98 Ueber Naturheilkunde. Von Dr. insä. Christoph Freiherr von Hartungen in Riva am Gardasee. IV. Hypnose und Suggestion. (Fortsetzung.) Eine weitere Entwickelung der Suggestions-Theorie bedeutet das 1866 er schienene Werk Liöbaults, in welchem er, ein Feind alles Wunderbaren und Mystischen, bereits eine Erklärung auf psycho-phystologischer Grundlage ver sucht, die in den meisten Punkten das Richtige trifft. Noch einmal mußte die Aerztewelt aus ihrer Lethargie mit Bezug auf den Hypnotismus aufgerüttelt werden, bevor deutsche Kliniken diese Versuche wiederholten und sie noch zu erklären versuchten, und zwar durch den, der Medizin übrigens fernstehenden Dänen Hansen, welcher in allen größeren Städten Europas öffentliche hypnotische Vorstellungen gab, indem er unter der Zuhörer schaft immer mehrere fand, welche er durch Anstarrenlassen eines glänzenden Gegenstandes kataleptisch machte, und denen er dann alle Arten von Sug gestionen erteilte. Eine ganze Literatur wurde seitdem über Hypnotismus hervorgerufen, und Männer von weltbekanntem Ruf haben seitdem das verkannte Banner der Suggestionsheilweife entfaltet. Wir nennen aus der großen Zahl nur die Namen eines Heidenhain, v. Nußbaum, Beaunis, Benedict, Rosenthal, Forel, Krafft-Ebing. Daß es trotzdem noch eingefleischte Gegner des Hypnotismus und der Suggestionsmethode giebt, wird den nicht wunder nehmen, der da weiß, daß es immer Menschen und insbesondere pedantische Gelehrte geben wird, die „vom Alten nichts vergessen und vom Neuen nichts lernen wollen". Aus allen gemachten Beobachtungen ergiebt sich folgende Schlußfolgerung: Die Hypnose ist ein rein seelischer Zustand, welcher durch seelische Mittel mit oder ohne natürliche Zuthaten bei Erkrankten, wie bei geistig und körperlich Gesunden herbeigeführt werden kann, und der sich vom normalen Zustande durch eine Steigerung der ideo-motorischen, ideo-sensitiven und ideo- sensoriellen Reflcxerregbarkeit unterscheidet. Wie läßt sich am leichtesten die Hypnose hervorrufen? Auf sehr einfache Art: Der Kranke sitzt am besten in einem Lehnstuhl mit einer etwas nach rückwärts geneigten Lehne. Man versichert ihm nun in Vertrauen erweckender Weise, daß er durch die Hypnose einem gesunden, stärkenden Schlafe von einigen Minuten (10—20), welcher leicht zu erzielen sei, wenn er nur wolle, seine Leiden gelindert oder gar ganz geheilt werden würde. Man hält jedes überflüssige Geräusch fern, macht das Zimmer etwas dunkel, setzt sich dem Kranken gegenüber und spricht ihn mit folgenden oder mit ähnlichen Worten an: „Fixieren Sie fest meine Augen, verhalten Sie sich ganz ruhig und denken Sie ausschließlich ans Einschlafen. — Sie werden ganz sicher ein schlafen, denn dieser heilsame Schlaf ist leicht zu erreichen. — Sie werden gleich eine Schwere in den Lidern empfinden. — Ihre Augen werden matt und feucht. — Ihre Lider sind schwer wie Blei — Ihre Lider zittern und senken sich schon. — Sie können dieselben nicht mehr heben. — Ihr Blick trübt sich — Sie sehen nicht mehr deutlich. — Sie verspüren eine Schwere in den Armen und Beinen, — Ihre Lider schließen sich und sind wie verklebt. — Sie können nichts mehr sagen, und der Schlaf übermannt Sie. (Während man die letzten Sätze spricht, kann man die Lider niederziehen und einen sanften