Linzer Volksblatt, Nr. 225 Samstag, 28. September 1935 26 Diözese und Dombau Von Viktor Kerbler Seit dem Tage, an'welchem an die Verwirklichung des Entschlusses des großen Bischofes Fr-anz Josef, rät der Bischofstadt einen Mariä-Empfängnis-Dom zu bauen, her angetreten wurde, find die Gedenktage und Feste der Diözese Linz auch Stationen und Feste des Dombaues geworden und umgekehrt. „Kirchenbauen erfordert Mühe, Kirchen weihe bedeutet Festesfreude", sagte schon der hl. Augustinus. Wir haben dies bei der Domweihe im Jahre 1924 erlebt, die ein Hochfest der Diözese und den Abschluß einer wichti gen Bauperiode unseres Dombaues bedeutete und wir dür fen hoffen, daß die festliche Begehung des 150jährigen Be standes der Diözese Linz nicht nur, was wohl im Vorder gründe steht, eine Belebung und Festigung des religiösen Sinnes den Diözesanen bringen, sondern auch eine kräftige Förderung des Dombaues einleiten und die ursprüngliche Begeisterung für das große Werk wieder herstellen werde. Beides geht Hand in Hand und der geniale Augustin Rodin hat ohne Zweifel recht, wenn er meint, das Volk in seine Kathedralen führen, heiße, es zu den Wurzeln seiner Kraft führen, und schon der Psalmist sagt: Ich freue mich, wenn es heißt, wir gehen in >das Haus des Herrn. Vielleicht wird man finden, die Zeit der Not sei wenig geeignet zum Kirchenbauen und Feftefeiern, etwa wie Tells Gattin spricht: Mir starrt das Herz und du, Tell, sprichst von Festen. Gewiß, die Kirche singt ihr Gloria und Te Deum auch in bedrängter Zeit und feiert Feste, wie fie eben die Kirche feiert, die sich in ihrer Zweiteilung von Welt und Überwelt, von Natur und Übernatur durch nichts irre machen läßt und deren Festgedanken aus dem grauen Alltag in den nie endenden Festtag weisen. Nicht um eitles Gepräge und leeren Schall handelt es sich bei kirch lichen Festen, sondern, da wir nun einmal nicht pure Gei ster, sondern Erdenmenschen sind, darum, der inneren Ein stellung in eindrucksvollen, meist altehrwürdigen Kultformen äußeren Ausdruck zu verleihen und den religiösen Sinn wieder neu zu beleben und zu festigen. Der Bonner Gelehrte Heinrich Lützeler berichtet von dem Ethusiasmus, von dem sich einst das Volk in Hingabe an die kirchliche Kunst tragen ließ. „Als die Kachedrale von Chartres zu Ehren der Gottesmutter gebaut werden sollte, drängten sich die adeligsten Menschen zu Knechtesdiensten, nicht nur in einer Woche hochgespannten Gefühles, sondern während zweier Jahrzehnte des Baues. Feinde versöhnten sich, in heiligem Eifer suchte man Fluch und schlimme Tat zu meiden. Für Gott, für Frankreich und für die Kunst nahm man gern alle Mühe bei der Beschaffung des Bau materials auf sich." Solche Formen nahm allerdings die Begeisterung für die Idee des Dombaues in unserer gemäßigten Zone nicht an, aber der Oberhirte wandte sich nicht vergebens an seine Diözesanen, und es währte nicht lange, bis hundert tausend Mitglieder des Dombauvereines das Gelingen des großen Planes erhoffen ließen. Oft er klärte der Gründer und erste Bauherr, er lege das Haupt gewicht auf die vielen kleinen und kleinsten Spenden und baue im Vertrauen auf die fortdauernde Liebe seiner Diö zesanen zur Gottesmutter und zu dem ihr geweihten Werke, für das er auch keinen Kostenvoranschlag machen ließ. Selbstverständlich konnte trotz des großen Erfolges des ersten Aufrufes nicht sofort mit dem Baue begonnen, son dern mußte vorerst eine Art Reservefonds gebildet werden, um den Fortbau auch bei eintretender Knappheit der Mittel wenigstens für einige Zeit zu sichern. Aus dieser Vorsicht entstand in weiten Kreisen der Bevölkerung der erst durch die Inflation gründlich ausgerottete Glaube, es werde nur von den Zinsen eines stetig anwachsenden Kapitals gebaut. Im Jahre 1862 war man soweit, daß dem Drängen so vieler Freunde des Dombaues nachgegeben