Der Inn-Isengau
Blätter für Geschichte und Heimatkunde
6. Jahrgang 1928 2. Heft
Heft 23 der ganzen Folge
Die Innstädte im Alpenvorlande
Von Dr. E. Kriechbaum
Petrus von Rosenheim (1380-1433)
Von Dr. Fr. Thoma
Kleine Beiträge
Zur Geschichte von Gabersee
Kunstfahrten
Die Sieben heiligen Zufluchten
Literarische Rundschau
Böcherbesprechungen
Zeitschriftenschau
Herausgeber und Verleger:
Josef Weber, Expositus, Watzling, Post Dorfen I.
(Postscheckkonto München 38 1 68)
Druck und Kommissionsverlag von P. März, Zöpfs Nachf., Dorfen.
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Der Inn-Isengau
ist amtlich empfohlen vom Ordinariate des Erzbistums München
und Freising, von den Regierungen von Oberbayern und
Niederbayern, von den Bezirksämtern Altötting, Erding, Mühl*
dort und Wasserburg.
Jährlich erscheinen vier Hefte.
Das Programm:
Die Zeitschrift dient der Heimatforschung und
Heimatbewegung in der Gegend zwischen RoSen-
heim, Erding und Simbach. Was das Land am
Inn und an der Isen in Natur, Geschichte, Kunst,
Wirtschaftsleben und Volkstum Beachtenswertes auf-
weist, soll in ernster, wissenschaftlicher Arbeit behandelt
und dem Verständnis weiterer Kreise erschlossen werden.
Wir wollen mithelfen, die Kulturwerte der Heimat zu
finden und zu sehen, zu würdigen und zu pflegen
und die Heimat zur Grundlage der deutschen Bil-
dung zu machen. Angesehene Fachleute und be-
währte Heimatforscher unterstützen durch ihre dankens-
werte Mitarbeit das Heimatwerk unseres Gaues.f
Der Bezugspreis
\für den Jahrgang beträgt bei freier Zusendung und
direkter Bestellung RM. 3.50 im Buchhandel RM. 4.—.
Die Hefte sind einzeln käuflich (Preis RM. —.90, im
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lung P. März, Dorfen.
Die Wnstädte im Ilpenoorlande.
Von Dr. phil. et med. Ed. Kriechbaum, Braunau a. I.
Die städtischen Siedlungen, welche von Rosenheim
bis Schärding die wild schäumenden Fluten des Inn
überragen, sollen auf nachfolgenden Seiten einer um-
fassenden Besprechung gewürdigt werden. Die Bezeich-
nung „Innstadt" auf sie zu übertragen ist nicht völlig
gerechtfertigt, weil der im Folgenden genauer umschriebene
Typus nicht nur weiter im bayerischen Alpenvorlands
verbreitet ist, sondern uns bis tief hinein in die öster-
reichischen Lande immer wieder begegnet. Nur deshalb
weil diese eigenartige Siedlungsform im Inntale sehr
gut und klar ausgebildet ist und teilweise unverändert
erhalten blieb, möge hier von ihr als von der „Innstadt"
gesprochen werden.
Die Städtekunde wurde in dem letzten Jahrzehnte
ein Lieblingskind der Geographie. Auf die vielleicht zu
starke Betonung der geologisch-morphologischen Richtung
folgt eine Periode, welche kulturgeographischen Pro-
blemen ein starkes Augenmerk zuwandte. Der allgemeine
Zug der Zeit drängte von der zwar sehr erfolgreichen
Spezialforschung zur Zusammenfassung und Ganzheits-
schau, wodurch gerade die Siedlungsforschung starken
Zulauf erhielt. In den letzten Jahrzehnten des ver-
flossenen Jahrhunderts hatte sich bereits die Geschichte
mit großer Aufmerksamkeit den Städten zugewendet und
ausführliche Städtechroniken entstammen diesem Zeit-
abschnitte. Damals erfaßte die Erdkunde die Städte
meist nur mit den Methoden der Statistik ohne tiefer
schürfend das wirkliche Bild einer Stadt zu erforschen.
Mit kritischen Methoden arbeitende Städteforschungen
können das Problem „die Stadt" weder der Erdkunde
noch der Geschichte zur Gänze zuweisen. Sie müssen
zwar diesen beiden Fächern als räumliche bzw. zeitliche
Ordner eine wichtige Rolle überlassen, darüber hinaus
aber der Soziologie, der Nationalökonomie und der Bau-
kunst bzw. Technik einen bestimmenden Einfluß gewähren.
Die „Städtekunde" als die Krone der Siedlungsforschung
— 84 —
schlägt heute Wege ein, die sie über reine Formenkunde
(Morphologie) hinaus zur Funktionslehre (Physiologie)
und weiter zur physiologischen Morphologie führen. Das
soll besagen, daß die Städtekunde nicht nur Formen
beschreiben und einordnen, sondern in gründlicher Fak-
torenanalyse immer die regen Wechselbeziehungen zwischen
Form und Funktion ergründen will. Dabei müssen auch
die „energetischen" Wissenschaften von der Physik über
die Biologie zur Psychologie als tiefere Grundlagen im
Auge behalten werden — baut sich doch die Technik auf
die Physik, die Nationalökonomie auf die Biologie und
die Soziologie auf die Psychologie auf.
Die ausführlichsten Städtebeschreibungen fanden wir
bis in die letzten Jahrzehnte in den für Reisende be-
stimmten Städteführern. In diesen hat man heute noch recht
oft den Standpunkt des Einzelsehers beibehalten. Mehrere
Verfasser teilten sich in der Behandlung erdkundlicher
und geschichtlicher Fragen, begannen nach erprobtem
Schema mit Lage, Größe, Berge, Flüsse rc., reihten dann
die Stadtchronik an und verweilten am ausführlichsten
bei der kunstgeschichtlichen Beschreibung dominanter Bau-
lichkeiten. Es finden nicht nur Kirche und Burg eine
sehr eingehende Würdigung, sondern auch einzelne Grab-
steine, Einzelstücke größeren Wertes in Museen, Stand-
bilder berühmter Männer rc. Will man noch mehr
geben, so greift man zur abstraktesten Form der Mor-
phologie, zur Zahl, zur Statistik.
So wichtig für den Einzelforscher die ins kleinste
gehende Detailschau ist, für den durchschnittlichen Städte-
wanderer wird sie eine Qual. Ueber eine Jahreszahl
wird da oft Seite für Seite gedruckt und am Schluffe
ergibt sich, daß wir eben nichts Bestimmtes wissen.
Was in gelehrten Abhandlungen sein kaum gelesenes
Plätzchen finden mag, gehört nicht in unsere Heimat-
bücher.
Von den Ganzheitsbetrachtungen gewährt die geo-
graphische manchem Städtepilger eine starke Befriedigung.
Für die Erdkunde ist die Stadt ein Stück Kulturland-
schaft. Der Geograph bemüht sich, die Lage und Ver-
teilung der Städte ins Auge zu fassen, von der Verkehrs-
lage auf die Oberflächenformen des Bauplatzes über-
— 35 -
zugehen, den Grundriß der Stadt in Bezug auf Verkehrs-
und Schutzlage zu würdigen und der Bedeutung des
Aufrisses im Landschaftsbilde nachzugehen. Geschicht-
liche Städtestudien sind heute gleichfalls schon weit über
das Schema der Chronik hinausgewachsen. Sie legen
ein Schwergewicht auf die rechtsgeschichtliche Entwicklung,
auf die Beziehung zwischen Stadtherrn und Patriziern,
sowie zwischen Patriziern und Zünften, suchen für die
Stadt wichtige politische und wirtschaftliche Ferneinflüsse,
befassen sich mit alten Stadtplänen und Bildern rc.
Neben den geographischen und historischen Arbeiten,
die ich hier nur ganz im groben kennzeichnete, besitzen
wir eine Reihe wertvoller Städtemonographien von
Architekten und Volkswirtschaftlern. Diese geben oft
vortreffliche Grundlagen für geographische und.historische
Ueberbauten. Sie leiden nur etwas unter dem Mangel
übersichtlicher Methoden zwecks Vergleichung und Be-
arbeitung größerer Gebiete.
Ich möchte in der folgenden Darstellung der „Inn-
städte" nur einzelne Bilder herausgreifen, diese aber wo-
möglich morphogenetisch und entwicklungsgeschichtlich
behandeln.
Einen knappen, zwar immer mit Vorsicht zu be-
nützenden Einblick in die Entwicklungsanfänge der Inn-
städte geben uns bereits die Ortsnamen. Rosen-
heim bekam sein Marktrecht, Wasserburg, Mühl-
dorf, Neuötting, Braunau und Schärding ihre
Stadtrechte im Laufe des 13. Jahrhunderts. Von den
Vorläufern erzählen uns die Grundworte der Städte-
namen manches. Das auf eine Burgsiedlung hin-
weisende Grundwort bürg finden wir nur einmal, bei
Wasserburg (daneben beim Markte Kraiburg), die auf
dörfische Vorgänger zu mindestens auf nächste Nachbarn
sich beziehenden Endungen auf ing, heim und dorf lesen
wir hingegen viermal (Oetting, Schärding, Rosenheim,
Mühldorf). Die Namen der im Grundrisse dörfisch auf-
aufgebauten Siedlungen Altötting und Altmühldorf er-
innern uns bestimmt an die älteren Stellvertreter. Ge-
rade bei Mühldorf und Neuötting ist die später zu be-
sprechende Straßenmarktform typisch ausgebildet. Von
Interesse ist auch der Umstand, daß keine einzige unserer
— 36 —
Jnnstädte eine alte Mutterpfarrei innerhalb ihrer Mauern
birgt, sondern ursprünglich einer dörfischen Pfarrkirche
zugeteilt war (Pfaffenhofen, Attel, Alt-Mühldorf, Alt-
ötting, Ranshofen, St. Florian).
All diese Umstände zusammengenommen mahnen uns
schon die Städte nicht etwa direkt von umgebauten Dörfern
abzuleiten, sondern die notwendige dörfische „Nährmutter"
in der Nähe zu suchen. Für planmäßige Gründungen
sprechen aber ganz besonders die Grundrisse der Inn-
städte, die wir in ähnlicher Formung auch bei den Inn-
märkten: Neubeuern, Gars, Kraiburg, Markt!
und Obernberg verfolgen können.
Schon bei einer flüchtigen Ueberschau erkennen wir
die bestimmende Rolle des Marktes im Bilde der
Siedlungen. Bei den Städten ist durchwegs der lang-
gestreckte Straßenmarkt vorherrschend, nur bei den Markt-
flecken nähert er sich manchmal kürzeren Formen (Qua-
drat, Dreieck).
Mögen auch im Landschaftsbilde oder gar in der
Stadtsilhouette machtvolle gotische Türme und Kirchen-
bauten (Braunau, Neuötting) oder steilaufsteigende Burg-
berge mit Schloß (Wasserburg) oder Ruine (Schärding)
den Ton angeben, bei einer Stadtwanderung kommen
wir immer auf die zu einem imposanten Straßenmarkt
erweiterte Hauptstraße. In Mühldorf und auch in
Schärding mußten sich die Stirnseiten der Markthäuser
alten Straßenkrümmungen anpassen. Diese leicht ge-
schwungenen Kurven bringen eine überraschende Abwechs-
lung in die Bilder der Märkte.
