Am 4. Mai hat im preussischen Abgeordnetenhause Dr. v. Bosse, der Chef, und am 7. Mai an gleicher Stelle Dr. von Bartsch, der Direktor des Ministeriums für Medizinal - Angelegenheiten vor der Oeffentlichkeit kundgethan, dass die Naturheilkunde sowie deren An hänger und Vertreter, von diesem Ministerium nichts erwarten dürfen. Das ist mehr betrübend als es überraschen konnte. Der Herr Minister ist Jurist und auch sein Direktor besitzt keinerlei medizin wissenschaftliche Vorbildung. Sie mussten sich daher auf einen Beirat von — wie Herr von Bartsch sie zeitgemäss nennt — „ersten Männern“ stützen, nämlich auf die „wissenschaftliche Depu tation des Medizinalwesens“. Diese aber setzt sich aus .dreizehn älteren Medizinärzten zusammen, die nach ihrer ganzen Anschauungs weise zu den entschiedensten Gegnern der „nichtzunftmässigen“ Heil methoden zählen. Bekanntlich hat der Kampf gegen die Kurier freiheit im Volke selbst gar keine Gefolgschaft, derselbe wird viel mehr nur von der dabei materiell stark interessierten Aerzteschaft geführt. Da nun die Mitglieder der wissenschaftlichen Deputation «ich aus diesem Aerztestand rekrutieren, so liegt es nahe, dass ihnen auch die Vaterschaft der medizinalministerlichen Antipathie zuge sprochen werden darf. Bei der einseitigen Zusammensetzung der Deputation ist es klar,' dass dieselbe dem Wöhle des Volkes am besten dadurch glaubt dienen zu können, dass sie die Interessen ihres Standes vertritt. . Darin liegt indessen eine Gefahr, denn die Ankläger sind hier zu Richtern in eigener Sache bestellt. Mit der Kurierfreiheit fällt auch die Freiheit der Wahl einer Behandlungsmethode, die ein wichtiges weil notwendiges Recht des Kranken darstellt. Man ist heute recht schnell bei der Hand, wenn es sich um Aufhebung von Freiheiten handelt, während man doch nur durch Gewährung neuer Freiheiten der Entwickelung und dem Gesamt-Interesse zu dienen vermag. Ohne Zweifel ist indessen sowohl der Herr Minister wie auch sein bewährter Ministerialdirektor von tiefem Gerechtigkeitsgefühl durch drungen und es bedarf daher wohl nur der Anregung, um sie zur Anhörung auch der anderen Partei zu veranlassen. Es ist trotz aller oft merkwürdigen gesetzgeberischen Massnahmen des letzten Jahr zehntes doch nachgerade undenkbar, dass man einen Stand zu Gunsten eines anderen ungehört verdammt und vernichtet. Sollte wider Er warten in irgend einem Ressort eine solche Absicht bestehen, so mögen die leitenden Kreise gefasst sein auf einen flammenden Protest! — Es muss betont werden, dass die Aufhebung der Kurierfreiheit gerade das Gegenteil des beabsichtigten Zweckes erreichen würde. Der intelligente und ehrliche Heilkünstler würde verschwinden und der „Heilschwindler“ würde Mittel und Wege finden, sein unsauberes Gewerbe ebenso nach Aufhebung der Kurierfreiheit zu betreiben, wie es vor Einführung derselben geschah. Diesen Effekt will doch Herr von Bosse jedenfalls nicht erzielen!? — Die Aufhebung der Kurierfreiheit wäre zur Zeit gleichbedeutend mit e ine r Unterdrückung der segens reichen Naturheilmethode. Das darf nicht vergessen werden.