und mit dem Bau begonnen werden konnte. Das Fest der Grund steinlegung fand am 1. Mai 1862 unter freudiger An teilnahme weitester Kreise der Diözese statt. Der Schreiber dieser Zeilen wohnte dieser Feier zwar noch nicht als Mit glied des Dombaukomitees, aber schon als hoffnungsvoller Schüler der Anfangsklasse der k. k. Normal-Hauptschule auf dem Hofberg bei, und erinnert sich noch der gehobenen Stim mung, die an diesem Tage in der Landeshaupt- und Bischof- stadt herrschte. Die Opferwilligkeit der Diözesanen erfuhr durch die denkwürdige Grundsteinlegung starken und nachhaltigen An trieb. so daß schon am 29. September 1869 die Einweihung der prächtigen Votivkapelle erfolgen konnte, in der nun regelmäßig Gottesdienst abgehalten wurde. Der Zu gang zu der durch sine Wand abgeschlossenen Votivkapelle mit der schönen Immakulata-Statue von Gasser führte über eine Holzbrücke, welche den größtenteils schon ausgeführten Bau der Krypta überspannte. Bischof Franz Josef überschritt als ständiger Besucher der täglichen Abendandacht in der Votivkapölle gar oft diese Brücke. Der Sängerchor mit den Bläsern, welche bet der Einweihung der Votivkapelle die aus diesem Anlasse von Anton Bruckner komponierte b-Moll-Messe, wohl das herrlichste Werk der gesamten Kirchenmusikliteratur aufführten, hatte auf der Westseite des zum Teil schon ausgeführten Kapellenlkranzes Aufstel lung genommen. Der Ausbau des letzteren, der Sakristei, der Emporen so wie des Presbyteriums bildete die Aufgabe der Bauperiode 1869 bis 1885. Es gelang, diese Bauteile so weit fertig zu stellen, daß das hundertjährige Diözefan- Jubtläum im Jahre 1885 nicht nur im Alten, sondern auch schon im Mariä-EmpfängNis-Dom gefeiert werden konnte, und zwar in einem Raum, der den Fassungsraum auch der größten Kirchen der Diözese schon weit übertraf. Der am 29. November 1884 verschiedene Gründer des Domes war in der bereits ausgebauten Unterklrche be stattet worden. Ern würdiges Grabmal bezeichnet die letzte Ruhestätte des großen Bekenners. Mag wohl die Zahl derjenigen, welche der Feier der Grundsteinlegung beigewohnt haben, sehr gering geworden sein, so werden sich viele unter den Lebenden der eindrucks vollen Veranstaltungen anläßlich der Säkularfeier erinnern. Die Abendpredigten, insbesondere des geistreichen, tempe ramentvollen Paters K l i n k o w st rö m, zogm viele in den Dom, die sonst Predigtbesuch nicht zu ihren Gewohn heiten zählten. In dem durch eine hohe Wand und einen Vorbau abgeschlossenen Teile des Domes konnten in der Folge zahlreiche eindrucksvolle Feiern abgehalten werden. Nicht zuletzt im Hinblick auf die vielen unausgebauten Türme großer Dome wurde für die nächste Bauperiode der Turmbau in Aussicht genommen, der die Jahre 1886 bis 1901 in Anspruch nahm. Der 134 Meter hohe, schön gegliederte Turm, der durch die Ausführung man cher heute noch fehlender Details noch gewinnen wird, fft das weithin sichtbare Wahrzeichen der Bischofstadt gewor den. Das siebenstimmige harmonisch-melodische Geläute, das der Turm in zwei Stockwerken birgt, gehört zu den schönsten Geläuten in deutschen Landen. Der Mann, der noch vor Inangriffnahme des Dombaues ein Stück Gold zur Vergoldung des Turmkreuzes erlegt und so sein Ver trauen auf das Gelingen des großen Werkes zum Aus druck gebracht hatte, hat den Ausbau des Turmes nicht mehr erlebt, aber seine Spende konnte widmungsgemäß verwendet werden, da der Domturm nicht mit der üblichen Kreuzblume, sondern mit einem Metallkreuz abschließt. Nach dem Ausbau des Turmes dachte man vorerst daran, das Querschiff oder das Langhaus auszubauen und den so gewonnenen Raum unter Aufführung einer provisorischen Abschlußwand mit dem Presbyterium zu ver binden. Aus Scheu vor kostspieligen Provisorien und aus jenem Optimismus heraus, der auch den Gründer beseelte, ging man schließlich auf