— 99 — Es ist klar, daß auch hier zuerst von der „Geschichte Baierns"^ die Rede sein muß, wie denn ja auch fast alle kleineren Arbeiten Riezlers mehr oder weniger nur Teil- stücke, Vorbereitungen, Ergänzungen, Exkurse zu dieser seiner großen Hauptaufgabe darstellen. Wir fragen also: Was bedeutet Riezlers Lebenswerk für die neuaufblühende bayerische Heimatforschung unserer Tage? Heimatforschung ist in der Regel Dienst am kleinen, am einzelnen, am lokal begrenzten Objekt. In dieser Eigenschaft steht sie vor zwei Gefahren: entweder sich zu sehr mit den Einzel heiten, dem Sporadischen zu begnügen, ohne es irgendwie in den großen geschichtlichen Zusammenhängen einer Zeit festzulegen, oder beim Versuch, diese Verwurzelung in den großen Geschichtszusammenhängen zu finden, sich zu sehr in die Breite zu verlieren und um einer Kleinigkeit willen einen mächtigen Apparat in Bewegung setzen zu müssen. Das erstere führt zur Inhaltlosigkeit des Gegenstandes, das letztere zur Uferlosigkeit der Darstellung. Ein Werk nun wie die Riezlersche Landesgeschichte von Baiern — nur ganz wenige Länder Deutschlands können sich eines solchen Besitzes rühmen — ist nach diesen Richtungen hin von unersetzlichem Wert. Es gibt dem Heimatforscher die großen Richtlinien an, in denen sich die Geschicke seiner Heimat bewegen; es schafft den staats- und volksgeschichtlichen Raum und die geschichtliche Abgrenzung für all das Leben, das an den einzelnen Orten emporsproßt; es zieht über das Land ein Retz von Fäden, an die sich die lokal- historischen Abzweigungen anknüpfen können. Zu Riezlers Werk znriick und von ihm her führen lauter kleine, aber wasserreiche Kanäle: nun kann nichts mehr von bayerischer Ortsgeschichte in der Luft hängen, nun kann alles vom Zentrum der bayerischen Landesgeschichte aus Leben und Wärme empfangen. Aber noch ein anderes ist in diesem Werk für uns von größter Bedeutung. Es liefert durch die Fülle der in ihm aufgezeigten Beziehungen ungemein reichen Stoff zu Anregungen und zum Nachspüren; immer wieder reizt es uns, von Riezler angespornt, nachzuschauen, wie dies oder jenes der von ihm entworfenen Ereignisse 9 Seit 1878 erscheinend, bis jetzt 8 Bände, abschließend mit dem Ende der Regierung Max Emanuelö.