In Braunau und Neuötting, in Rosenheim und
Wasserburg ist die Rechteckform klar ausgebildet; zumal
in Braunau und Neuötting wirkt durch die bedeutende
Länge der Markt wie eine stark verbreiterte Hauptstraße.
Wenn nun gar ein oberes und unteres Tor die zuführen-
den Hauptstraßen abriegeln, dann haben wir schon im
Grundrisse das Bild eines ringsum eingefriedeten Raumes
vor Augen. Wir erkennen dann klar und deutlich, daß
eine bewußte Absicht diese Straßenmärkte formte.
Wollen wir die zentrale wirtschaftliche Bedeutung
unserer Straßenmärkte erfassen, so müssen wir uns immer
vor Augen halten, daß der Markthandel der wichtigste
— 38
Faktor in der Entwicklungsgeschichte unserer Städte war.
In ihm müssen wir das Energiezentrum der alten Städte
am Inn sehen. Dem widerspricht keinesfalls, daß manche
Dörfer durch Verleihung von Jahrmärkten nicht in Märkte
verwandelt wurden, daß anderorts sogar manche Markt-
oder Stadtgründung einen Fehlschlag bedeutete.
Die Märkte in unseren Städten waren der Handels-
platz für vier Menschengruppen:
1. für fahrende Kaufleute, welche das Stapelrecht
der Stadt oft längere Zeit festhielt (Fernhandel);
2. für ortsansässige Kaufleute;
3. für ortsansässige Gewerbetreibende;
4. für die Landleute der umliegenden Dörfer.
Es ist vielleicht untunlich, für die erste Lebensperiode
unserer Städte Kaufleute und Gewerbetreibende scharf
zu trennen, da doch bei beiden das Handelsgeschäft im
Mittelpunkte der Interessen stand. Wenn die Zahl der
Gewerbetreibenden meist größer war als die der Händler
und Leitgebe (Gastwirte) zusammen, so müssen wir uns
doch die Gewerbetreibenden als Händler am Markte
vorstellen. Letzte Ueberreste dieser Einstellung auf den
Handel sehen wir heute noch auf den Jahrmärkten un-
serer Kleinstädte, bei denen eine Reihe von Gewerbe-
treibenden z. B. Selcher, Bäcker, Zuckerbäcker, Sattler
Holzbuden am Markte als Verkaufsort verwenden. Die
uns heute im hohen Grade künstlerisch anmutende Ge-
schlossenheit der Marktplätze und Marktstraßen hatte
auch einen hohen praktischen Wert. Der Stadtherr und
später die Organe der Gemeinde konnten zwecks Er-
hebung von Zöllen, Marktgeldern etc., kurz aus fiskali-
schen Gründen eine wirksamere Kontrolle ausüben —
der Straßenmarkt war leicht abzusperren. Gegen die
alten Tore gerichtete leichte Krümmungen bzw. stufen-
weises Vortreten der Hauptfronten formen heute, nachdem
bereits manche Tore gefallen sind, noch überaus maleri-
sche Bilder.
Während der Grundriß unserer Straßenmärkte ohne
Zweifel sehr alt ist und uns bis in die Gründungszeit
zurückführt, haben die Aufrisse starke Wandlungen hinter sich.
Von den städtischen Märkten sind Holzbauten im
Blockverbande und Legschindeldächern — die beiden
— 39 —
Hauptteile des oberbayerischen Bauernhauses fast ver-
schwunden. Auf den Plätzen der Marktflecken sind sie
aber noch da und dort zu finden. In den Städten sehen
wir Rudimente dieser bäuerlichen Holzbauweise auf der
Hofseite der Markthäuser, noch häufiger aber in den
Vorstadtgebieten. Während ich auch an der Stadtperi-
pherie nie einen ausgeprägten Fachwerkbau zu sehen
bekam, habe ich manche Holzwände im Blockverbande
und steinbeschwerte Legschindeldächer verzeichnet.
Stadtrechte aus dem 14. Jahrhunderte sowie Nach-
richten über Brände geben uns kund, daß bis in die
beginnende Neuzeit der Holzbau beim Bürgerhause eine
wichtige Rolle spielte. Der gotische Bruch-, Back- und
Tuffsteinbau fand anfangs nur bei Kirchen und domi-
nanten Gebäuden (Rathäusern, Zehentkästen, Spitälern etc.)
Verwendung und griff erst allmählich auf das Wohn-
haus über. Aus dem 15. bzw. 16. Jahrhundert stammen
unsere ältesten gemauerten Patrizierhäuser. Das steil-
ansteigende und hochgiebelige gotische Bürgerhaus ist in
größter Zahl am Stadtplatz zu Braunau a. Inn ver-
treten; vielleicht liegt bei dieser Bauform, welche wir in
Wasserburg, Mühldorf und Oetting beinahe nur bei do-
minanten Gebäuden sehen, eine stärkere Beeinflussung
durch das anders aufgebaute Landshut vor. In den
Innstädten ober Braunau sind hingegen die spätgotischen
Treppengiebel da und dort zu finden.
Im ganzen wirken aber Märkte und Straßen in
den oberen Innstädten deshalb so einheitlich und ge-
schlossen, weil das hinter einer hohen Blendmauer ver-
senkte Flachgiebel- oder Grabendach gar nicht zum
Vorschein kommt und so der Straßenmarkt wie ein
großer Festsaal wirkt, welchen das tiefblaue Himmels-
gewölbe an Sonnentagen machtvoll überdacht. Bilder aus
der Merianschen Topographie, z. B. Mühldorf in der An-
sicht des 17. Jahrhunderts, zeigen das rings von Blend-
mauern umschlossene Grabendach in überwiegender Mehr-
heit.
Wenn auch über die Genese des Grabendaches und
der Blendmauern die Ansichten etwas auseinandergehen,
so äußern doch führende Münchner Architekten mit Be-
stimmtheit, daß das bäuerliche Legschindeldach der Vor-
— 40 —
laufet des städtischen Grabendaches war. Schutz gegen
übergreifendes Feuer, gegen von oben eindringende Nässe
sollen Blendmauern bzw. Grabendach bedingt haben.
Anhänger dieser sich aus Praxis und Technik stü-
tzenden Theorie können aber kaum alle Rätsel unserer
Giebel- und Dachformen, die ein wichtiges Charakteristi-
kum des Innstadthauses sind, lösen. Fürs erste sind
„Feuermauern" nur in den seltensten Fällen die Haus-
dächer am Markte geschlossen umgürtend aufgeführt.
Gerade die vom Feuer am stärksten bedrohte hintere
(also Hof-) feite zeigt oft noch ein wie beim Bauernhaus
weit vorragendes Dach. Dann finden sich Vorsatzmauern
z. B. in Braunau sehr oft bei erhaltenem hohen Steil-
giebel, welcher dann nur im geringen Maße abgewalmt
wurde.
Diese niederen Blendmauern machen einen Feuer-
schutz recht problematisch; da sie weiters nur gegen die
Front des Straßenmarktes aufgeführt sind, kann man
sich nur schwer der Meinung entziehen, daß die Mode
bei dieser Bauform eine nicht unwesentliche Rolle spielte.
Und daß diese Mode in italienischen Beispielen ein
wichtiges Vorbild hatte, läßt sich kaum leugnen.
Neben Blendmauer und Grabendach werden auch
die Laubengänge als von italienischer Art beeinflußte
Bildungen bezeichnet. Während mir bei der Blendmauer
die „italienische Mode" als wesentliches Moment wahr-
scheinlich ist, während mir das Grabendach nur als eine
Umbildung des bäuerlichen Legschindeldaches erscheint,
möchte ich auch bei den Laubengängen südliche Einflüsse
nicht sehr hoch werten. Aus der geographischen Ver-
breitung der Lauben lassen sich heute keine Schlüsse
über den Entstehungsort dieser Bauform ziehen. Ich
kenne Lauben aus dem Orient und Italien, aus Flan-
dern, Norddeutschland und Polen. Im Süden ist die
wichtige Aufgabe der Bögen ohne Zweifel Schutz gegen
Hitze und grelles Sonnenlicht. In den Bazaren orien-
talischer Städte (z. B. Jerusalem) sehen wir längere
Straßenzüge ganz oder teilweise überwölbt und fühlen
angenehme Kühle und wohltuenden Schatten, wenn wir
die offene Straße verlassen.
Oosenhrim um 1700. Nach einem Stich von 28ening,
43 —
In den norddeutschen Städten mag der Schutz
gegen die häufigen Regen die Ausbildung der Lauben
gefördert haben. Von besonderem Interesse waren mir
die Holzlauben, welche ich in den kleinen Iudenstädten
Polens kennen lernte; sie überragen an Größe oft kaum
ein bescheidenes Vordach und in manchem Städtchen
sah ich alle Uebergänge zwischen dem kleinen Vordach und
fortlaufenden Laubengang mit Holzstützen. Ich bin bei
derart praktischen Einrichtungen kein unbedingter An-
hänger der Wanderungstheorie, wenn auch sonst die
polnischen Juden Sprache, Sitten und Bräuche aus der
mittelalterlichen deutschen Stadt nach Polen verpflanzt
haben.
Ich halte es aber für wahrscheinlich, daß unsere
Steinlauben, deren Rippen oft sehr schöne gotische Pro-
file zeigen, gleichfalls Holzlauben als Vorgänger hatten,
wobei ich diese hauptsächlich von Vordächern, hie und
da aber auch von vorgebauten Holzbuden ableite.
Mögen die Laubengänge für den modernen Kauf-
mann, welcher sonnendurchflutete Geschäftsräume liebt,
unpraktisch sein, dem mittelalterlichen Händler waren sie
sehr willkommen als geschützter Platz zur Schaustellung
seiner Waren.
Während sich Laubengänge gleich den geschlossen
ausgebildeten Vorsatzmauern nur in Rosenheim, Wasser-
burg, Mühldorf und Neuötting finden, sind die Erker
Lieblinge aller Innstädte. Die schönsten und mannig-
faltigsten Formen zeigt das verträumte Wasserburg a. I.
In dieser Stadt könnte ein Freund schöner Formen bei-
nahe eine Morphologie der Erker schreiben. Ueber ihre
Funktion zu sprechen dürfte sich erübrigen. Die Erker
mögen gleich der oft übertriebenen Größe der Straßen-
märkte ein Ausfluß der Vorliebe für Behaglichkeit und
Breite, für Monumentalität und Weiträumigkeit sein,
welche dem bairischen Volksstamme eigen ist.
Zu den Geschäftsleuten (Kaufleute, Leitgebe und
auf Handel bedachte Handwerker) gesellten sich in unseren
Städten noch zwei andere Stände: die Bauern und die
Adeligen.
Die Rolle des Bauern in der mittelalterlichen Inn-
stadt wird uns am besten näher gebracht, wenn wir die
— 45 —
kleinen Märkte, welche sich zwischen ihre größeren Brüder
— die Städte — einschalten, studieren.