das Ganze los und trotz der Schwierigkeiten, welche der Krieg und die Nachkriegsjahre mit sich brachten, war es möglich, den Bau so zu fördern, daß am 1. Mai 1924 das Fest der Domweihe began gen werden konnte, das in der Erinnerung auch der jüng sten Generation lebt. , Es wurde erwähnt, daß tJir Dom68ü, der stets als eine Herzensangelegenheit der Diözese betrachtet wurde, vorwiegend mit Hilfe der kleinen Beiträge der Diözesanen gebaut wurde. Es tut dem Ruhme der letzteren keinen Eintrag, wenn wir nicht verschweigen, daß im Laufe der langen Bauzeit auch einzelne größere Spenden kräftig weiterhalfen. So wurde der Ciborium-Aufbau des Hochaltares aus dem Vermächtnisse eines edlen Diözesan- Priesters durchgeführt. Die mächtigen Säulen des Lang hauses wurden auf Kosten einzelner Spender errichtet. Der prächtige Dachreiter auf der Vierung wurde auf Kosten eines liebenswürdigen Domkapitularen hergestellt, mit dessen Ramm diese Zierde des Domes in eingeweihten Kreisen scherzweise genannt wurde. Einen beispiellosen Er folg bedeutete die Beschaffung der großen Gemäldefenster. Man hielt es wohl für eine scherzhafte Wendung, wenn Bischof Rudolf in einem Aufrufe schrieb: Werden 42 Fen ster dem Anstürme der Begeisterung genügen? Tatsächlich wurden binnen kurzem die Kosten für alle Fenster auf gebracht. Als infolge Mangels entsprechender Zuflüsse die Einstellung des Baues in Aussicht genommen werden mußte, wußte der gegenmärtige Bauherr den Men Papst Benedikt XV. so für unseren Dombau, den Leo XIII. ein Opus magnikicum nannte, zu begeistern, daß er di« Bereit stellung der Mittel für den Ausbau des Domes in Aussicht stellte. Tatsächlich konnte die Herstellung der Maßwerke für die Fenster des Langhauses aus päpstlichen Spenden durch geführt werden. Größere Spenden einzelner Institute er möglichten die Herstellung des Kirchenpflasters und besei tigten das letzte Hindernis für die Anberaumung der Dom- weihe. Der zur Domweihe nach Linz gekommene Bundeskanz ler Dr. Seipel bemerkte in einer Rede, er habe sich bei jedem Aufenthalt in Linz um den Dombau umgesehen, daß er einmal fertig werden würde, daran habe er allerdings nie gedacht. Fertig ist der Dom auch heute nicht und nach dem Worte Bischof Rudolfs: Wir, die wir den Dom bauen, seien die Glücklicheren, werden wir uns dieses Glückes noch ziemlich lange erfreuen können. Bald nach der Dom- weihe wurde mit dem Weiterbau nach Zulaß der Mittel begonnen. Zunächst wurden die beiden Turmkapellen mit den schönen Lauben, jedoch ohne die Galeriebrüstungen und Fialen, ausgebaut. Gleichfalls ohne die Fialen wurde der östliche Querschiffgiebel mit einer sehr wirkungsvollen Stein dekoration versehen. Durch Herstellung des Wimperges beim Turmportale erfuhr dieses eine wesentliche Belebung und Verschönerung. Die unter Niederlegung der Abschluß mauer in der Baumbachstraße auf Kosten der Stadt Linz erfolgte Herstellung eines Granit-Podestes beim Turm schuf ein Bild von prächtiger Wirkung. Nun erst gelangt der Turm zur vollen monumentalen Wirkung, die durch die benachbarten Profanbauten, die einen Maßstab für die Höhe des Turmes bilden, nur erhöht wird. Wie von selbst ergibt sich nun als die nächste Auf gabe die tunlichste Ausgestaltung der Bauteile um den Turm. Die Herstellung der Tore in Eichenholz mit Bronze- verkleidung der Außenseiten ist im Zuge. Die Ausführung des Tympanon-Reliefs beim Haupteingange nach dem Sattlerfchen Entwürfe ist bereits in die Wege geleitet und dürfte den Ertrag der letzten Dombau-Lotterie so ziemlich in Anspruch nehmen. Hoffentlich werden es neuerliche Zu flüsse ermöglichen, in absehbarer Zeit auch die Statuen beim Hauptportale — die vier Evangelisten und die großen Propheten, die Galeriebrüstungen und Fialen der Turm- kapellen, die Dachkämme auf letzterem — herzustellen, so daß man wenigstens von der Turmfront wird sagen kön nen, sie sei „fertig". Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß man es weder beim Bau, noch bei Aufbringung der Mittel unterlassen hat, sich moderner Hilfsmittel zu bedienen. Gas, Elektrizität, Derriks Preßlufthammer und dergleichen trugen zur Beschleunigung des Baues bei und drei ertragreiche Dombau-Lotterien boten in den letzten Jahren hauptsächlich die Mittel zum Weiterbau. Da, wie wir annehmen wol len, die rege Beteiligung der Bevölkerung an den Dombau- Lotterien nicht so sehr auf die Aussicht auf Gewinn, son dern auf die Absicht, das Dombauwerk zu fördern, zurück zuführen ist, so stellt auch der Erfolg dieses modernen Hilfsmittels nur einen Beweis dafür dar, daß der Gründer den Sinn seiner Diözesanen richtig eingeschätzt hat, wenn er das große Werk im Vertrauen auf die fortdauernde Liebe seiner Diözesanen zur Gottesmutter zu beginnen wagte. Daß diese Liebe im Laufe der Bau zeit nicht erkaltet ist, sondern durch den Mariä-Empfängnis- Dom, der gleichsam die Zentrale der Marienverehrung in der Diözese bildet, erhabenen Ausdruck und neuen Antrieb gefunden hat, ist eine der erfreulichsten Feststellungen an läßlich des 150jährigen Diözesanjubiläums. ^uk zur Vollendung des Domes! Von Fl. Oberchristl >’ Der Mariä-Empfängnis-Dom ist seit der Gründung der Diözese vor 150 Jahren in Linz die dritte Domkirche. Zuerst wurde die Stadtpfarrkirche als Domkirche verwendet, dann aber die geräumigere einstige Iesuitenkirche, seit 1. Mai 1909 ist der damals noch nicht ausgebaute „Neue Dom" als Kachedrale in Benützung. Seit 1. Mai 1862 wird an dem gewaltigen Dom gebaut. Die Baugeschichte des Domes umfaßt fünf Bauperioden: 1. Von der Grundsteinlegung bis zur Vollendung der Votivkapelle 1862—1869. 2. Bau des Presbyteriums bis zum Querschiff 1870 bis 1885. 3. Turmbau 1886—1901. 4. Bau des Lang- und Querschiffes 1902—1923. 5. Vollendung des Domes 1924—. „Bis zur Vollendung des Domes werden noch viele Jahre vergehen . . . Der 5. Bauabschnitt, die Vollendung des Domes, dürfte nach den jetzigen Verhältnissen eine lange Bauperiode werden", schrieb ich 1925 („Der Linzer Dom", Seite 33). Wohl ist seit der Domweihe 1924 am Dome weiter ge arbeitet worden soweit die Mittel reichten: es wurden die beiden Turmkapellen ausgebaut und mit Gemäldefenstern und die Taufkapelle mit einem prächtigen Taufstein ver sehen; desgleichen wurden die beiden Nebenportale beim Turmeingang hergestellt, die Giebelfelder ober den Quer schiff-Portalen und diese beiden Portale „im Rohbau" und manches andere — aber es fehlen außen und innen noch gar manche kostspielige Ergänzungen. Am Turme ist ldas Hauptportal noch zu vollenden: es fehlen noch 12 Steinstatuen und die 3 großen Stein reliefs des Tympanon; gegenwärtig werden die Vorarbeiten hiezu gemacht. Oberhalb der Turmrosette fehlt noch die Granitbrüstung zur Galerie, die am Beginne des Hochschiff daches um den ganzen Dom herumführt. Im Turme selbst soll ein elektrischer Aufzug bis zur gedeckten Galerie und von dort eine eiserne Stiege oder ein elektrischer Aufzug (Lift) in den Helm des Turmes eingebaut werden; jetzt kann man in die schwindelnde Höhe des Turmhelmes nur auf schwankenden Leitern gelangen! Am Dome fehlt noch die Granitbrüftung am Quer schiffe und den Seitenportalen sowie am Dachbeginne der Seitenschiffe, nur die vordere über dem Kapellenkranz ist fertig. Die Verstrebungen im Quer- und Langschiffe sowie an den Turmkapellen sind noch zu ergänzen, es fehlen die Fialen und Kreuzrosen Auch mit der Wiederherstellung des Kupferdaches, das im Kriege abgeliefert und durch verzink tes Eisenblech ersetzt werden mußte, wird in nicht ferner Zukunft zu rechnen sein. Im Jnnerndes Domes ist die Steinbrüstung der Galerie am Beginne des Hochschiffes im Quer- und Lang schiffe, sowie die Brüstung des rückwärtigen Mufikchores