögen. Der Nachdruck liegt aber auf den Bodenbefunden, besonders der
Siedlungen. Hier ist wirklich einmal ein Buch, von dem man mit Recht sagen
kann, es muß heute in jeder Schulbücherei vorhanden sein.«
Zentralblatt für die ges. Unterrichtsverwaltung in Preußen,
Deutsche Vor« und Frühgeschichte in Bildern.
Von Carl Scfmdhhardt.
1936. 80 Tiefdrucktafeln mit 338 Bildern. Format 20 mal 27 cm.
Kartoniert RM. 3.80
»In der Durchsichtigkeit der Gliederung und Auswahl des Bildmaterials
eine rechte Meisterleistung.« Pastoralblätter.
»Die außerordentliche Übersichtlichkeit macht es auch dem Laien möglich,
einen geschlossenen Eindruck von der Höhe frühgermanischer Kulturübung
zu gewinnen.« Die Weltkunst, Berlin.
Das Bauernfeind.
Von Karl Springenschmid.
2. Auflage. 135 Seiten. 8°. 1935. In Leinen geb. RM. 3.—
»Ein Buch, das man mit Rührung und Ergriffenheit liest, das jeder, der
mit dem Landvolk zu tun hat, jeder Geistliche, jeder Lehrer kennen muß.«
Niederbayerische Heimatglocken,
»So entsteht ein hohes Lied des Bauerntums, von dessen Arbeit in Gott-
vertrauen und Naturverbundenheit Segen ausgeht. Jeder Städter wird das
Büchlein mit tiefer Erkenntnis vom Bauernwert aus der Hand legen. Und
mancher Bauer kann daraus gewinnen, Stand und Sitte zu achten und zu
schützen.« Rheinisches Land.
Aus der Urgeschichte der Erde und des Lebens.
Von Edgar Dacque,
1936. 232 Seiten. 8°. In Leinen gebunden RM. 4.80.
»Edgar Dacque bringt den reichen dargebotenen Stoff nicht um seiner selbst
willen, sondern die Tatsachen dienen ihm als Grundlage und Träger für
naturphilosophische Betrachtungen; er zeigt uns nicht ein sentimentales
Weltbild, sondern einen erschütternden Zusammenhang alles Geschehens.
In 12 spannenden Kapiteln zieht das Geschichtsbild unseres Erdballes und
das Leben auf ihm an uns vorüber. Auch Stil und Aufbau zeigen die ge-
wohnte Gestaltungskraft dieses Naturforschers.«
VERLAG R. OLDENBOURG, MÜNCHEN UND BERLIN