Im ganzen betrachtet, sinden wir im voralpinen
Jnntale heute folgende Reihe von Siedlungstppen
nebeneinander:
1. Bauerndorf — nur von Bauern bewohnt.
2. Pfarrdorf — neben Bauern bereits Gastwirte,
Krämer und Gewerbetreibende, neben Bauern-
höfen in der Nachbarschaft der Kirche und
Straße Häusl und Häuser.
3. Markt — neben Kaufleuten, Gastwirten und Ge-
werbetreibenden an der Marktstraße besonders
am Platze häufig Bauern an der Ortsperi-
pherie.
4. Stadt — bäuerliche Rudimente in den Vorstadt-
teilen.
In unseren Marktflecken spielt die landwirt-
schaftliche Betriebsform heute noch eine wichtige Rolle.
Im Mittelalter war die schützende Befestigungsanlage
meist unbedeutend, so zwar daß die Grenze zwischen
Siedlungsland und Ackerboden nicht sehr scharf war.
Die Marktstraße stellt uns gar oft ein an die Innstadt
mahnendes Bild vors Auge (Obernberg, Kraiburg), in
der Ortsperipherie hingegen schauen wir die Siedlungs-
formen des Bauerndorfes (Neubeuern, Markt!). Den
Schutz, welchen in der Innstadt Mauern und Türme
übernehmen, übertragen die Märkte einer höher gelegenen
Burg und festeren Tortürmen über der Hauptstraße..
In den Innstädten treten Straßenmarkt und Be-
festigung in eine Art polaren Gegensatzes. Der erstere
weitet sich und scheint mit seinem freien Platz unverhält-
nismäßig groß; die Wehrmauer hingegen zwingt die
Häuser nahe aneinander zu rücken. Schon um an dem
Vorteil der Marktlage, den jeder Geschäftsmann aus-
nützen will, teilzuhaben, werden schmälere, dreifenstrige
Hausfronten die Regel; daneben sehen wir wohl sehr
selten sogar zwei- und einfenstrige Fronten (Wasserburg).
Stirnseiten mit längeren Fensterreihen sind meist erst
später durch Verschmelzung mehrerer Häuser entstanden.
Die „Naht" ist dabei im Innern oft erhalten geblieben.
Kosenhrim. jfUtrs Lürgerhaus. (Lhem. pernlohnerbräu in der Kaiserstrahe.)
48
Der Befestigungsgürtel drängte aber auch die Häuser
in Seiten- und Nebenstraßen aufs engste aneinander,
beeinflußte sogar über diese hinausgreifend die älteren
bäuerlichen Höfe an der Peripherie. Es lag im Sinne
einer wirksamen Verteidigung Graben und Wall mög-
lichst knapp um die Stadt anzulegen, des weiteren nur
an den Hauptstraßen Tore ins Freie zu führen. Da-
durch wurden Bauernhöfe nicht nur eingeengt sondern
vom Ackerboden oft weiter entfernt. In manchen Vor-
städten, welche wir heute bereits zur Stadt im engeren
Sinne rechnen, finden wir Gebäudegruppen, welche mehr
an ein Bauerngehöfte wie an ein Stadthaus erinnern.
Wenn auch die Rolle der Landwirtschaft im Rahmen
der Kleinstadt heute unbedeutend ist, so ist doch gerade
mit den oben erwähnten Komplexen mit Vorliebe ein
größerer Grundbesitz, Viehställe, Schuppen rc. verknüpft.
Im allgemeinen ist das einstige Ackerland in der Stadt-
nähe in größere Gärtnereien umgestaltet, trotzdem die
Mauern gefallen sind. Es findet die Landwirtschaft
keinen neuen Aufschwung — die Bodenpreise sind zu
hoch geworden.
Auch im ganzen betrachtet spielte der Bauer in der
mittelalterlichen Innstadt eine größere Rolle. Vor allem
müssen wir uns die Verknüpfungen wirtschaftlicher Art
zwischen der Stadt und den umliegenden Landkreisen
enger vorstellen. Die Stadt erzeugte für sich nur einen
kleinen Teil der Nahrungsmittel; die Fernzufuhr der-
selben fehlte anfangs und die Bürger verknüpfte eine
wichtige Interessengemeinschaft mit den nächstgelegenen
Bauerndörfern. Nur wenn solche unmittelbar an die
Stadt grenzten, verwuchsen Stadt und Dorf und die
einstigen Bauern gaben allmählich die Landwirtschaft als
Hauptberuf auf. In Pfarrdörfern, welche an wichtigen
Straßenknoten liegen, können wir diesen Prozeß heute
oft miterleben. Bauernhöfe werden zerstückelt, aus Wirt-
schaftsgebäuden werden selbständige Häusl, der land-
wirtschaftlich benutzte Grund wird Siedlungsboden.
An der Reichsstraße, welche Braunau östlich in der
Richtung gegen Linz verläßt, wurden noch in den letzten
Jahren die stattlichen Bauernhöfe in „Stadthäuser" ver-
wandelt.
— 50 —
Hub wie heute neu gegründete Fabriken auf die
bäuerliche Jugend eine große Anlockung ausüben, so
war es bestimmt auch bei den jung aufblühenden
Städten der Fall. Alle Elemente, denen starre Bin-
dungen unangenehm waren, welche dynamischer waren
und nach „Freiheit" strebten, zogen vom Land in die
Stadt, vertauschten Bauernarbeit mit gewerblicher Tätig-
keit und Handel.
Die bairischen Städte (Stammland Baiern — nicht
Freistaat Bayern) kennzeichnet im ganzen eine größere
Einheitlichkeit gegenüber ihren schwäbischen oder gar
fränkischen Nachbarn. Es mag daher kommen, daß in
den bairischen Stammesgebieten als Grenzlanden frühzeitig
größere Territorien (Wittelsbacher, Habsburger) ent-
standen und gerade im Zeitalter der zunehmenden Städte-
gründungen die kleineren fürstlichen und gräflichen Lände-
reien aufgesaugt wurden. In den Innstädten spielte so-
mit der unmittelbare Einfluß des Stadtherrn keine solche
Rolle wie bei Orten, in denen im Anschluß an eine
gräfliche Burg, teils bekämpft später aber immer be-
günstigt, eine Stadt entstand.
Die Wittelsbacher schufen ihre Städte am Inn
wesentlich aus wirtschaftlichen Gründen, um Einnahmen
aus Markt, Zoll und Münze (letztere in Neuötting) zu
bekommen. Nur die Hallgrafenburg zu Wasserburg
(früher Limburg-Attel) greift direkt in die Stadtentwick-
lung ein. Hier blieb auch in der Folge eine wichtigere
Nebenresidenz der Wittelsbacher. Die Lände zu Wasser-
burg wurde in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit
auch der Hafen für München.
Die herzoglichen Höfe in den anderen Innstädten
waren etwa noch mit Ausnahme von Schärding nur
der Sitz der herzoglichen Beamten, der Fürst selbst nahm
in ihnen nur gelegentlich kurzen Aufenthalt. Aehnliches
gilt auch für die kleinere Burg der Stadt Mühldorf,
welche Stadt dem Erzbischöfe von Salzburg gehörte.
Wenn auch die anfänglichen Stadtgründungen am
Inn von den Wittelsbachern stark gefördert wurden, so
müssen wir uns doch vorstellen, daß sich diese Einflüsse
nur auf eine gewisse Oberleitung und Planung im großen
bezogen, daß die Gemeinden nicht im Kampfe gegen
— 52 —
einen Stadtherrn, dessen Burg immer drohend vor ihren
Augen stand, aufkamen, sondern daß der Stadtherr jederzeit
bestrebt war, durch Verleihung von Privilegien seine Stadt
zu fördern und ihre Vorteile gegenüber Rivalen (Wittels-
bacher — salzburgische Städte — Passau) zu ermöglichen.
Bei oberster Berücksichtigung der wirtschaftlichen und
soziologischen Faktoren möchte ich zusammenfassend sagen:
in unseren Innstädten und teilweise auch Märkten hatte
der Geschäftsmann eine führende Rolle inne. Der Feu-
dalismus entfaltete sein Wirken nur bei den Grün-
dungen und in den ersten Jahrzehnten der Stadtentwick-
lung. Sonst waren Blüte des Nah- und Fernhandels
die ausschlaggebenden Momente.
Im Fernhandel war die wirtschaftliche Spannung
zwischen den Landen südlich und nördlich der Alpen sowie
der Salz-und Erzreichtum dieses Gebirgszuges tonangebend.
Im Inntale haben wir eine der wichtigsten Zonen
geringen Widerstandes zwischen von der Natur verschieden
ausgestatteten großen Wirtschaftszonen vor uns. Wenn
ich eingangs ausführte, daß es mir untunlich erscheint,
am Beginne der Innstadtentwicklung Kaufleute und Ge-
werbetreibende voneinander scharf zu trennen, so möchte
ich der Ausbildung der Zünfte in späterer Zeit doch eine
große Bedeutung zugestehen. An der schwäbischen und
fränkischen Entwicklung des Gewerbestandes läßt sich
ja die stammesbairische nicht messen; wie zu Aventins
Zeiten war und blieb der Baier vor allem Bauer, dann
Händler und Wirt — und erst zum letzten Gewerbetrei-
bender. Zuerst bildete sich das Lebensmittelgewerbe aus;
von den Brot- und Fleischtischen am Markte oder dessen
Nähe (Brücke) hören wir in den ersten Stadtrechten;
dann kommen Gewerbe, welche vom Lande zugeführte
Rohprodukte verarbeiteten (Gerber, Weber); Lederer-,
Weißgerber-, Weber- und Hutterergassen begegnen uns
neben Färbergassen meist in der Nähe des Stadtbaches,
schließlich kam dann zum ältesten Gewerbe, dem Schmied,
mit der Eisenzufuhr aus den Alpen noch die Gruppe der
Nagler, Spängler rc. Während die „lärmenden" und
„stinkenden" Gewerbe meist in Nebenstraßen verbannt
wurden, finden sich Schneider, Schuster rc. auch am
Straßenmarkte.
Mühldorf, Xaubfngang.
55
Auf diesen hier nur kurz angedeuteten Wegen mach-
ten sich die Einflüsse des Stadtherrn und der Bauern,
der Zünfte und der Gastwirte vor allem aber der Händ-
ler und Kaufleute im Stadtbilde geltend und formten
die mittelalterliche Innstadt und die benachbarten Märkte.
So blieben die Verhältnisse auch in den ersten Jahr-
hunderten der „Neuzeit", nur daß an deren Beginne die
Erfindung der Feuerwaffen eine mächtige Verstärkung
der Wehrmauern und Stadttore zur Folge hatte (Wasser-
burg, Mühldorf, Braunau, Schärding). Die ebenfalls
im Gefolge der geänderten Belagerungstechnik stärker
gefährdete Stadt schob die Stadtmauern oft weiter hinaus
und umgürtete Vororte und Nebenmärkte. (Braunau,
Mühldorf, Rosenheim rc.) Wegen der Aenderung der
Handelswege (Türkengefahr, Rückgang des Orienthan-
dels im Mittelmeer, Emporsteigen der atlantischen Mächte),
ferner durch Kriege und Brände trat in den ersten Jahr-
hunderten der Neuzeit ein Stillstand im Wachstume der
Jnnstädte ein; auch der Stadtgrundriß erfuhr keine Ver-
änderung — nur die Bauformen paßten sich nach Zer-
störung durch Kriegsnot und Brand dem Geschmacke
der weiteren Welt an. Westliche, vor allem aber südliche
Einflüsse wirkten an der Umgestaltung der gotischen Bau-
formen. Diese Aenderungen trafen anfangs zur Haupt-
sache die Kirche, in der Folge die dominanten Gebäude
(Burg, Rathaus) und erst später die Bürgerhäuser.
