192 «einem Ende znneigt, es noch einmal übersehen, so können wir sagen: es hat erfüllt, was es versprach. Dass auf dem uns am meisten interessirenden Gebiete hier und da Anschauungen vertreten werden, die nicht die unseren sind, darf nicht Wunder nehmen. Trotz der gewaltigen Ausdehnung unserer Sache sind wir doch leider immer noch eine Minderheit im deutschen Volke. — Der 15. Band reicht vom Stichwort „Russisches Reich“ bis “Sirte“. Einzelne Artikel die wir prüfen konnten, zeigen meisterhafte Be arbeitung. Der Reichtum von bildlichen Darstellungen ist wieder sehr gross. Er um fasst neben 250 Textbildern 87 Sondertafeln, darunter 1B Tafeln in Farbendruck. —Feuilleton. ffr— „Sei anständig!“ Ein Lebensbild als Warnung von Bertha Mutschlechner. (Schluss.) Anna hätte das alles sehr hübsch gefunden, wenn sie nur jene unüberwindliche Scheu losgeworden wäre, welche sie, — in Gegenwart anderer, ebenso wie auf der Strasse, ja sogar zu Hause, wenn Besuch da war, — hinderte, ihren körperlichen Angelegenheiten, die nötige Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Es wäre bei ihrem, ohnedies schon nicht mehr ganz tadellosen Zustand, von grosser Wichtigkeit gewesen, sofort jeder leisen Mahnung in dieser Hinsicht Gehör zu schenken, sie hätte damit manches gut machen, schwererem Uebel Vorbeugen können, aber wie sollte eie es über sich bringen, mitten aus einem Salon voll Besuchen, in der animiertesten Unterhaltung, sich zu entfernen. „Was würde inan denken!“ Oder gar im Konzert, Theater, auf dem Ball! — O ja, sie bekam häufig Kopf weh, Uebelkeiten, einmal war sie sogar einer Ohnmacht nahe, sie hatte oft gar kein Interesse mehr, an allem, was sie sah und hörte, manches Ver gnügen wurde ihr vergällt und sie sah einem langem Aufenthalt unter Menschen sogar mit Bangen entgegen, — aber lieber ertrug sie alle diese Qualen, und sündigte langsam und stetig* auf ihre Gesundheit weiter, als dass sie das Natürliche natürlich aufgefasst und im rechten Moment sich entfernt hätte, um ihrem Körper sein Recht zu lassen; sie war so gewöhnt, diesen falschen, eingebildeten Geboten der „Schicklichkeit“ zu folgen, dass sie eine Bekannte, welche hierin ihre Ansichten nicht teilte, in Gedanken als „sehr roh und ungebildet“ beurteilte. Was geknechtet wird, erlahmt, voraus wenn alle Widerstandsversuche nutzlos sind; so auch die menschliche Natur. Anna hatte seit ihrer frühen Jugend ihrem Körper sein Recht vorenthalten, in falscher, verblendeter Scham verhindert, .dass der Organismus die unbrauchbaren Stoffe zur rechten Zeit ausscheiden konnte, nun rächte sich der Körper, die Organe, welche die Natur zu diesen Funktionen geschaffen, erschlafften und erlahmten durch den fortgesetzten Zwang und die Folge war, dass das junge Mädchen, in dessen Körper sich zurückgestaute unreine Krankheitsstoffe ansammelten, immer häufiger an Kränklichkeit, Schmerzen und Unbehaglichkeit litt. In Folge davon und besonders des hartnäckigen Darmleidens befiel sie nun auch eine grosse Nervosität, welche, abwechselnd zwischen Reizbarkeit und Melancholie, ihr das Leben verbitterte und ihren Eltern die bangsten Besorgnisse machte. „Das machen die Aufregungen des gesellschaftlichen Lebens,“ meinte Herr Rehberg, und wenn er auch damit nicht ganz Unrecht hatte, so war damit doch der wahre Beweggrund dieser traurigen Leiden lange nicht entdeckt. „Das Kind braucht Luftveränderung,“ behauptete Frau Rehberg und fand damit den Beifall des Hausarztes, der sofort den Aufenthalt in einem viel besuchten, grossen Badeort anriet. Mit gehobenem Mute trat die Familie die Reise an; aber auch im berühmten K. gingen die Fluthen des gesellschaftlichen Lebens hoch, unmöglich für Rehbergs, sich ganz zurückzuziehen; wäre Anna an einen stillen unbesuchten Gebirgsort gekommen, vielleicht hätte sie sich dort natürlicher gehen lassen und es wären von selbst die Schranken gefallen, welche ihre krankhafte Einbildung