II. Innere Geschichte. 1. Das religiös-kirchliche Leben. Die Regel des hl. Benedikt stellte in der Forderung des „ora et labora" den Angehörigen des Ordens eine religiöse und wirtschaftliche Aufgabe; sie entsprach dadurch in hervorragender Weise den Bedürfnissen der Zeit, die eine Verbindung dieser beiden Aufgaben zur Notwendigkeit machten. Dementsprechend haben sich auch die bayerischen Benediktinerklöster in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens die größten Verdienste um die geistige wie materielle Kultur unseres Vaterlandes erworben. Auch die Mönche der Garser Zelle haben in diesem Sinne ihre Tätigkeit entfaltet und innerhalb zweier Jahrhunderte beachtens werte Kulturarbeit geleistet. Ihr Wirtschaftsgebiet beschränkte sich nicht bloß auf den Ort Gars, sondern umfaßte innabwärts auch den Bezirk Mittergars und Grafengars. Die Namen der Rodungen zu beiden Seiten des Inns, wie Brandstett, Wang, Ober-, Nieder-, Oster-, Kirch- und Hochreut geben Zeugnis davon, wie die Mönche der Zelle Gars und der nahen Zelle Au durch Waldrodungen und Trockenlegung von Sümpfen urbares Ackerland und Platz für neueWohnstätten zu gewinnen wußten, wo sie dann Kirchen erbauten und kirchliche Kolonen ansiedelten. Das von ihnen geschaffeneKolonisationswerk konnte durch die Ungarneinfälle nicht völlig vernichtet werden, wenn auch ihre Zellen zeitweise der Zerstörung verfallen mochten. Die Augustiner setzten in den ersten Zeiten das Werk der Benediktiner fort, wie aus dem Traditionskodex zu ersehen ist, bald aber wendeten sie sich entsprechend der besonderen Aufgabe ihres Ordens der eigentlichen Seelsorge zu. Zunächst betreuten sie die Orte Gars, Wang, Soyen' und P ü r t e n. Wegen des letzteren gerieten sie bald mit dem Nachbarkloster Au in einen langwierigen Streit. Die dortige Kapelle, welche um 1140 die edle Frau Irmgard, die Gemahlin des Grafen Kadaloh, dem Garser Stift geschenkt hatte, wurde um 1169 von Erzbischof Adalbert dem Kloster Au zu vorübergehender Verwaltung „all tempus" übergeben — es war die Zeit, in 1. Vgl. die Anmerkung 15 im Abschnitt I. Die in der Bestätigungs bulle des Papstes Lucius III. und in einer gefälschten Salzburger Urkunde (SUB II, Nr. 411) aufgeführte Kapelle Semen ist in Sogen, Pf. Rieden b. Wasserburg zu suchen, nicht in Seeon, Gem. Matzbach, wie in der ge nannten Anmerkung und auch im Salzburger Urkundenbuch (II, Nr. 411) unrichtig angegeben ist.