Im ganzen behielt man aber doch wenigstens im
Erdgeschosse die gotischen Formen bei. So erhielten sich
häufig gotische Rippen in den Laubengängen, Portale
und Fenster mit Formen und Profilen der späten Gotik.
Nur die bereits vorher erwähnten Blendmauern gaben
dem klassischen und barocken Stilgeschmacke und Zeit-
ideen Gelegenheiten zu Formänderungen. Die Kirchen
behielten aber sehr oft ihre alte gotische Form (Wasser-
burg, Neuötting, Braunau), anderorts gab man sich mit
kleinen Umgestaltungen in Kapellen, Turmspitzen rc.
nicht zufrieden, sondern schuf Neues (Mühldorf). Die
Zeit der stärksten Vergrößerungen und auch der ein-
greifendsten Umformungen in der Haus-Dachtechnik bzw.
-formung beginnt aber erst mit der Mitte des letzten
Jahrhunderts.
58 —
Das Ersterben der einmal so lebhaften Innschiffahrt,
die Entstehung der Eisenbahnen, vor allem der Ueber-
gang von der Stadt- über die Volks- zur Weltwirtschaft
fand auch in den Jnnorten stellenweise lauten Widerhall.
Zuerst begannen Rosenheim und Simbach, ge-
genüber dem alten Braunau, lebhaft zu wachsen, dann
gesellte sich ihnen auch noch Mühldorf bei. Rosenheim
wurde zwar erst 1864 Stadt, vergrößerte aber sein Areal
im 19. Jahrhundert auf das Vielfache. Hatte sich bereits
früher an den alten Markt, der zu klein wurde, der
neue äußere Markt angeschlossen, beide zu einander
Iförmig gestellt, so wurde auch die ländliche Nachbars-
gemeinde Roßacker einbezogen und der alte Acker- und
Weideboden weithin städtisch verbaut. Einige kleine und
ärmlich anmutende Dorfhäuser stehen noch als letzte Er-
innerung an die Vergangenheit zwischen hohen Geschäfts-
und Miethäusern.
In Simbach und in Mühldorf entstanden im Um-
kreise der Bahnhöfe neue Viertel. Auf den alten Markt-
plätzen wurde es still; an den Länden legte nur hie und
da ein Boot an, die großen Einkehrgasthäuser für Schiffs-
leute und Frächter füllten sich kaum einmal in der
Woche, am „Bürgertage".
Die Bahnhöfe zu Rosenheim, Mühldorf und Sim-
bach übernahmen in ihren Personen- und Güterhallen
einen Großteil des einstigen Marktverkehres. Nur bei
großen Jahrmärkten und festlichen Aufzügen füllen sich
auch heute die langen Straßenmärkte; da geben sie noch
immer einen prachtvollen Rahmen, zumal dann, wenn
der Himmel sein hellstes Sommerkleid angelegt hat, die
Häuser bekränzt sind und bald blauweiße, bald rotweiße
Fahnen durch die Lüfte wehen. Unsere Heimatfeste im
Jnnsalzachgau haben uns nun fast alle Innstädte in
solchem schmucken Festkleide gezeigt und Gäste, die aus
weiter Ferne kamen, konnten da noch einmal vom alten
Stolze der Innstädte ein lebendiges Bild bekommen.
Uns, die wir in den Innstädten die geliebte Heimat
haben, wissen dieselben wohl immer etwas zu erzählen,
an lauen Sommerabenden aber auch an einem dämmerig
trüben Wintertag. Wenn wir da durch das Stadttor
eintreten und sich wie mit einem Schlage der Raum
— 59 —
's'ifflflerfmrg
weitet, dann glauben wir in einen Festsaal, in eine
große Feiertagsstube zu kommen in der man, zwar in
aller Stille, aber emsig auf ein großes Fest vorbereitet.
Da findet unsere Phantasie ohne große Schwierigkeit
den Weg in die Vergangenheit zurück, da erleben wir
das eine oder andere Stück Geschichte wie einen inhalts-
reichen Traum. Unsere Seele und die „Seele" der Inn-
stadt fließen ineinander.
Wasserburg um 16411. Nach einem Stich von Merlan.
— 61 —
Allgemeine Literatur.
Geiöler Waller, Die deutsche Stadl. Ein Beitrag zur Morphologie
der Kulturlandschaft. Stuttgart 1924, I. Engelhorn.
Mielke Nobert, Siedlungökunde deö deutschen Volkes. München
1927, I. F. Lehmann.
Martina Nudolf, Die Grundrißgestaltung der deutschen Siedlungen.
Gotha 1928, I. Perthes.
Leixner Otto, Der Gtadtgrunöriß und seine Entwicklung. Wien
1924, Österreichischer Bundesverlag.
Lauffer Otto, Das deutsche Haus in Dorf und Stadt. Leipzig 1919,
Quelle & Meger.
Necknagel Marie, Die Städte und Märkte des Bäuerischen Donau-
gebietes. München 1927, Mitteilungen der geogr. Gesellschaft.
Köhler Erich, Alt Bagern. Seine Entwicklung und seine Zukunft.
(Sammelwerk) Berlin W9, 1927, Deutsche Verlags-Aktien-
gesellschaft.
Krebs Norbert, Die Ostalpen und das heutige Oesterreich. Stuttgart
1928, I. Engelhorn.
Krebs Norbert, SUdöeutschland. Leipzig 1923, B. G. Teubner.
Karlinger Hans, Altbagern. Ein Bilderband. München 1922,
Noland-Verlag.
Karlinger Hans, Aus Altbagern. Städte und Bilder. München
1920, F. Schmidt.
Karlinger Hans, Bäuerische Kunstgeschichte 1. Band. München
1928, Knorr & Hirth.
Kriechbaum Eduard, Die Städte des Änn-Salzachgaues. Braunau
1924, I. Stampfl.
Schweighart E., Das bäuerische Jnnstaöthaus. München 1921,
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Stuttgart 1920, Deutsche Verlagsanstalt.
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Nosenheim. Berge und Vorland. Nosenheim 1902, Verlag der
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— 62 —
Cftofenheim und sein Inntal. Herausgegeben vom Stadtarchiv.
Nosenheim 1906.
Eid Ludwig, Zahlreiche Studien Uber Nosenheim, insbesondere
„Nus Alt-Nosenheim" Nosenheim 1906, Verlag des Stadt-
archivs und das von ihm herausgegebene Organ des Hi-
storischen Vereins Nosenheim „Das bagerische Änn-Oberland"
1902—1912.
Fastlinger Max, Die geschichtlichen Anfänge der Stadt Nosenheim.
(„Das Bagerische Oberland am Inn" 2. Jahrg. S. 49 ff.)
Huber Lorenz, Studien Uber soziale und wirtschaftliche Verhältnisse
der Gegend um Nosenheim. 2 Bde. Nosenheim 1908 und
1909. Selbstverlag des Verfassers.
Meixner Hans, Die Ortsnamen der Gegend um Nosenheim. Wissen-
schaftliche Beilage zum Jahresbericht des humanistischen
GgmnasiumS Nosenheim für die Schuljahre 1919 mit 1922.
Nosenheim und das Inntal. „Das Bagerland" 36. Jahrg. (1925),
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(Eine ausführliche Bibliographie zur Geschichte der Stadt
Nosenheim, bearbeitet von Dr. Lorenz Huber, wird später
im „Jnn-Jsengau" erscheinen.)
Wasserburg.
Neithofer F., Kurzgefaßte Geschichte der Stadt Wasserburg. Wasser-
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Heiserer I., Topographische Geschichte der Stadt Wasserburg. Ober-
bager. Archiv Bd. 19, München 1858—59.
Gubg N., Wasserburg am Inn. Süddeutsche Kunstbücher Bö. 33,
Wien.
Müller A., Studien Uber die geographische Lage der Stadt Wasser-
burg. München 1907.
Brunhuber K., WasserburgS Stadtbefestigung. Wasserburg 1925
und mehrere andere Studien zur Geschichte WasserburgS.
Mitterwieser AloiS, Wasserburg als früherer Jnnhafen Münchens.
(„Der Jnn-Jsengau" 3. Jahrg. 1925, S. 49—60 und G.
65—80.)
Wasserburg. Stadtführer von Brunhuber. Wasserburg 1926, Dempf.
Das Wafferburg-Heft der „Ostbair. Grenzmarken" Jahrg. 1926,
S. 176 ff.
Mitterwieser Alois, Aus den alten Pfleggerichten Wasserburg und
Kling. 2. Ausl. Wasserburg 1927, Dempf.
Mitterwieser Alois, Alt-Wasserburg am Inn und sein Schloß.
München 1927, Heimatbücher-Verlag Müller & Königer.
63 —
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Mühldorfer Annalen 1313—1428, herausgegeben von L. Th. Heigel
in „Chroniken der baierischen Städte". Leipzig 1878, Hirzel.
Bauer I., Kurze Geschichte der Stadt Mühldorf. Mühldorf 1902,
Geiger. 2. Aufl. 1924.
Mühldorf und Umgebung. Stadtführer von F. Geiger. Mühldorf
1913, D. Geiger.
„Das Bagerlanö" Iahrg. 1922, S. 33 ff.
Weber I., Heimatbilder. Gesammelte Aufsätze aus der Zeitschrift
„Der Inn-Jsengau". Heft 1: Mühldorf a. Inn. Watzling
1924, Selbstverlag.
Lrmuiou.
Kriechbaum E., Die Stadt Braunau a. Inn und ihre Umgebung.
Cin Heimat- und Wanderbuch. Braunau 1920, Stampfl.
Berger F., Bilder aus der Heimat. Med 1928, preßverein. (Bes.
Heft 3.)
Schärding.
Gubg M, Schärding, eine ostbairische Kunststütte. paffau 1927,
Institut für ostbair. Heimatforschung.
Das Schärding-Heft der „Ostbair. Grenzmarken" Iahrg. 1927.
Kosnihnm. Wittrrtar mit Städtischem Museum
Ketrus oon Nosenheim (1380-1435).
Eine Würdigung seines Lebens und seiner Werke*
Von Dr. theol. Franz Thoma,
Expositus in Rosenheim-Fürstätt.
Petrus von Rosenheim ward geboren um 1380 in
oder bei Rosenheim und starb um den 27. Januar 1433
zu Basel, wo er in oder bei der Dominikanerkirche bei-
gesetzt wurde. Er stammte nach Rausch aus einer Ort-
schaft Wiechs bei Rosenheim (Gegend von Litzldorf),
Verfasser wies aber nahe verwandtschaftliche Beziehun-
gen zu den Weichsern a. d. Glonn nach, welche ebenfalls bei
Rosenheim begütert waren. Petrus selbst nannte sich stets
nach Rosenheim, seine Prozeßgegner aber nannten ihn
„petrus vix“, was auf Wiechs und Weichs gedeutet
werden kann.
Petrus genoß frühzeitig Benediktinerbildung
wahrscheinlich in Tegernsee, doch kann der gleichzeitige
Domscholaster Degenhart von Weichs in Freising auch
auf Erziehung in Freising hindeuten. Zwischen 1395
und 1400 zog Petrus an die neue Universität Wien,
stand in Beziehungen zu Benediktinerkreisen in Kloster
Melk und wanderte 1403 mit dem Wiener Universitäts-
rektor Nikolaus Seyringer und anderen nach Subiaco,
der Wiege des Benediktinertums. Dort wurde Seyringer
1410 Prior, 1412 Abt, 1413 zog er mit mehreren seiner
Genossen in das Kloster St. Anna in Mondragone bei Ca-
pua, wo er wieder Prior wurde. Am 9. November 1415
wurde Prior Nikolaus mit sechs Genossen durch die Kon-
zilsväter von Mondragone nach Konstanz berufen, darunter
Petrus. Die gleichen Personen berief am 25. Januar
1418 Herzog Albrecht V. von Oesterreich nach Wien zur
Reformierung der Benediktiner- und Augustinerklöster,
wobei Petrus ab 2. Juli 1418 bis 28. Juni 1431 zu
Melk, Wien, Seitenstetten und Salzburg mitwirkte.
Juli 1418 bis August 1423 wirkte Petrus als erster
*) Auszug aus einer kirchengeschichtlichen Dissertation. Mün-
chen 1927, Selbstverlag des Verfassers, Ji 3.50.
— 66 -
Reformprior in Melk. Dann widmete er sich literari-
scher und akademischer Tätigkeit auf dem Gebiete der
biblischen Mnemonik, wo er Führer wurde. Predigt-
und Traktatwerke bezeichnen ihn als „maxister 8tuclen-
tium" und „cumor biblicu8". Juli 1426 bis Juni 1428
war Petrus auf Berufung durch den Freisinger Bischof
Nikodemus della Scala und seinen Generalvikar Johann
Grünwalder sowie mit Unterstützung der bayerischen
Herzoge in der Reformierung der bayerischen Benedik-
tiner- und Augustinerklöster tätig und zwar im Freisin-
ger, Regensburger und Augsburger Bistum. Am 12.
Februar 1432 traf Petrus als Abgeordneter der Aebte der
Passauer Diözese in Basel ein und wurde in die Reform-
deputation aufgenommen. Vom Konzil wurde er am
2. Dezember 1432 mit einer Gesandtschaft betraut, welche er
— vom Tode überrascht — nicht mehr ausführen konnte.
Der Name des Melker Benediktiners Petrus von
Rosenheim ist unzertrennlich verknüpft mit der Reform-
geschichte und der Literaturgeschichte des 15. Jahrhunderts
in Süddeutschland. Er spielt eine Rolle in der Ge-
schichte des süddeutschen Benediktinerordens, in der Frei-
singer Diözesangeschichte, sowie in der Konstanzer- und
Basler Konzilsgeschichte. Nicht zuletzt ist dieser Name
der wohl meist genannte in der Geschichte des einstmals
blühenden, wichtigen und weitverbreiteten Literaturzwei-
ges der biblischen Mnemonik.
Die historische Bedeutung dieses Mannes liegt zu-
nächst in seiner bahnbrechenden Arbeit als Pionier der
Melker Benediktiner-Reform bewegung, wel-
che in ihren Anfängen und Wirkungen fast das ganze
15. Jahrhundert hindurch zu verfolgen ist. Erst nach
Petrus und in seinen Bahnen kamen die Fortsetzer:
Johann Schlitpacher von Weilheim, Martin von Senging,
Johann Keck von Giengen, Bernhard von Waging u. a.
Nikolaus Seyringer und Petrus von Rosenheim erschei-
nen schon auf dem Konstanzer Konzil in jener Abschieds-
audienz bei Papst Martin V. als die.Führer des aus
Italien gerufenen Benediktiner-Reformtrupps. Während
der mehr innerlich gerichtete, treffliche Ordensmann Ni-
kolaus Seyringer alsbald mit der ersten Reformabtei
Melk betraut wurde, blieb der Prior Petrus dauernd
- 67 —
frei für die Einpflanzung der dem Sublacenser Vorbild
angeglichenen Melker Reform in den österreichischen und
bayerischen Klöstern, bis ihn das Vertrauen der Aebte
des Melker Reformkreises in die Reformdeputation
des Konzils von Bafel berief. Auch dort befaß er das
Vertrauen der Konzilsväter als Redner des Konzils und
das Vertrauen seiner alten bayerischen Protektoren, des
Herzogs Wilhelm und des Generalvikars Johann Grün-
malder von Freising. Ein Reformkonzil mar der Be-
ginn seiner Reformtätigkeit, ein Reformkonzil das Ende.
Die persönlichen Eigenschaften dieses Reformers
waren rühmlich. Das Freisein vom Ehrgeiz nach einer
Reformabtei war eine besondere Zierde für Petrus.
Während weit jüngere Reformgenossen (z. B. Kaspar
Ayndorffer von Tegernsee) solche Abteien längst ehren-
voll inne hatten, nahm Petrus selbstlos die Mühen der
Reform auf sich. In den namenlosen Strapazen des
Reformwerkes verfiel er weder in lähmenden Pessimis-
mus noch in starren Fanatismus, hatte vielmehr den
Sinn beharrlich den Idealen der evangelischen Räte und
des Benediktinerordens zugewandt, wie feine Salzburger
Visitationsrede beweist. Milde, klug und bescheiden in
der Einführung der Reform konnte er doch auch mit
aller Energie den Ebersberger Prozeß gegen den beispiel-
los widerspenstigen Abt Simon Kästner durch fünf In-
stanzen verfolgen in Rom und Basel. Sein Leitsatz im
Reformwerk lautet: „ut sernper vobis dixi, parcere
subiectis et debellare superbos meum Consilium seniper
fuit et magis amari quam timeri“ (Brief 3) — „die
Unterwürfigen schonen, die Hochmütigen niederkämpfen
und mehr geliebt als gefürchtet werden." Eine treffliche
Selbstcharakteristik! Auch konnte der gestrenge Re-
former von lauterem Humor sprühen wie die köstliche
„Egloga porcina“ (— Schweinsgedicht) und das Preis-
lied auf den Wein „das heilige Oel der Seele" offen-
bart. Seine Briefe zeigen, daß auch unter der Kloster-
kutte treue Männerfreundschaft wohnt, wie sie den
Melker Prior mit dem jüngeren Abte von Tegernsee
zeitlebens verband. Auch spricht gerade aus seinen
Briefen die Sehnsucht nach der stillen Klosterzelle und
der stillen Bücherarbeit sowie eine tiefinnerliche Psalmen-
— 68 -
durchtränkte Frömmigkeit. Alles in allem kann man
unter das durchaus ansprechende Charakterbild des
Petrus von Rosenheim — als Reformer wie als Mensch
betrachtet — die Unterschrift setzen: „vir vere benellic-
tinu8". Ein Reformer, der zuerst bei sich selber das
Reformieren anfing, schon da er als junger Student von
der Universität Wien auszog um zu Subiaco in Italien
an der Wiege und Quelle des Benediktinerordens das
Ordensideal kennen und üben zu lernen.
Handschrift ürs Krtrns von Koftnhrim.
Etiftöbibliothek Melk coö. 8S6 p. 15.
Der Name des Petrus hat aber auch literaturgeschicht-
lichen Klang. Der arbeitsüberladene Pionier der Reform
fand immer noch Zeit und Muse zu literarischen
Arbeiten besonderer Art. Er darf als der Altmeister
des Literaturzweiges der biblischen Mnemonik gelten.
Sein Meisterwerk, das l^oseum Neuronale, eine poetische
Predigersumme, freudig begrüßt und gefördert vom
Predigerorden, entstanden unter der hohen Protektion
des päpstlichen Legaten Branda di Castiglione und seines
Sekretärs, des Dominikaners Johann de Clavaro -
— 69 —
war epochemachend in jener Zeit, wo Concordanzen noch
fehlten. Die schönste der literarischen Früchte der Melker
Reformbewegung! Ein und einhalb Jahrhundert hat
es in Hand- und Druckschriften seinen Siegeszug durch
die Klöster, Theologenschulen und Humanistenschulen
Deutschlands fortgesetzt bis zur letzten Drucklegung im
protestantischen Stettin 1570. Von 1489 bis 1570 wurde
es im Drucke neu aufgelegt zu Bologna, Nürnberg,
Leipzig, Pforzheim, Wien, Straßburg, Hagenau, Augs-
burg, Antwerpen, Stettin. Darum reihte ihn schon
Trithemius unter die „illustres scriptores" ein, obwohl
dies Petrus in seiner Vorrede zum I^08eum bescheiden
abgelehnt hatte. Außerdem war das l?gtiongrium evan-
Aelistarum des Petrus eine bemerkenswerte Kombination
der Versmnemonik und der mnemonischen Holztafeldrucke
(Rylographa) und erlebte bis 1532 (100 Jahre nach
des Petrus Tod) ebenfalls 9 Druckausgaben wie das
I^08sum. Diese Kombination stellte einen gewissen Höhe-
punkt in der Literatur der biblischen Mnemonik dar und
wurde besonders in Humanistenkreisen lebhaft gefördert.
Ein Werk, das zu den Denkmälern und Pretiosen der
Bibliographie gehört. Benediktiner- und Dominikaner-
orden, Humanisten- und Theologenschulen auch evange-
lischer Richtung standen so unter dem Einfluß der Werke
des Petrus von Rosenheim. Auf seinen Werken beruht
die Blütezeit der biblischen Mnemonik im 15. und 16.
Jahrhundert. Der Name Petrus von Rosenheim ward
so genannt von Subiaco bis Stettin, von Wien bis
Straßburg, Basel und Antwerpen und ward noch ge-
nannt eineinhalb Jahrhunderte nach dem Ableben seines
Trägers. Grund genug um Petrus von Rosenheim,
den Altmeister der biblischen Mnemonik, unter die ersten
Schriftsteller seiner Zeit einzureihen, seiner poetischen Fer-
tigkeit und staunenswerten Gedächtniskraft, die auch der
zeitgenössische Chronist Andreas von Regensburg bewun-
derte und vermerkte, einen Lorbeer zu widmen.
Eine besondere Bedeutung dürfte Petrus noch als
Prediger zukommen. Die junge Wiener Universität
wurde unter ihrem geistig hervorragenden Rektor und
Lehrer Nikolaus von Dinkelsbühl, welcher selbst ein
Meister der Rede war, eine Sendschule von Predigern
— 70 —
und Predigtwerken für die österreichischen, bayerischen,
schwäbischen und fränkischen Lande. Die Melker Re-
former trugen im Laufe ihrer Bewegung wesentlich zur
Verbreitung dieser Predigtwerke bei. Als Prediger trat
Petrus wiederholt bei den Klostervisitationen auf vor
dem Kapitel wie vor dem Volke. Seine von Bernhard
Pez überlieferte Rede vor dem neureformierten Salzburger
Kapitel ist formell und materiell klassisch. Als „ve8ter
Orator" unterzeichnete er scherzhaft in einem Tegernseer
Brief (7), als „orator noster" sendet ihn das Basler
Konzil aus zu einem Werbefeldzug für das Konzil und
gegen die Hussiten, wobei letztere wahrscheinlich mehr
als Agitationsmittel.für die Konzilssache dienen mußten.
Seine Predigersumme, das l^08eum Memoriale, dürfte
ebenfalls ein Beweis für seine homiletische Neigung und
Begabung sein. Sie bedeutete eine Großtat im Predigt-
wesen, welches ja des Hilfsmittels der Concordanzen
damals noch entbehrte und auf memorialtechnische Ersatz-
mittel von erstaunlicher Raffiniertheit angewiesen war.
Eine merkwürdige Fügung wollte es, daß der Melker
Benediktiner gerade zu St. Dominikus in Basel, einer
Zentrale des Predigerordens starb und ruht — jenes
Ordens, welcher das Entstehen und die erste Drucklegung
des I^08eum so beförderte.
Lebensaufgabe und Lebenswerk des Petrus von
Rosenheim war zweifellos die Reform des Benedik-
tinerordens. Diesem Hauptziel war seine literarische
und homiletische Tätigkeit untergeordnet. Er verkör-
perte einen bemerkenswerten lebhaften Aktivismus als
Wanderreformer in der Außenpropaganda des Benedik-
tinerordens, der dem Wesen nach eigentlich beschaulich
nach innen gerichtet ist. Aber trotz des Dranges der
Geschäfte in der Außentätigkeit vergaß Petrus die Innen-
tätigkeit des gelehrten und frommen Benediktiners kei-
neswegs. Darum steht das Lebenswerk und die Per-
sönlichkeit dieses süddeutschen Benediktiner-Wanderrefor-
mers als harmonisches Ganzes vor uns.
Meine Beiträge
Zur Geschichte von Gabersee.
Von Oberarchivrat Dr. A. Mitterwieser.
Keine Geschichte der Kreisirrenanstalt will ich
schreiben; denn diese hat, erst 1883 zur Entlastung der
Irrenanstalt in Giesing begonnen, noch kein halbes Jahr-
hundert Geschichte hinter sich; das ist aber kein Tummel-
platz für einen Archivar. Wir wollen vielmehr sehen,
was namengebend an Stelle der Anstalt jahrhundertelang
vorher stand und welche Schicksale dieses Besitztum hatte.
Hier lag ein Einzelhof, früher G a g a r s oder
Gagers genannt. Er gehörte, um es gleich vorweg
zu nehmen, fast ein halbes Jahrtausend lang zum Frauen-
kloster Altenhohenau über dem Inn und dann kein
ganzes Jahrhundert lang mehr zum näheren Kloster
Attel.
Nach B. Eberl „Die bayrischen Ortsnamen" heißt
Gägersch die Elster. Mundartlich wird heute noch Gabisch
mit ganz dumpfem a gesprochen. Das würde auf Gabes,
das Krautland, hindeuten. Die Ableitung ist aber wohl
von Gehag, Kag, Einzäunung zu nehmen. Das amt-
liche Ortschaftenverzeichnis hat 4 Gagers und Gaggers,
alle gegen das Schwäbische zu. Nicht weniger als 21
Kager und 3 Kagerer sind dort zu finden, davon an die
10 in den Bezirksämtern Altötting nnd Mühldorf, fast
lauter Einöden und Weiler; 3 Kagern und das Kirch-
dorf Kagers bei Straubing kommen unserem Gagers
lautlich wieder näher.
Im ersten Bande der MB (S. 287) ist bei den Ur-
kunden der Abtei Attel zu lesen, daß 1271 der Edle
Ulrich von Moosen, dessen Schwester Alhait in Alt en-
hohen au Priorin war, an dieses Kloster den Hof
Gagers, der lange unbebaut gelegen und um 4 Pfd.
Münze einem Herrn H. Puhlaer verpfändet war, ge-
geben habe, weil ihm diese seine Schwester die Pfand-
- 72 —
summe ersetzt hatte. Die Absicht war wohl, den Hof
wieder in Flor zu bringen. Drei Jahre später hat nach
meinen Regesten dieses Frauenklofters^ der Papst dessen
Besitzungen bestätigt, darunter auch die Höfe zu „Ried,
Gagers, Praitbrun", alles beieinander gelegene Höfe.
Wir hören eine Zeitlang nichts mehr. Das Urbar-
buch von der Mitte des 14. Jahrhunderts bestimmt
natürlich die Gilt von dem „Hoff Gagers". Von 1434
ist ein Leibrechtsrevers des neuen Besitzerpaares Bern-
hard und Agnes von Gagars unter dem Siegel des
Wasserburger Stadtschreibers vorhanden. Für jährlich
3 Pfd. Wasserburger Pfennige — wir sehen die Geld-
entwertung — bekommt das Paar den Hof. Im Stift-
und Grundbuch des Klosters von 1574 ist der „Ga-
garßer der hoff" beschrieben. Er zinst 9 Gulden Land-
schuld, 4 Käse, 8 Brote, 2 Gänse, 6 Hühner und 100
Eier. Als Einödhof hatte er nur „Breiten" in den drei
Feldern, in die er je 17 Metzen Getreide baut. Auf
den Fürsäumen erzielt er 7 Fuder Heu. Nachbar ist der
Riedmaier und Geier, die auch zu den ältesten Besi-
tzungen dieses Klosters gehören — Gern seit 1283 —;
dann der Weiler Kroit, die Einöden Kobel und Pfleg-
ham (früher immer Fleckham), lauter alte Grundholden
der Abtei Attel. In dieser Nachbarschaft haben diesen
Hof auch immer die zahlreichen Steuer- und Scharwerks-
bücher des Landesherrn aus der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts. Gagars und Gagarscher liest man
da abwechselnd, i. I. 1600 schon Gagarseer". Auch in
der vierbändigen Grundbeschreibung des Klosters von
1638 heißt es „Gagersee, das guett", das dann wieder
beschrieben wird.
Nun hatten die Frauen zu Altenhohenau mit der
Abtei Attel jahrhundertelang einen Streit wegen der
Wasserbauten am ungestümen Inn und wegen der Auen
am rechten Ufer zwischen den beiden Klöstern. Im Jahre
1715 wurde nun (nach dem Grundbuch von 1574) durch
einen Vergleich der Krieg aus der Welt geschafft. Alten-
r) Im „Obb. Archiv" Bö. 54; eine zusammenhängende Ge-
schichte dieses Klosters ist von mir 1926 im Verlag Filser zu
Augsburg erschienen; im Heimatbücherverlag München aber 1927
„Alt-Wasserburg und sein Schloß".
73 —
Hohenau hat gegen volles Recht auf diese Innauen der
Abtei neben dem Wirt zu Rettenbach die Grundherrschaft
über die drei genannten Höfe Gerer, Gagaser und Ried-
maier abgetreten, so daß diese Abtei nun im Westen der
Stadt Wasserburg bis Edling hinein alle Bauern zu
seinen Grundholden zählte.
Prompt ist auch in den nächsten Stiftbüchern der
Abtei von 1716 und 1780 und im Lagerbuch (von 1803,
nach der Aufhebung) der halbe Hof „Gabeseer" auf-
geführt. Er scheint eine Zeitlang eine Ueberfuhr über
den Inn und eine strittige Bierwirtschaft geführt zu
haben. Denn die amtliche Konskription der Untertanen
im Pfleggericht Wasserburg von 1752, die zum erstenmal
die heutige Schreibweise Gabersee hat, berichtet, daß
1740 der Wasserburger Bürgermeister Ant. Gramer dieses
Gut — ohne daß Attel auf seine Grundherrschaft ver-
zichtete — kaufte und Wirtschaftsrecht erhielt.
Die moderne Schreibweise Gabersee findet sich auch
1786, als zum Schloß Wasserburg eine zweite Wasser-
leitung vom Felde bei Gabersee hereingeführt werden
soll. Seitdem aber aus dem alten Einödhof eine aus-
gedehnte Irrenanstalt geworden ist, hat diese auch die
alten Nachbarn Riedmaier (auch Rottmoser genannt),
Gern und Kroit ausgekauft. Doch scheinen die Gebäude
dieser stattlichen Nachbarhöfe noch alle zu stehen, hoffent-
lich noch recht lange, da es sich, wie wir gesehen, um
uralte Einzelhöfe handelt.
kmistfghrtm.
Zum Abschluß seines heurigen kunstgeschichtlichen
Seminars hat Herr Prälat Dr. Michael Hartig an
den Sonntagen seit Ostern immer mit zwei bis vier
wohlgefüllten Postautos Kunstfahrten in Ober-
bayern unternommen.
Die vorletzte ging ostwärts nach Baumburg, Seeon
und Rabenden und zum Abschluß zur herrlichen Kloster-
kirche Rott am Inn. Die erste brachte die Teilnehmer
südwärts zu den Klosterkirchen Dieffen, Andechs und
Fürstenfeld; die zweite führte westwärts nach dem
— 74 —
Petersberge bei Eisenhofen, nach Indersdorf und Alto-
münster. Die letzte nun brachte die Teilnehmer in die
Umgegend von Erding und besonders nach dem östlich
davon gelegenen „Holzlande." In Erding war um 1720
ein tüchtiger Meister, Knogler, für Turmbau, dessen
Werbe wir in Altenerding, Eschlbach und Hörgersdorf
kennen lernten. Er vermeidet den Uebergang ins Achteck,
kaschiert ihn sozusagen. Auch den Maler Martin H eigel
für Deckenfresken lernten wir in Altenerding und Marta-
Thalheim kennen. Das beste Wirkungsfeld aber hatte
im großen alten Gericht Erding der Bildhauer I orhan,
dem um 1760 die Ausschmückung mancher Kirche an-
vertraut wurde. Altäre mit lebensvollen Rokokostatuen
und Orgelgehäuse mit den Figuren des Psalmisten und
der hl. Cäcilia sind seine Stärke. Von einem anderen
Künstler, der in Holz und Stukko ein ganz eigenartiges
Rokoko in kleineren Kirchen geschaffen hat, kennt man
leider den Namen noch nicht. Es ist eine Idylle, eine
Porzellanidylle, wenn er in der Filialkirche Hörgers-
dorf und deren kleiner Mutterkirche Eschlbach mit
Hilfe des gewöhnlichen Gewölbeloches eine Miniatur-
kuppel mit reizendem Rocaille schaffen will, wenn er am
Magdalenenaltar der Filiale eine große Agave und
gegenüber winzige Wüstenzelte aufbaut, um ein Büßer-
leben in der Einsamkeit augenfällig zu machen, wenn er
endlich den Schalldeckel der Kanzel in der Pfarrkirche
in eine Gartenlaube verwandelt. Unter einem Pfarrer,
der vor 1787 dort 43 Jahre lang wirkte und den eigen-
artigen Namen Ludwig Dapsal trug, muß dies geschehen
sein.
Der Höhepunkt der durch einen Motordefekt und
etliche Regengüsse etwas beeinträchtigten Wanderfahrt
war die Wallfahrtskirche Maria- oder Großthal-
heim, weltvergessen in einem lieben Tal gelegen. Die
überreiche Ausstattung mit sieben Altären ist von 1763,
der Bau selbst aus der Spätgotik. Letzterer gehört auch
die Friedhofskapelle zum hl. Michael an. Das Gnaden-
bild selbst ist auch Spätgotik von guter Art und weist
auf Landshut hin, wo eine ähnliche Figur in der Kapelle
all ^n§elo8 bei St. Martin steht. Durch das Rokoko
wurde dieses Gnadenbild ähnlich wie in dem uns nahen
— 76 —
Münchener Thalkirchen in eine Fülle von Wolken, Vor-
hängen, Engeln und Puttenköpfen eingehüllt. Die vier
Figuren der abendländischen Kirchenväter müssen diese
Bewegung mitmachen, ja sogar ihre Beigaben zur Be-
lebung des Schalldeckels der Kanzel herleihen. In den
sechs Seitenaltären klingt das Leben nach Westen zu ab.
Aber es sind schöne Paare von Kunstwerken, deren Ur-
heber (die beiden Bildhauer Wallet in Freising und
Hörndle von Landshut mit Kistlern und Faßmalern) ich
vor fast fünf Jahren im „Pionier" nachgewiesen habe.
Eine edelgeformte Monstranz mit der Bundeslade
über dem Pelikan paßt gut zu der in jeder Beziehung
reichen und (wie das Abschlußgitter) glänzenden Aus-
stattung dieser abgelegenen Kirche. Eine Geschichte dieser
Wallfahrt wird auch im Altheimatland veröffentlicht.
Dr. Mit ter w i eser.
Die Sieden heiligen Lufluchten.
(Vgl. „Jnn-Jsengau" Jahrg. 1927, ©. 66 u. Jahrg. 1928, S. 19.)
Herr Hauptlehrer Fr. % Rambold, München, teilt mit, daß in
Metten hei m, 23.-21. Mühldorf, im Vorraum der Pfarrkirche ein
2Iltar steht, dessen Blatt diese 2lndacht behandelt. Herr Benefiziat
I. Scheidhammer, St. Leonhard schreibt: Ein 7 Zufluchtenbild be-
findet sich im oberen Gang des Lehrerwohnhauseö in St. Leonhard
b. Schnaitsee. Geschnitzte, ovale Rahme, 40-80 cm hoch, im
unteren Teile das Fegfeuer dargestellt. Herr Erpositus 21. Kebinger
in Feldkirchen b. Trostberg bekundet, daß daselbst in der Gotteö-
ackerkapelle ein Bild derselben ist. 1703. Mares (nicht mehr gut
leserlich). Gutes Bild, früher 2lltarbild in der Kapelle (Kap. jetzt
Lourdeskap.: Bild Uber dem Beinhaus). Den H. H. Einsendern
besten Dank!
Or. Georg Büchner, München.
Literarische Nundschau
Lücherbrsprechungen.
hrw, Dr., Heinrich, Altbayerische VolKserziehung und Volks-
schule. II. und III. Band: Regesten zur OrtSschulgeschichte der
Erzdiözese München und Freising. München 1926 und 1928.
XII, 487, XVI, 648 S. Verlag des Vereins für Erforschung der
Geschichte der Erzdiözese und in Kommission bei N. Huber Mün-
chen, Neuturmstr. 2a.
Nunmehr ist das riesige Werk vollendet. Nicht weniger als
1572 Seilen umfassen die drei Bände. Das Negestenwerk des 2.
und 3. Bandes befaßt sich mit den 45 Dekanaten der Erzdiözese.
Wenn man bedenkt, daß darin die Städte München, Freising,
Landshut, Wasserburg, Traunstein, Erding, Mühldorf, Laufen und
Tittmoning liegen, kann man sich auf reichlichen Stoff gefaßt
machen. Aber auch die alten Märkte Nosenheim, Trostberg,
Waging, Dachau usw. haben eine ansehnliche Schulgeschichte.
Nutzer diesen Städten und Märkten findet man wirklich alte Schul-
geschichte fast nur in den z. T. uralten Stiftern und Klöstern des
Erzbistums. Deren waren reichlich viele in diesem großen Gebiete.
Ich erinnere an Nott, Nttel, Begharting, GarS, Nu, Berchtesgaden,
St. Zeno b. Neichenhall, Baumburg, Seeon, Herren- und Frauen-
chiemsee, Nottenbuch, Tegernsee, Beuerberg, Schäftlarn, Schlehdorf,
Dietramszell, Schliersee, Wegarn, Ebersberg, Schegern, Ilmmünster,
die beiden Stifter in der Stadt Freising, Weihenstephan und Neu-
stist, Isen, Nltomünster, FUrstenfeld, St. Veit bei Neumarkt und
Moosburg. Nuch das weltliche Gebiet des Hochstifts Freising
— die Stadt Freising beansprucht allein 55 Seilen — braucht sich
seiner schulischen Vergangenheit nicht zu schämen, wenn man die
Herrschaften Burgrain mit Isen und Werdenfels mit den drei Märk-
ten nachliest. Doch ist auch die Schulgeschichte des übrigen Platten
Landes, namentlich der alten pfarrsitze und Hofmarken recht inter-
essant. Bei diesem Werke sieht man, was jahrelanges Sammeln
und Durchackern der ergiebigen Quellen für Früchte schaffen kann.
Trotz eigenen Fleißes und Könnens will der Verfasser durch seine
Nrbeit nur „Impulse, kräftige Anregungen bieten, daß ernstes
Studium sich mit der Volksschulfrage in der ^ngeschichtlichkeit un-
serer Zeit" ernsthaft beschäftige, daß also Nndere weiterbauen.
N. Mitterwieser.
Bayerische Wanderbiicher, herausgegeben von Nlex. Heil-
en eg er. I. Neihe, Heft 1: N. Heil m eg er, Ngmphenburg-
Schleihheim. — Heft 2: I. Sch ei öl, Dachau. —Heft 3: N.Heil-
meger, Das Isartal von München bis Tölz. — Heft 6: N.
— 77 —
Paulus, Starnberger See und WUrmtal. — Heft 9/10: H. Blen -
ding er. Das Ammerseegebiet. — München, Verlag Knorr & Hirth.
preis des Heftes M 2.—.
Unter der großen Neihe von Neiseführern, die in den letzten
Jahren herausgegeben wurden, ragen die Bagerifchen Wander-
bücher hervor. Llnter diesem Titel erscheinen die bisherigen Wander-
bücher der „Münchener Neuesten Nachrichten" in wesentlich er-
weiterter Auflage und verbesserter Ausstattung. Berufene Kenner
und geschulte Wanderer geben uns hier ein'Bild der Geschichte,
der Landschaft, der Kunstdenkmale und alles dessen, was zur
Charakteristik und Eigenart der betreffenden Gebiete gehört. Gute
Landkarten, Grundrisse und reichliche Literaturangaben vervoll-
ständigen diese gediegenen Büchlein. Die uns vorliegenden Hefte
machen einen ausgezeichneten Eindruck. In klarer volkstümlicher
Darstellung wird uns die landschaftliche Schönheit und kultur-
historische Bedeutung der weiteren Umgebung Münchens geschildert-
das Wesentliche ist übersichtlich geordnet und geformt. Wer sich in
diese Büchlein vertieft, der wird mit offenen Augen diese Land-
striche durchwandern und all die Fülle von Sehens- und Erlebenö-
wertem, das unsere engere Heimat birgt, kennen lernen. Dieses
Sammelwerk verdient aber auch, in den Schulen für den Heimat-
unterricht verwendet zu werden.
I. Weber.
Mckler-Limpurg, Di*. Siegfried, tjnngau. Ein Buch von
Kirchen, Burgen und Höfen. München 1928, Heimatbücher-Ver-
lag Müller & Königer. 97 S., 8 Bilder, Kart. Ji 1.80.
Das Buch will dem Heimatfreund und dem wandernden
Fremden eine Einführung in die Baudenkmale des bager. Ober-
inntals, zwischen Kiefersfelden und der Ebene geben. Auch das
Tiroler Ufer zwischen Ebbs und der Landesgrenze zog der Verfasser
mit in den Bereich seiner Erörterungen. Als Anfang erscheint das
bekannte romanische Kirchlein auf dem peterSberg. Es schließen
sich eine Anzahl gotischer Bauten an, in denen z. T. noch Altäre
dieser Zeit erhalten sind. DaS ursprüngliche Aussehen der Nuinen
Auerburg und Falkenstein wird nach dem Befund der erhaltenen
Neste und alten Abbildungen geschildert. In der Barockzeit er-
scheinen neben stattlichen Dorfkirchen (Oberaudorf und Flintsbach)
insbesondere die Bauten der Werkstatt der Millauer von Hausstätt.
Die von ihnen nach Entwürfen des Münchener StadtbaumeisterS
Ignaz GunethSrainer erbauten Kirchen in Neisach und Neubeuern
gehören zu den Meisterwerken bagerischer Barockkunst. Zum Schluß
schenkt uns der Verfasser noch eine Uebersicht Uber schöne alte
Bauernhöfe und schildert die wahrscheinliche Entstehung der heutigen
Form. Dr. I. M.
lßüdler, Dr. fL, Dachau in verflossenen Jahrhunderten. Dachau
1928. Verlag „Bagerland" 290 S.
Ein reichhaltiges Werk, das sich der „Festschrift zum 300jähr.
Jubiläum der St. Jakobs-Pfarrkirche zu Dachau" desselben Ver-
fassers in würdiger Weise zur Seite stellt. Bei aller Knappheit
der Darstellung birgt es eine reiche Fülle von Einzelheiten. — „Es
- 78 -
schien ratsam, die alten Dachauer selbst reden zu lassen", sagt
K übler mit Necht. Bildschmuck, Druck und Einband sind einwand-
frei. Dr. Gg. Büchner, München.
Weingartner, Dr. Jofrf, Das Kirchliche lknnstgemerbe der Ken-
;eit. Jnnsbruck-Wien-Münster 1926, „Tgrolia". 470 S., 370 Bil-
der, geb. Ji 27.—.
Der literarisch äußerst fruchtbare Innsbrucker Gtadtpfarrer
wählte sich in dieser gediegenen Arbeit ein Gebiet, das in den
kunstgeschichtlichen Werken wenig berücksichtigt wird. Der Verfasser
behandelt nur das Kunsthandwerk und zwar in vier Hauptteilen:
Die Paramente, die kirchlichen Gefäße und Geräte, die Schmiede-
eisenarbeiten und das kirchliche Mobiliar. Aach einer in großen
Linien gezeichneten allgemeinen Stilentwicklung des betreffenden
kunstgewerblichen Zweiges wird die stilgeschichtliche Entwicklung der
einzelnen Arten der Paramente, Gefäße u. s. w. dargestellt, eine
mühevolle Arbeit, die dem Werke aber auch besonderen Wert ver-
verleiht. Der Kunstfreund, insbesondere aber der Geistliche, wird
in diesem neuen Buche des geschätzten Kunsthistorikers viel lernen
können,- werden ihm doch die Augen geöffnet für die richtige
Würdigung von Kunsterzeugnissen, mit denen er ständig zu tun hat.
Eine stattliche Aeihe technisch guter Bilder veranschaulicht den Text.
Auch die sonstige Ausstattung ist des Inhaltes würdig.
I. Weber.
Krhlrr, Dr. Wilhelm, Das Heimatmuseum. München 1927,
Lehmann. 158 S., 100 Abbildungen, kart. Ji 12.—, geb. Ji 14.—.
Dieses zeitgemäße Buch ist in erster Linie ein unentbehrliches
Hilfsmittel für alle, welche ein Heimatmuseum zu leiten haben.
Ein Museumsfachmann zeigt hier aus dem Schatz jahrzehntelanger
Erfahrung, wie und was man sammeln soll und wie man. die
einzelnen Gegenstände bewahrt und aufstellt, damit sowohl der
Bildungszweck wie auch das Ziel des künstlerischen Eindrucks er-
reicht wird. Das Werk gibt aber auch Anregungen, wie man die
Sammlungen für die Volksbildung nutzbar machen kann. Es
bringt dann ein Verzeichnis sämtlicher deutscher Museen. Die 100
Abbildungen geben Musterbeispiele zweckmäßiger Einrichtung von
Museen, sind aber auch sonst sehr lehrreich. So ist das Buch nicht
nur dem Museumsfachmann, sondern allen Freunden der Heimat
zu empfehlen, besonders denen, die wie Geistliche, Lehrer, Ver-
waltungsbeamte in ihrem Dienste stehen.
lüuuanra und Mouarensia. Bücher und Bilder zur Geschichte
Bagerns und seiner Landeshauptstadt. 2. Teil Bavarica, erste
Lieferung. München 1928, Buch- und Kunstantiquariat des Verlags
Josef Kösel & Friedr. Pustel, Dienerstr. 9. Kart. Ji 2.—.
Der zweite Teil dieser reichen Bavaricasammlung umfaßt die
Orte und Verfasser mit den Buchstaben A—G. (Der erste Teil
enthielt in 2500 Nummern Stiche und Bücher Uber München.)
Da uns noch immer eine bäuerische Bibliographie fehlt, wird man
diese Kataloge mit Erfolg bei allen Arbeiten der Heimatforschung
heranziehen. Insbesonders sind sie für die Ortsgeschichtsforschung
- 19 —
bon Wert, da bon den einzelnen Orten die wichtigsten Schriften
angegeben werden. Der Katalog enthält auf 180 Seiten' 4821
Nummern.
Nnmmichl. Lines Voiksdichters Leben und Schaffen. 135 S.
Preis in Leinen geb. Ji 2.50, fort. Ji 1.50, Verlagsanstalt Tgrolia
A.G., Innsbruck-Wien-MUnchen.
Hunderttausende kennen Neimmichl aus seinen prächtigen
Erzühlungsbüchern. Sie wissen aber nicht, wie seine Lebensschick-
sale waren, wie und wo er arbeitet, wirkt und lebt. Auf alle diese
Fragen gibt das Geöenkbuch Antwort, das die Verlagsanstalt
Tgrolia, in der alle Werke des Dichters erschienen sind, ihm zu
seinem 60. Geburtstag gewidmet. Freunde und engere Landsleute
Neimmichls haben ihm ein bleibendes literarisches Denkmal gesetzt.
Sie schildern sein Leben und Wirken als Mensch, Seelsorger,
Dichter und Volksbildner. Zahlreiche Bilder Neimmichls, seiner
Eltern, seines Vaterhauses und jetzigen Hauses schmücken das
geschmackboll ausgestattete Buch.
Lkitschristknschsu.
Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Herausgegeben bon
der Kommission für bayerische Lanöesgeschichte bei der Bayerischen
Akademie der Wissenschaften. Schriftleitung: Geh. Neg.-Nat Prof.
Dr. Georg Lei ding er. Der Jahrgang wird gegen Einsenden bon
Ji 12.— an die „Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte" Post-
scheckkonto München 17256 unmittelbar hersendet, das erste Heft
ebenso gegen Einsendung bon Ji 5.25. Durch den Buchhandel
bezogen kostet der Jahrgang Ji 16.—.
Diese neue Zeitschrift will den wissenschaftlichen Zwecken der
genannten Kommission dienen und einen Mittelpunkt für alle Be-
strebungen auf dem Gebiete bayerischer Geschichte bilden. Das
erste Heft ist soeben im Gesamtumfang bon 14 Druckbogen er-
schienen. Aus seinem reichen Inhalt seien hier folgende Abhand-
lungen genannt: Paul Zenetti, Fundbericht aus Dillingen a. d.
Donau. — Gg. August Neischl, Zur Siedlungskunde der
Grafschaften Schegern-Wittelsbach. — Gustab Beckmann,
Die Herrschaften Aschau und Hirnsberg-Wilöenwart bis zum Aus-
sterben der Fregberg (1276—1603). — Michael Strich, Der
Ehebalier öella perosa. Ein Hofkabalier aus der Zeit des Kur-
fürsten Ferdinand Maria. — Alois Mitterwieser, Kurfürst
Maximilian III. Joseph der Mildtätige. — Michael Doeberl,
Kulturpolitik König Maximilians II. bon Bagern. — Fritz Knapp,
Frankens Bedeutung in der künstlerischen Kultur. — Otto
Handwerker, Ein bayerisches Geschlecht im kurmainzischen
Franken. — Hermann Schreibmüller, Der geplante pfälzische
Heimatatlas. Mit Nachtrag bon Hans Zeih. — BUcherbe-
sprechungen, denen in den folgenden Heften größerer Naum ge-
widmet werden soll, schließen sich an, dieses Mal ist nur neuere
- 80 -
pfälzische Literatur behandelt. Es folgen Berichte und Mitteilungen
aus den bäuerischen Geschichtsvereinen und-museen. Der für jeden
bäuerischen Geschichtsforscher und Geschichtsfreund vielleicht wich-
tigste Abschnitt des Heftes ist die nicht weniger als 82 Druckseiten
umfassende Zusammenstellung der bäuerischen Geschichtsliteratur
des Jahres 1927, bearbeitet von dem Oberbibliothekar Dr. Wilhelm
Krag der Bager. Staatsbibliothek. Diese literarische Jahresrund-
schau läßt erkennen, wie stark in Bagern in den weitesten Kreisen
die Beschäftigung mit der Geschichte der Heimat gedeiht und wie
wertvolle Arbeiten auf diesem Gebiet allenthalben hervorgebracht
werden.
Lirolrr Heimat. Zeitschrift für Geschichte und Volkskunde
Tirols. Heft 1—9. Herausgegeben von üniv.-prof. Dr. Hermann
Wopfner. Verlagsanstalt Tgrolia Innsbruck-Wien-MUnchen.
Während die „Tiroler Heimatblätter" mehr volkstümlich gehalten
sind und kleinere Beiträge enthalten, stellt sich die „Tiroler Heimat"
als eine Schriftenreihe dar, die auf dem Gebiete der Heimatforschung
und der Volkskunde streng wissenschaftlich arbeitet und größere, in
sich geschlossene Abhandlungen bietet. Die Aufsätze bringen aber
nicht bloß trockene geschichtliche Tatsachen, sondern nehmen auch
Bezug auf die Gegenwart. So wird u. a. der Kampf gegen die
Geschichtsfälschungen Tolomeis und anderer erfolgreich geführt und
der Nachweis erbracht, daß SUdtirol seit mehr als einem Jahr-
tausend deutsches Land ist, daß es sich bei den Bauern SUötirols
und bei den Bürgern seiner Städte um 'altes, bodenständiges
deutsches Volkstum handelt. Darum haben diese Hefte Bedeutung
für alle jene, denen das Schicksal unseres Nachbarlandes am
Herzen liegt. Sie werden herausgegeben von dem bekannten Inns-
brucker Wirtschaftshistoriker Wopfner^ namhafte Fachleute sind
Mitarbeiter. Aus der großen Zahl bedeutender Forschungen seien
besonders hervorgehoben: Dr. H. Wopfner, Tirols Eroberungen
durch deutsche Arbeit. — Dr. I. Garb er. Die karolingische Kunst
und ihre Spuren in Tirol. — Dr. H. Voltelini, Hat Italien ein
geschichtliches Anrecht auf die Brennergrenze? — Dr. O. Stolz,
Die alte Tiroler Landesverfassung, ein Erbstück bodenständiger
Demokratie,- Land und Volk von Tirol im Werden des eigenen
Bewußtseins und im Urteil älterer Zeitgenossen. — Dr. N. Heu -
berger. Die Bevölkerung Tirols im Wandel der Geschichte. —
Dr. H- W opfner, Geschichtliche Heimatkunde. — Dr. I. Svlch,
Die Brennergrenze eine natürliche Grenze? — Dr. H. Gsteu,
Geschichte des Tiroler Landtages. — Dr. H. Wopfner, Wall-
fahrtsort und Volkskunde. — Dr. O. Stolz, Schulwesen und
Wissenschaft in SUdtirol als geschichtliche Zeugen der deutschen
Zugehörigkeit des Landes.
Heimatbilder
Gesammelte Aufsätze aus dem „Inn-Isengau
Herausgegeben von Josef Weber
Mühldorf a. Inn. Von Regierungsrat Dr. Franz Martin
Obermedizinalrat Dr. Eisenhofer und Ff, X. R ambo 1 d
Gars a. Inn. Von Josef Weber und P. Ed. Hosp.
Zur ältesten Geschichte Altöttings. Von Hochschul-
professor Dr. Max Heuwieser.
Zangberg. Geschichtlicher Ueberblick. Von Dr. J.
Weichselgartner.
Die ehemalige Grafschaft Haag. Geschichtlicher
Ueberblick. Von Oberlehrer Ed. Schlereth und Ex-
positus Josef Weber.
Zur Geschichte des Klosters und Archidiakonates Gars.
Von Studienprofessor Dr. Josef Hauser, Professor Ed.
Zimmermann und P. Ed. Hosp.
Salmanskirchen. Geschichtlicher Ueberblick. Von Dr.
J. Weichselgartner.
Preis des Heftes RM. —.45. (5. Heft RM. 1.50; 7. Heft RM.
Bei Bezug von 20 Stück an ermässigt sich der Preis.
Bestellungen auf die Hefte sind zu richten an den Herausgeber
Expositus Josef Weber in Watzling, Post Dorfen I. (Post-
scheckkonto München Nr. 38168) oder an die Buchhandlung
P. März, Dorfen.
Heimattagung ■ ■ ■
in Rosenheim
vom 7. bis 10. September 1928.
Die diesjährige Tagung der Heimatvereine des Inn-Salzachgaues
wird vom 7. bis 10. September im schönen Rosenheim gehalten.
Ein Begrüßungsabend mit Festspiel wird den Teilnehmern einen
würdigen Willkomm bieten, volkskundliche Vorträge, ein histori-
scher Festzug, Kunst- und landwirtschaftliche Ausstellungen und
eine Gewerbeschau werden von allgemeinem Interesse sein und
ein Volksfest großen Stils wird für die Gemütlichkeit sorgen, da
die Tagung im Rahmen der Festwoche zur Erinnerung an die
600jährige Marktfreiheit Rosenheims abgehalten wird. Eine kunst-
geschichtliche Wanderfahrt nach den herrlichen Wallfahrtskirchen
Tuntenhausen und Weihenlinden wird die Tagung beschließen.
Dazu laden wir alle Heimatfreunde herzlich ein!
Historischer Verein Rosenheim.
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